Unbefristete Bahn-Streiks wieder auf dem Tisch: Alle Augen auf Claus Weselsky
Die Tarifverhandlungen zwischen GDL und Deutscher Bahn sind trotz hochrangiger Vermittler gescheitert. Am heutigen Montag will die GDL sich erstmals äußern. Es drohen unbefristete Streiks.
Berlin – Die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und der Deutschen Bahn sind festgefahren. Nach einem Monat Friedenspflicht und geheimen Beratungen, unter anderem auch mit zwei hochrangigen Vermittlern, stehen beide Seiten vor einem Scherbenhaufen. Man hat sich nicht einigen können. Am heutigen Montag, 4. März, gibt GDL-Chef Claus Weselsky eine Pressekonferenz in Berlin, wo eine Bekanntmachung über das weitere Vorgehen erwartet wird. Noch immer schwebt das Damoklesschwert der unbefristeten Streiks über dem Tarifstreit.
GDL und Bahn verhandeln schon seit Monaten - Knackpunkt bleibt Arbeitszeitverkürzung
Seit Monaten ringen GDL und Bahn um einen neuen Tarifvertrag. Knackpunkt ist dabei die Forderung der Gewerkschaft nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne finanzielle Einbußen. Eine erste Verhandlungsphase im November hatte die GDL bereits für gescheitert erklärt und daraufhin nach einer Urabstimmung zu zwei längeren Streiks aufgerufen. Fern-, Regional- und Güterverkehr in Deutschland kamen über Tage hinweg weitgehend zum Erliegen.
Den jüngsten Arbeitskampf beendete die GDL dann überraschend vorzeitig und kam mit der Bahn Anfang Februar zu erneuten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zusammen. Vier Wochen lang wurde anschließend auch mit externen Vermittlern - dem ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière sowie Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (beide CDU) - verhandelt. An die Öffentlichkeit drang in dieser Zeit nichts. Am Donnerstag verkündete die Bahn schließlich, die GDL habe die Verhandlungen abgebrochen.
Gescheitert sind die Verhandlungen der Bahn zufolge an der Kernforderung der Gewerkschaft nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit. Die Bahn lehnt das ab, hatte in den Wochen zuvor aber Lösungen im Rahmen bestehender Arbeitszeit-Wahlmodelle vorgeschlagen.

Die Gewerkschaft warf der Bahn aber vor, sich nicht an die Absprachen zur Kommunikation nach außen gehalten zu haben. Nach Angaben des Tagesspiegels wirft Weselsky seinem Gegenüber Martin Seiler, Personalvorstand der Bahn, „Tarnen, Tricksen, Taschen füllen“ vor. Beim Angebot, das die Bahn bisher vorgelegt habe, handele es sich um „Etikettenschwindel“, da die Bahn Arbeitszeitverkürzung nur dann ermöglichen wolle, wenn das betrieblich möglich sei.
Wissing fordert Wiederaufnahme der Gespräche
Jetzt drohen erneut Streiks, die auch unbefristet sein können. Dass der ÖPNV so lahmgelegt wurde, das hat es noch nie gegeben, auch wenn es in der Vergangenheit schon schwierige Verhandlungen gab. 2007 und 2008 zum Beispiel ging der Tarifkonflikt zwischen Bahn und Gewerkschaft über 11 Monate. Doch auch damals blieb das schärfste Schwert, der unbefristete Streik, aus.
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Dass die GDL also jetzt zu diesem letzten Mittel greift, ist eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Zunächst dürfte es wieder mit einem mehrtägigen Streik losgehen, wie der bereits angekündigte, aber dann abgesagte Fünf-Tage-Streik im Januar. Auch ein Streik über Ostern scheint denkbar zu sein, um möglichst viel Druck aufzubauen.
Entsprechend versuchte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Wochenende in der Bild am Sonntag für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu werben. „Es wäre den Menschen in diesem Land nicht länger erklärbar, wenn nach monatelangen Verhandlungen erneut gestreikt würde, weil die Verantwortlichen am Verhandlungstisch keine Lösung finden.“
Betroffen von neuen Streiks wäre neben den Bahnfahrern auch die Wirtschaft, weil auch der Güterverkehr nicht rollen kann. Wissing warnte deswegen vor Versorgungsengpässen und Störungen von Lieferketten bei der Industrie sowie möglichen Problemen für Energieversorger wegen der Kohletransporte für Kraftwerke.
„Neben den massiven Beeinträchtigungen des Alltags für weite Teile der Bevölkerung sollten sich die Verantwortlichen ins Gedächtnis rufen, dass in Europa Krieg herrscht“, sagte der Verkehrsminister. „Diese Tarifauseinandersetzung darf nicht zum Sicherheitsrisiko werden. Wir müssen für dieses Problem eine gemeinsame Lösung finden.“
Mit Material von dpa und AFP