Die ukrainische UN-Botschafterin Khrystyna Hayovyshyn hat rote Linien für einen möglichen Friedensplan mit Russland gezogen. Bei einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sagte sie, diese seien "klar und unumstößlich".
Hayovyshyn nennt drei Punkte, hinter die ihr Land keinesfalls zurückfallen werde. Der erste: "Ukrainisches Gebiet, das vorübergehend von der Russischen Föderation besetzt ist, wird niemals, weder formell noch anderweitig, als russisch anerkannt", erklärte die Botschafterin. "Unser Land steht nicht zum Verkauf."
Ukrainische "rote Linien" widersprechen dem 28-Punkte-Friedensplan
Das widerspricht klar dem 28-Punkte-Plan, der mittlerweile im Wortlaut vorliegt. Dort heißt es in Punkt 21, die Regionen Krim, Luhansk und Donezk sollen de facto als russisch anerkannt werden – nicht nur die von Russland bislang eroberten Gebiete, sondern die gesamten Regionen. In Cherson und Saporischschja soll die derzeitige Kontaktlinie der Streitkräfte anerkannt werden.
Die zweite rote Linie zieht Hayovyshyn bei der Einschränkung des Rechts auf Selbstverteidigung. Explizit nennt sie die "Größe und die Fähigkeiten der Streitkräfte". Auch hier sieht der Friedensplan etwas anderes vor: Laut Punkt 6 soll die ukrainische Armee auf eine Stärke von 600.000 Soldaten begrenzt werden. Das entspräche ungefähr einer Halbierung.
Als dritte rote Linie ergänzt Hayovyshyn: "Wir werden auch keine Verletzung unserer Souveränität dulden, einschließlich unseres souveränen Rechts, die Bündnisse zu wählen, denen wir beitreten wollen." Der Friedensplan schließt aber eine Nato-Mitgliedschaft aus: "Die Ukraine erklärt sich bereit, in ihrer Verfassung festzuschreiben, dass sie nicht der Nato beitreten wird", heißt es in Punkt 7.
Während Botschafterin hart bleibt, gibt sich Selenskyj gesprächsbereit
Mit den roten Linien erklärt die UN-Botschafterin den Vorschlag für nicht zustimmungsfähig. Zumindest scheinbar steht das im Widerspruch zu den Erklärungen ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Der ukrainische Staatschef hatte mit einer US-Delegation über den Plan gesprochen. "Im Ergebnis des heutigen Treffens haben wir vereinbart, an den Punkten des Plans so zu arbeiten, dass dies zu einem würdigen Ende des Krieges führt", teilte das Präsidentenbüro mit. Es soll in den kommenden Tagen ein Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und Selenskyj geben.
Selenskyj muss bei Trump gute Miene zum bösen Spiel machen
Ist der ukrainische Präsident also offener für den Friedensplan als seine Botschafterin? Dafür spricht wenig, stattdessen sind die jeweiligen Aussagen eher als Arbeitsteilung zu verstehen.
Während Hayovyshyn klare Linien zieht, muss Selenskyj sich nämlich immer um die Gunst von Trump sorgen. Hätte der ukrainische Präsident die Friedensbemühungen umgehend zurückgewiesen, hätte sich Trump womöglich wieder einmal gegen ihn gestellt – mit möglicherweise fatalen Folgen. Die Ukraine ist noch immer von Waffen aus den USA abhängig.
Passend dazu sagte Selenskyj in einer Videoansprache an seine Landsleute am Freitag: „Gerade könnte die Ukraine vor einer sehr schweren Wahl stehen: Entweder die Würde verlieren oder das Risiko eingehen, den Schlüsselpartner zu verlieren." Er kündigte an, "Alternativen" zu dem von den USA vorgelegten Plan vorzustellen.
Selenskyj muss also gute Miene zum bösen Spiel machen. Das ist nicht ganz neu, doch der ukrainische Präsident steht derzeit besonders unter Druck. Zum einen sieht es auf dem Schlachtfeld nicht gut aus, die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk scheint weitestgehend gefallen zu sein. Zudem ist Selenskyj wegen des Korruptionsskandals innenpolitisch geschwächt.
Bundesregierung sieht Ukraine empfindlich unter Druck
Zu dieser Einschätzung kommt offenbar auch die deutsche Regierung. Wie die "Bild" berichtet, geht man davon aus, dass die Ukraine selten so empfindlich für Druck gewesen sei wie jetzt. Dem Bericht zufolge hat Kanzler Friedrich Merz daher europäische Partner mobilisiert. Die Ukraine soll ermutigt werden, stark auf den Druck durch die USA zu reagieren.
Genau eine solche Reaktion könnten die roten Linien sein, die Hayovyshyn bei den Vereinten Nationen vorgetragen hat. Doch auch sie betont, dass die Ukraine nach wie vor bereit sei, "konstruktiv mit der amerikanischen Seite sowie mit unseren europäischen Partnern und der ganzen Welt zusammenzuarbeiten". Somit lässt sie eine Tür offen für Selenskyj, der Trump bei Laune halten muss.