China greift Taiwan an: TV-Serie zeigt Schreckensszenario einer Invasion
Eine neue taiwanische Fernsehserie spielt detailliert einen chinesischen Angriff durch. Der Verteidigungsexperte Lin Ying-yu erklärt, wie realistisch „Zero Day“ ist.
Chinas Angriff auf Taiwan beginnt unspektakulär. Ein Kampfjet der chinesischen Volksbefreiungsarmee sei über dem Südchinesischen Meer verschwunden, melden die Medien des Inselstaats, eine Such- und Rettungsaktion habe begonnen und Peking deshalb die Gewässer südöstlich von Taiwan gesperrt. Doch was zunächst wie eine Routineaktion aussieht, ist in Wahrheit der Beginn einer Eskalationskette, die sieben Tage später zum großangelegten Angriff auf das demokratisch regierte Taiwan führen wird, das Peking als abtrünnige Provinz betrachtet. Auf einmal fliegen Kampfjets über die Hauptstadt Taipeh, Panzer rollen durch die Straßen, Gerüchte gehen um, dass sich der Präsident des Landes abgesetzt habe. Taiwan steht kurz vor dem Zusammenbruch.
Was anmutet wie ein chinesisches Propagandavideo, ist die Handlung der neuen taiwanischen Fernsehserie „Zero Day“. Ende Juli wurde ein 17-minütiger Trailer veröffentlicht, im kommenden Jahr soll die Serie zu sehen sein. Schon jetzt sorgt „Zero Day“ in Taiwan für hitzige Diskussionen: Zeichnet die Serie von Showrunnerin Hsin-mei Cheng ein realistisches Bild? Oder verbreitet sie nur unnötig Panik?
Rund 1,5 Millionen Mal wurde der Trailer zu „Zero Day“ bei YouTube bereits abgerufen, mehr als 17.000 Menschen haben ihn kommentiert. „Ich sitze weinend auf der Toilette. Will ich mir das wirklich anschauen?“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer kommentiert: „Es ist erschreckend, wie realistisch und logisch diese Serie wirkt. Gut zu wissen, dass Taiwan auf alle möglichen Tricks des Feindes vorbereitet ist.“ Auch Lin Ying-yu glaubt, dass Taiwan alle möglichen Szenarien im Blick haben müsse. „Wir können nie wissen, was China plant“, sagt der Verteidigungsexperte an der Tamkang-Universität in Neu-Taipeh im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
„Viele Menschen in Taiwan wollen nichts von der Bedrohung durch China wissen“
„Zero Day“ spielt an den sieben Tagen, die zwischen dem Verschwinden des chinesischen Kampfjets und dem Angriff auf Taiwan liegen. Erst bricht das Finanzsystem auf der Insel zusammen, die Geldautomaten spucken kein Bargeld mehr aus, die Aktienkurse der taiwanischen Chip-Hersteller stürzen ab. Ausländische Regierungen versuchen panisch, ihre Bürger zu evakuieren. Es kommt zu Hackerangriffen auf Taiwan und zu Sabotageakten. Als sich der taiwanische Präsident an sein Volk wendet („Ohne Freiheit ist Taiwan nicht Taiwan“), wird seine Rede gehackt, auf einmal behauptet er, die Blockade der Insel sei eine Kriegserklärung der Chinesen. Dabei ist zu dem Zeitpunkt noch gar nicht klar, was Peking tatsächlich vorhat. Auch innerhalb Taiwans werden die Unterstützer eines Anschlusses an China aktiv. Soziale Unruhen brechen aus, Schlägertrupps ziehen durch die Straßen und greifen all jene an, die eine Vereinigung mit der Volksrepublik ablehnen.
Showrunnerin Hsin-mei Chen sagt, sie wolle mit ihrer Serie die Menschen in Taiwan aufrütteln. „In unserem täglichen Leben vermeiden viele das Thema oder tun sogar so, als würde es nicht existieren“, sagte Chen zu CNN. „Aber da sich die Krise in den letzten zwei Jahren immer mehr zugespitzt hat, ist es meiner Meinung nach an der Zeit, dass wir uns mit ihr auseinandersetzen – und die Büchse der Pandora öffnen.“ Auch Verteidigungsexperte Lin glaubt, dass die Serie das Zeug habe, die Menschen aufzuwecken. „Viele Menschen in Taiwan wollen nichts von der Bedrohung durch China wissen. Wenn eine Serie wie ‚Zero Day‘ dazu beiträgt, die Menschen aufzuklären, dann ist das gut.“
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China erhöht den Druck auf Taiwan
Tatsächlich hat China in den vergangenen Jahren den Druck auf Taiwan stetig erhöht. „Wir werden niemals versprechen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“, verkündete Xi Jinping auf dem letzten Parteitag seiner Kommunistischen Partei vor zwei Jahren. Und er schafft Fakten. Nach dem Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im Sommer 2022 ordnete Chinas Staats- und Parteichef großangelegte Militärmanöver rund um Taiwan an, geübt wurde dabei auch eine Abriegelung der Insel. Auch nach der Amtseinführung von Taiwans neuem Präsidenten Lai Ching-te im vergangenen Mai schickte Peking seine Volksbefreiungsarmee in die Region. Zudem überqueren chinesische Kampfjets und Kriegsschiffe beinahe täglich die inoffizielle Grenzlinie zwischen den beiden faktisch unabhängigen Staaten.
An einen groß angelegten Angriff, wie ihn „Zero Day“ durchspielt, will Experte Lin zwar nicht so recht glauben. Was die Serie aber realistisch zeige, seien die chinesischen Cyberangriffe und die Manipulation der Medien durch die Anhänger Pekings. „Wir werden bereits attackiert, aber nicht mit konventionellen Waffen“, sagt er.
Ist Taiwan bereit, falls China angreift?
Unterstützt wurde „Zero Day“ auch von der taiwanischen Regierung. Gedreht wurde unter anderem im Präsidentenpalast in Taipeh sowie an Bord eines Kriegsschiffes. Was die Serie ebenfalls zeigt: Nicht jeder in Taiwan ist bereit, für sein Land zu sterben. „Taiwaner sollten nicht gegen ihre Landsleute kämpfen!“, verkündet in dem Trailer eine Influencerin. „Glaubt ihr wirklich, dass wir gewinnen können? Das können wir nicht!“ Experte Lin glaubt hingegen, dass die Bereitschaft in der taiwanischen Bevölkerung groß sei, ihr Land zu verteidigen. Das Problem sei ein anderes: „Viele Leute wüssten gar nicht, was sie machen sollten, wenn China angreift. Die Ausbildung muss viel besser werden.“ Nur dann sei Taiwan auf den Ernstfall vorbereitet.