Weniger Regulierung, mehr Wachstum: Reiche-Berater warnen vor Überbürokratisierung der Industrie
Deutschlands Wirtschaftsberater warnen vor übermäßiger Industriepolitik: Weniger Regulierung, Bürokratieabbau und marktorientierte Maßnahmen sollen Wachstum sichern.
Frankfurt – Die Berater von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche empfehlen der CDU-Politikerin, die staatliche Lenkung der Industrie so weit wie möglich zu reduzieren. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums plädieren die Experten für weniger Bürokratie, geringere Regulierung und eine Rücknahme übermäßiger Förderprogramme.
„Die Rücknahme exzessiver Regulierung und eine konsequente Entbürokratisierung sind für Europa und Deutschland aktuell die beste Industriepolitik“, sagte Eckhard Janeba, Vorsitzender des Beirats, am Dienstag, 26. August. Seiner Ansicht nach besteht bei zu vielen staatlichen Fördermaßnahmen die Gefahr, dass die Industriepolitik ihren klaren Kompass verliere und beliebig werde. Vorrang habe derzeit vor allem ein Ziel: die Förderung von Wirtschaftswachstum.
Reiche-Berater: Staatliche Eingriffe nur bei klaren Zielen
Das Gutachten betont jedoch, dass staatliche Eingriffe gerechtfertigt sein können, wenn wichtige gesellschaftliche Ziele ansonsten nicht erreicht werden. Dazu zählen etwa die Bewältigung „neuer geopolitischer Herausforderungen“ sowie der Umbau der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität.
Wichtig sei, dass jede Maßnahme zuvor sorgfältig analysiert werde. Die Experten fordern eine Prüfung auf Verhältnismäßigkeit und betonen, dass Eingriffe in Märkte nicht den Wettbewerb schwächen dürften. Vielmehr solle staatliches Handeln darauf abzielen, den Wettbewerb zu fördern und Innovationen anzuregen.
Gewisse Klimapolitik sei überflüssig
Besonders kritisch äußert sich der Beirat zu klimapolitischen Maßnahmen, die auf Industriepolitik abzielen. Viele der vorgeschlagenen oder bereits bestehenden Eingriffe seien entweder überflüssig oder sogar schädlich. „Industriepolitische Eingriffe zum Zwecke des Klimaschutzes sollten dahingehend geprüft werden, inwiefern sie parallel zum Europäischen Emissionshandel erforderlich und angemessen sind“, heißt es in dem Gutachten.

Ab 2027 sollen nach den Vorgaben des Emissionshandels bereits rund 90 Prozent der klimaschädlichen CO₂-Emissionen in Europa abgedeckt sein. Maßnahmen, die darüber hinausgehen, seien nicht zwangsläufig notwendig. Als Beispiel nennen die Experten das Ziel der Netto-Null-Industrie-Verordnung, bis 2030 mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an sauberen Technologien in Europa zu produzieren. Dieses Ziel sei weder aus klimapolitischer Sicht noch zur Sicherung der Versorgungslage gerechtfertigt.
Weniger staatliche Eingriffe, mehr Wirtschaftswachstum
Der Beirat sieht daher für die Bundesregierung vor allem die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern, statt aktive Produktionsquoten oder Industrieziele vorzugeben. Janeba betonte, dass weniger Regulierung, Bürokratieabbau und ein klarer Fokus auf Wettbewerb aktuell die wirksamsten Instrumente der Industriepolitik seien.
In Zeiten globaler wirtschaftlicher Unsicherheiten und steigender Energiepreise könne Deutschland nur dann konkurrenzfähig bleiben, wenn der Staat seine Eingriffe auf das Notwendigste beschränkt und Unternehmen Freiraum für Innovationen und Wachstum erhält.
Immer mehr Unternehmen kritisieren bürokratische Hürden
Dass deutsche Unternehmen zunehmend unter einem hohen Maß an Regulierung und bürokratischem Aufwand leiden, zeigt eine aktuelle Reuters-Umfrage. Unternehmen aus Branchen wie Automobilzulieferung und Energie müssen vermehrt Projekte verzögern oder gar aufgeben. Beispielsweise musste ein mittelständischer Betrieb die Automatisierung seiner Lagerlogistik auf Eis legen, weil die Kosten für neue Brandschutzauflagen dessen Wirtschaftlichkeit zerstörten. Unternehmer kritisieren: Formularflut, strikte Inspektionspflichten und aufwendige Berichterstattung binden Ressourcen, die sonst in Modernisierung und Wachstum fließen könnten.
Reiche: Was die deutsche Wirtschaft jetzt braucht
Angesichts des zweiten Quartalsrückgangs im BIP um 0,3 Prozent und wachsender Arbeitslosigkeit betonte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die „dringende Notwendigkeit struktureller Reformen“. Darunter flexiblere Arbeitszeiten, weniger Bürokratie, niedrigere Nichtlohnnebenkosten, günstigere Energiepreise und Entlastung der Unternehmen durch Steuerreformen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schließt sich an und fordert eine wettbewerbsorientierte, strategische Industriepolitik — keine traditionellen, teils ineffizienten Subventionen. Stattdessen sollten steuerliche Erleichterungen, Investitionsanreize (z. B. senkende Strompreise) und gezielte Innovationsförderung im Fokus stehen. Mit Material von Reuters.