Showdown der Ohnmächtigen: Scholz und Merz im Bundestags-Duell

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Im Winterwahlkampf nach dem Ampel-Aus greift die Union Scholz an. In der Phase vor der Neuwahl zeigt sich ein Parlament ohne Macht, aber voller Zorn.

Der Kanzler ist viel genannt worden, ein „Schlumpf“ war Olaf Scholz schon und ein „Klempner der Macht“. Nun also ein Außerirdischer, ein Politik-Alien. „Sie leben in Ihrem eigenen Kosmos“, ruft ihm Friedrich Merz vom Rednerpult aus spöttisch zu, „was Sie vorgetragen haben, ist nicht von dieser Welt“. Eine „Geisterstunde“, bilanziert Merz.

Scholz, recht irdisch in sein Handy vertieft, und CDU-Chef Merz sind die großen Protagonisten dieser Debatte im Bundestag, von der manche vorab gesagt hatten, sie könne „historisch“ werden. Historisch ist die Situation, denn Scholz hat frisch seine Regierungsmehrheit und einen Koalitionspartner verloren. Recht banal ist das, was die Abgeordneten daraus machen: eine Redeschlacht, den Auftakt zum Wahlkampf.

Kanzler auf Solopfaden unterwegs zu Neuwahlen: Scholz betont in der Regierungserklärung das „Ich“

Die zwei Stunden im Bundestag setzen dafür den Ton. Bei Scholz dominiert ein eher unsozialdemokratisches Wort seine Regierungserklärung: „Ich.“ Immer wieder spricht er über sich, seine Rolle, seine Ziele, es ist der Versuch, mächtig und selbstbewusst aufzutreten. Er umreißt zwei Kernbotschaften für den Wahlkampf, abgelesen aus einer blauen Mappe mit Bundesadler.

Söders Premiere: Der CSU-Chef spricht im Bundestag, nicht zur Freude von Olaf Scholz.
Söders Premiere: Der CSU-Chef spricht im Bundestag, nicht zur Freude von Olaf Scholz. © Tobias Schwarz/AFP

Erstens: Nur er stehe für Besonnenheit, um die Ukraine zu stützen, aber nicht in den Krieg hineingezogen zu werden; ausdrücklich wiederholt er sein Nein zu „Taurus“-Lieferungen. Zweitens: Nur eine sozialdemokratische Regierung wird Investitionen, Sozialausgaben, Verteidigungsetat und Ukrainehilfe gleichermaßen hochhalten können. „Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt.“

Union und FDP nach Ampel-Aus ohne Mehrheit: Merz bietet Übergangs-Pakt für den Bundestag an

Sein Rezept dazu spricht Scholz nie aus, es ist aber jedem im prall gefüllten Plenarsaal klar: Schulden machen. Allen rechts von sich, also vor allem Merz sowie der FDP, wirft Scholz vor, sie wollten „Einschnitte bei Rente, Pflege, Gesundheit.“ Für seine Verhältnisse ist das leidenschaftlich, die rechte Hand saust auf und nieder über dem Rednerpult.

Oppositionsführer Merz geht nicht direkt darauf ein, bemüht sich um einen moderateren Ton, will Scholz als realitätsfern und gestrig dastehen lassen. Der neue US-Präsident „wird Sie wie ein Leichtgewicht abtropfen lassen“, sagt er zum Kanzler. Merz wirkt indes selbst angespannt, verspricht sich mehrfach bei Kleinigkeiten. Dennoch schlägt er SPD und Grünen einen Übergangs-Pakt vor: im Bundestag bis zur Neuwahl nur noch gemeinsame Projekte auf die Tagesordnung zu setzen, keine strittigen, die mit den extremen Rändern von AfD und BSW eine Mehrheit finden könnten.

Merz, Söder und Scholz nach dem Ampel-Aus: die Bundestagsdebatte als Auftakt für Neuwahlen

Merz trifft da einen wunden Punkt, denn der Bundestag macht an diesem Tag bei allen wuchtigen Reden einen ohnmächtigen Eindruck. Die rot-grüne Regierung hat ja keine Mehrheit mehr, Union und FDP auch nicht. Also bleibt alles liegen, worüber kein Konsens besteht. Umso genauer wird jede Geste verfolgt, jedes Detail: Wie Merz mit FDP-Chef Christian Lindner demonstrativ flachst, wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach Scholz‘ Rede als erster aufhört zu klatschen.

Wie Mützenich dann einen ganz anderen Ton als Scholz anschlägt, leise, demütig, sich sogar entschuldigt, „wo ich verletzend und unbeherrscht war“. Wie die Grüne Annalena Baerbock fast spontan ans Pult muss, weil ihr Bald-Kanzlerkandidat Robert Habeck mit einer Regierungsflieger-Panne in Lissabon festsitzt.

Söder bereitet sich auf Neuwahlen vor und greift an: „Schmierenkomödie“ und „peinlicher Rosenkrieg“

Ja, und dann ist da auch Markus Söder. Der CSU-Chef darf als Mitglied des Bundesrats nach zweieinhalb Stunden das Wort im Bundestag ergreifen; eine gewisse Ironie, weil er sich im Bundesrat eher selten blicken ließ. Seine Premiere im Plenum hat mit dem Bundesrat ohnehin nichts zu tun: Es ist Attacke pur, wie zuvor mit Merz als Arbeitsteilung verabredet.

Söder nennt das Ampel-Aus eine „Schmierenkomödie“, „peinlichen Rosenkrieg“, „Siechtum“. Das halbe Land habe sich „fremdgeschämt“, die Welt kichere. Und niemand sei „uncooler als Sie, lieber Herr Scholz“. Die Ampel werde „in die Geschichte eingehen als die schlechteste Regierung aller Zeiten“. Söders Rezept: „Ein bisschen weniger woke, divers, gender, mehr Leistung, Fleiß und Pünktlichkeit, das sind die deutschen Tugenden.“

Merz moderat, Söder scharf: Die Grünen, die direkt nach dem bayerischen Gast reden, analysieren den Unions-Doppelauftritt als „Auftakt einer betreuten Kanzlerkandidatur“. Als Söder wieder sitzt, greift die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang zum Handy und tippt: „Vielleicht hat Gott Markus Söder nur geschaffen, um Friedrich Merz mal sympathisch wirken zu lassen“.

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