Fotograf Armin Smailovic zeigt die Ausstellung „Kriegböse“ an einem sprechenden Ort in Kempten
Die berührenden Fotografien von Armin Smailovic zeigen am Sankt-Mang-Platz in Kempten, direkt beim Friedensmahnmal, die erschütternden Folgen kriegerischer Konflikte.
Kempten – Die Stellwände auf dem Sankt-Mang-Platz fallen sofort ins Auge. Die Bauzäune, auf denen Transparente mit Bildern und Texte aufgezogen sind, stehen auf dem leicht unebenen Grund etwas schief. Aus den Fugen geraten ist auch das Leben der abgebildeten Personen. Die Fotografien von Armin Smailovic nehmen die Betrachter mit in Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt und machen die Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen sichtbar.
Vor allem die großformatigen Bilder berühren. Da ist etwa der klagende Blick einer alten Frau. Sie sitzt gebeugt in einer Höhle. Um sie herum kauern etwa ein Dutzend Kinder. Wie die Beschreibung verrät, sind sie in der Nähe der Frontlinie gefangen, weil es draußen zu gefährlich ist. Das Bild entstand 2016 im Sudan, wo das Volk der Nuba seit etwa 40 Jahren in einem grausamen Krieg für die Freiheit kämpft.
Fotografien aus Bosnien-Herzegowina, aus Syrien, dem Sudan und der Ukraine, sind neben dem Mahnmal für den Frieden zu sehen, viele in Schwarz-Weiß: Ein komplett in Schutt und Asche gelegter und fast völlig verlassener Straßenzug im ukrainischen Kupjansk, ein Flüchtlingslager in Syrien oder Schaufensterpuppen, denen jemand Gasmasken angelegt hat. Ergänzt werden die Bilder von teils bearbeiteten Screenshots, die zum Beispiel den Völkermord von Srebrenica 1995 dokumentieren.
Fotografien von Armin Smailovic und Auszüge aus „Lysistrata“ „zu einer pazifistischen Ausstellung verwoben“
Eine noch tiefere und bestürzendere Dimension erhalten die Fotografien durch die Begleittexte. Teils sind es Auszüge aus Tagebucheinträge, die Smailovic auf seinen Reisen verfasst hat, teils Aussagen von Betroffenen, teils Versatzstücke aus den Reportagen, für welche die Bilder entstanden sind. Immer wieder sind auch Zitate aus dem Schauspiel „Lysistrata“ zu lesen. „Alles zusammen haben wir zu einer pazifistischen Ausstellung verwoben“, erzählen die Kemptener Theaterdirektorin Silvia Armbruster und Smailovic bei einer Begehung am Sankt-Mang-Platz.

Armbruster war die Initiatorin. Sie wollte die antike Komödie „Lysistrata“, die das Theater in Kempten noch bis Mitte Mai auf die Bühne bringt, mit einer Ausstellung ergänzen. In dem pazifistischen Bühnenstück verbünden sich die Frauen und verweigern ihren Männern den Sex, um den Krieg zu beenden.
Erst seit 2008 werden Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen anerkannt, erzählt der Fotograf
Dass oftmals vor allem die Frauen und die Kinder die Leidtragenden des Krieges sind, zeigt auf dem Sankt-Mang-Platz der Themenblock aus Bosnien und Herzegowina mit den „Black Portraits“, die ohne oder nur im Licht einer Taschenlampe aufgenommen wurden. Aus der Ferne ist auf einer großen schwarzen Fläche nur ein einzelner Lichtpunkt zu erkennen.
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Aus der Nähe zeigen sich im Schlaglicht Gesichter. Zwischen 2010 und 2014 hat der Fotograf 75 Frauen getroffen, um sie zu portraitieren und „das Unaussprechliche sichtbar zu machen“. Schätzungsweise 20.000 Frauen wurden während des Krieges vergewaltigt und oder anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt. Auch 20 Jahre nach den blutigen Auseinandersetzung hätten viele von ihnen noch unter schweren Psychopharmaka gestanden. Sie leiden nicht nur unter Depressionen und schweren gesundheitlichen Problemen. In wöchentlichen Treffen tauschten sie sich beim Nähen und Stricken aus. „Je öfter man darüber redet, desto leichter wird es, damit umzugehen“, erzählt Smailovic.
Solche Ausstellungen niederschwellig für jeden zugänglich zu machen, hält er für wichtig, „damit die Menschen angeregt werden, über sich und die Welt nachzudenken“. Nach der Aufbruchsstimmung und Weltoffenheit der Wendezeit wollten heutzutage viele mit dem Weltgesehen nichts mehr zu tun haben und versteckten sich hinter ihrem Gartenzaun und schauten Netflix, diagnostiziert er.
Bleibt zu hoffen, dass viele Kemptenerinnen und Kemptener nicht nur an den Stellwänden vorbeihasten.
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