Verschwundene Daten und ein Installateur mit Motorschaden: Was man als Kunde der Bayernwerk Netz so alles erlebt
Manche Kunden der Bayernwerk Netz GmbH brauchen Nerven so stark wie Starkstromkabel. Zwei von ihnen klagten den Dachauer Nachrichten ihr Leid. Ein Ehepaar zahlt derzeit Stromkosten, als führe es ein Unternehmen. Der andere bekommt keine Einspeisevergütung mehr, weil seine Daten unauffindbar sind.
Indersdorf/Pasenbach – Als das Lehrerehepaar Claudia und Johannes Seitz, 57 und 68, im Juli vergangenen Jahres in ihr gekauftes Haus in Indersdorf einzogen, waren sie zufrieden. Die Eheleute lebten fortan in trauter Gemeinschaft mit einer Photovoltaikanlage, einem Batteriespeicher und einer Wärmepumpe zusammen. Fehlte nur noch die Verbriefung durch die Bayernwerk Netz GmbH, dass den Seitzens ab sofort die Einspeisevergütung bezüglich des Stroms zusteht. Ein Klacks, dachten die Eheleute. Sie irrten sich.
Bis zum Dezember 2023 bekam der alte Eigentümer das Geld überwiesen. „Obwohl die Bayernwerk Netz alle Unterlagen hatte, als wir das Haus übernommen hatten“, sagt Johannes Seitz, der seit Juli 2023 wöchentlich mit dem Netzbetreiber telefonierte. „Bei jedem Mal wurde mir zugesichert, dass die Angelegenheit an die entsprechende Fachabteilung weitergeleitet wird und ich damit rechnen kann, dass bald alles geregelt ist“, erinnert sich der pensionierte Pädagoge. Doch es geschah nichts. Beziehungsweise: Die Bayernwerk Netz schickte fröhlich Schreiben zum ehemaligen Eigentümer, der mittlerweile nach Liechtenstein umgezogen war. Darunter war auch die Mitteilung, dass im Haus in Indersdorf ein neuer, „intelligenter“ Stromzähler eingebaut werde. Es ist zu ahnen: Die Seitzens hatten bald ein weiteres Problem.
Stromkosten von 800 Euro im Monat
Am 14. November 2023 wechselte eine Firma im Auftrag der Bayernwerk Netz den Zähler. „Und am Nachmittag gingen keine Rollläden mehr“, sagt Hausbesitzer Seitz und berichtet, wie es weiterging: „Am nächsten Tag haben sie das gerichtet. Dann gingen die Rollläden wieder, aber es gab keine Einspeisungen mehr auf den neuen Zähler.“ Und: Der „intelligente“ Zähler registrierte bei den Seitzens ab sofort Stromverbräuche wie bei einem Unternehmen. Die Eheleute notierten: Verbrauch von 14. November 23 bis 16. April 24: 3802 Kilowattstunden. Bei vollem Batteriespeicher, so Seitz, wäre ein Verbrauch von 10 Kilowattstunden am Tag normal. Die monatlichen Kosten taxierte er schon mal auf 800 Euro.
Also erneut ran ans Telefon und: Finger wund wählen. Erst am 8. März 2024 fand Familie Seitz Gehör. Mitarbeiter einer weiteren Firma schauten auf Geheiß der Bayernwerk Netz vorbei. Nur: „Die waren zwei Mal da und haben zu mir gesagt, sie können nichts feststellen. Da muss irgendwas falsch verkabelt sein“, so Seitz. Doch die Firma pries einen Heilsbringer: den Chef.
Der Fachmann musste erst mal in Urlaub
Familie Seitz wartete zunächst zwei Wochen vergeblich auf den Kabel-Messias. Dann hieß es, der Chef sei erkrankt. Als sie nachhakten, bekamen sie zu hören, der Chef müsse im Anschluss an seine Unpässlichkeit erst noch 14 Tage lang mit Hilfe eines Urlaubs neue Kräfte tanken. Nach den Osterferien jedoch werde der von den Unpässlichen Auferstandene nach Indersdorf pilgern, hieß es. Hätte er einen Esel benutzt, wäre er dort vielleicht angekommen. Weil er hingegen sein Fahrzeug bevorzugt, schaffte er den Weg bis heute nicht. Motorschaden, ließ er Familie Seitz wissen.
Keinen Messias auf einem Esel, sondern lediglich einen pfiffigen Bayernwerk-IT-Fachmann bräuchte Achim Michaelis, 66. Auch er nennt eine schmucke PV-Anlage sein eigen. Auch er hat Probleme mit dem Netzbetreiber. Oder wie er meint: „Ich bin auf einer Odyssee durch die Herausforderungen und die Bürokratie“ der Bayernwerk Netz. Das Dilemma, in dem der Pasenbacher steckt: Seine Daten sind verschwunden. Und das hat Folgen für ihn.
Nachdem eine Fachfirma die Sonnenkollektoren auf das Dach seines Hauses montiert hatte, lud Michaelis „zirka ein Dutzend Fragebögen, Zertifikate und Dokumente im Kundenportal der Bayernwerke hoch“. Das war im März 2023. Daraufhin bekam er einen Netzanschlussvertrag mit Vertragsnummer, mithilfe derer er seine PV-Anlage beim behördlichen Marktstammdatenregister (MaStR) eintragen lassen konnte. Ende Juni 23 wurde bei ihm ein neuer Zweirichtungszähler montiert. Alles war gut. Dann verschwand der gesamte Vorgang im Nirwana der Datenverarbeitung.
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Daten im Nirwana verschwunden
Während das Nirwana bei Buddhisten den Kreislauf des Leidens unterbricht, leidet Michaelis darunter, dass er seit dem Verschwinden seiner digitalen Akte keine Einspeisevergütung mehr bekommt. Denn er kann sich seit Monaten nicht mehr im MaStR einloggen und demententsprechend nicht mehr melden, wie viel Strom seine PV-Anlage produziert.
Das dürfte nun zu einem Teufelskreis führen, denn die Bayernwerk GmbH betont auf Nachfrage der Heimatzeitung, dass sich das Problem nicht lösen wird, solange sie keine Meldung hat. Wörtlich schreibt ein Sprecher: „Der Kunde beziehungsweise der beauftragte Installateur hat im Februar 2023 die Anlage angemeldet (Vorgang 200007386354). Die weiteren Prozessschritte, die bei jeder neuen Anlage zu gehen sind, sehen nach der Mitteilung des Netzverknüpfungspunkts durch den Netzbetreiber und nach dem Bau eine Inbetriebsetzungsanzeige vor. Der Vorgang wird anschließend mit der Zählermontage und der Inbetriebnahme abgeschlossen. Bei Herrn Michaelis hat es über die Erst-Anmeldung hinaus weder eine Meldung zur Fertigstellung noch zur Fristverlängerung gegeben, sodass der Auftrag Mitte Oktober storniert wurde.“ Um den Anschluss nun dennoch „erfolgreich abzuschließen“, müsse sich Michaelis aber anmelden. Wie er das genau machen soll? Darüber schweigt der Bayernwerk-Sprecher.
Immerhin Familie Seitz darf sich Hoffnung auf Klärung ihrer Angelegenheit machen, so der Sprecher: „Das Anliegen von Herr Seitz ist als Beschwerde in der Klärung. Ein abschließendes Ergebnis liegt nicht vor. Es geht um die Prüfung, ob der Anschluss des Zählers fachlich korrekt ist oder ob möglicherweise die Funktion des Geräts gestört ist. Hier waren die Aussagen der Techniker vor Ort bisher uneinheitlich.“ Für Anfang der Woche sei mit dem Kunden ein weiterer Monteur-Termin vereinbart.
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