Wer in Präsidenten-Botin nur eine Sprechpuppe sieht, unterschätzt Trumps PR-Ass

Sie sieht jung genug aus für eine Rolle in einer Neuverfilmung amerikanischer High-School-Serien wie "Beverly Hills, 90210". Sie tritt professionell genug auf für einen Eintrag in die Chronik erfahrener White-House-Sprecher.

Und sie ist so loyal, dass der mächtigste Mann der Welt sie zu einer engen Beraterin gemacht hat. Auch Friedrich Merz wird mit ihr zu tun bekommen, wenn er am Donnerstag das Weiße Haus erstmals als Bundeskanzler besucht.

Karoline Leavitt, gerade einmal 27 Jahre alt, ist die Sprecherin von Donald Trump und die jüngste Person, die jemals dieses wichtige Amt im Schlagschatten eines US-Präsidenten bekleidete. Geboren am 24. August 1997 in der Kleinstadt Atkinson (New Hampshire), ist Leavitt eine Ausnahme-Kommunikatorin mit politischen Ansichten, die denen ihres Chefs ausgesprochen nahe sind. 

Trump-Vertraute Leavitt: "Erfolgreichster Präsident aller Zeiten"

Wenn sie im Briefing Room des Weißen Hauses die Fragen von Korrespondenten beantwortet, wirkt sie tief vertraut mit den Themen, freundlich-geschmeidig oder gar zuckersüß in ihrer Präsentation – und knallhart, wenn die Kritik der Journalisten an Trump einmal zu heftig wird.

Die Sprecherin ist souverän. Und jene Jubelarien, die Trump gern über sich selbst verbreitet, werden von Leavitt eins zu eins ebenso formuliert: "Der erfolgreichste Präsident aller Zeiten", "seine Zollpolitik funktioniert", "viele Länder wollen jetzt Unternehmen in den USA gründen", "alle Amerikaner werden mehr Geld in ihre Tasche bekommen".

Oder dieser Satz am 9. Mai, als es um das 400-Millionen-Dollar-Geschenk von Katar ging, jene Luxusversion einer Boeing 747-8, die Trumps neue Air Force One werden soll. Als Journalisten wissen wollten, ob denn die Annahme eines solchen Geschenks nicht den Verdacht der Korruption nahelege, legte Leavitt den Kopf ein wenig schief und tadelte: 

"Ich finde es ehrlich gesagt lächerlich, dass irgendjemand in diesem Raum überhaupt behaupten würde, Präsident Trump tue irgendetwas zu seinem eigenen Vorteil." Leavitt sagt das so überzeugt, als glaube sie, was sie sagt. Vielleicht weil sie glaubt, was sie sagt?

Leavitt unterscheidet eine Sache von ihrem Vorgänger

Zumindest trägt sie ihr Trump-Lob vor wie Naturgesetze, die sich nicht anzweifeln lassen. Das unterscheidet sie von dem unglückseligen Sean Spicer, Trumps erstem Sprecher in seiner ersten Legislatur. 

Der musste am Tag nach der Inauguration im Januar 2017 den Journalisten die "alternative Wahrheit" verkaufen, der Andrang der Massen sei größer gewesen sei als bei der Amtseinführung von Barack Obama – obwohl Film- und Fotomaterial das Gegenteil bewies. 

Spencer wand und bog sich und jeder merkte, dass er selbst nicht an seine Darlegungen von der einzigartigen Popularität seines Präsidenten glaubte. Nach sechs Monaten im Amt warf er hin, bevor Trump ihn feuern konnte.

"Klug, tough und eine äußerst effektive Kommunikatorin"

Leavitt ist anders, und auch deshalb lobt Trump sie als "klug, tough und eine äußerst effektive Kommunikatorin". Sie lässt sich selbst bei überraschenden Themen, mit denen sie sich offenkundig in Vorbereitung auf eine Pressekonferenz nicht intensiv befasst hatte, kaum aus der Ruhe bringen. 

Anfang April wollte eine Journalistin wissen, was denn der Präsident zu der Kritik von Senatoren sage, die Militärschläge gegen die Huthi-Milizen im Jemen seien wirkungslos geblieben und hätten die Iran-nahen Schiiten-Rebellen eher gestärkt. 

Leavitt blättert unauffällig durch ihre Notizen. Offenkundig liegt ihr dazu kein Sprechzettel vor. Viele Sprecher würden an der Stelle erklären, sie würden sich mit der Materie vertraut machen, den Präsidenten fragen und sich dann bei der Fragestellerin melden. 

Leavitt geht hingegen in die Offensive. "Wer hat das gesagt?", will sie wissen, um Zeit zu gewinnen. Jeff Merkley wird ihr genannt, ein Demokrat aus Oregon, und der libertäre Republikaner Rand Paul aus Kentucky. 

"Okay", sagt Leavitt, die ihre Argumentation jetzt parat hat, "ich weise diese Vorwürfe absolut zurück. Diese Huthi-Schläge waren unglaublich erfolgreich", mehrere Rebellenführer seien "rausgenommen worden", wie der Euphemismus für getötet lautet, und auch der Iran sei dadurch geschwächt worden. Zack, nächstes Thema!

Trumps Sprecherin ist eine echte MAGA-Kämpferin

Tiefes gegenseitiges Vertrauen und ein hohes Maß an Übereinstimmung in der politischen Ideologie machen die Sprecherin zur perfekten Botin des Präsidenten. Dabei ist Leavitt alles andere als eine Sprechpuppe. 

Sie ist keine Opportunistin. Sie ist vielmehr eine überzeugte MAGA-Jüngerin des Donald Trump. Während seiner ersten Amtszeit begann sie ihre politische Karriere als Praktikantin im Weißen Haus. 

Dank ihrer unerschütterlichen Überzeugung in seine Politik und ihrer effektiven Kommunikationsfähigkeit stieg sie schnell auf zur assoziierten Direktorin des wichtigen Büros für die Kommunikation des Präsidenten, in dem alle Emails, Postsendungen und Briefe, adressiert an das amerikanische Staatsoberhaupt, gefiltert werden. Ab Juni 2020, fünf Monate vor dem Wahlsieg von Joe Biden, war Leavitt eine der Sprecherinnen des Weißen Hauses. 

Leavitt hat selbst schon bei einer Wahl kandidiert

Zuvor hatte die Absolventin einer katholischen Schule am Saint Anselm College in ihrem Heimatstaat New Hampshire Politik und Kommunikation studiert. Und im Juli 2021, noch nicht einmal 24-jährig, wollte sie selbst in die Politik und gab ihre Kandidatur für die Wahl zum Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten für den ersten Kongressbezirk von New Hampshire bekannt. 

Mit einer Pro-Trump-Agenda gewann sie die Vorwahlen der Republikaner, unterlag jedoch dem demokratischen Amtsinhaber Chris Pappas. Trotz ihrer Niederlage gilt sie dank ihrer Leistung in den Vorwahlen und ihrer überzeugenden Rhetorik als aufstrebender Star der konservativen Szene – eine echte "MAGA-Kämpferin", die keine Angst hatte, mit harten Bandagen zu kämpfen.

Leavitt kehrte zurück zu Trump und wurde Sprecherin von MAGA Inc., Trumps Super-PAC, und schließlich Pressesprecherin für seine Präsidentschaftskampagne 2024.

Sie stillt ihr Baby, während sie am Schreibtisch arbeitet

Das vierte Kind von sehr amerikanischen Eltern, die eine Eisdiele betreiben und mit gebrauchten Trucks handeln, ist bereits ihrerseits Mutter. 2022, während ihres eigenen Wahlkampfes für das Repräsentantenhaus, lernte sie Nicholas Riccio kennen. Der erfolgreiche Immobilienentwickler, 32 Jahre älter als sie, ist der Vater ihres am 10. Juli 2024 geborenen Sohnes Niko. 

Drei Tage nach der Geburt wurde Trump von einem Attentäter in Butler County, Pennsylvania, angeschossen. "Ich sah meinen Mann an und sagte: 'Sieht so aus, als würde ich wieder arbeiten gehen'", erzählte Leavitt später, brach ihren Mutterschaftsurlaub ab und kehrte umgehend zurück in das Trump-Team. Wenige Tage vor der zweiten Inauguration des Präsidenten heiratete sie Nicholas Riccio.

Hat sie der große Altersunterschied von nahezu einem Dritteljahrhundert nie beunruhigt? "Ich meine, es ist eine sehr untypische Liebesgeschichte, aber er ist unglaublich", sagte sie im Februar 2025 in der Megyn Kelly Show – und schwärmte, dass ihr Mann, der bereits eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft hinter sich gebracht hatte, die ihre entsprechend mit guten Ratschlägen unterstützen könne. 

Zudem sei er "ein unglaublicher Dad", versichert die "Power-Mam". Ein Foto ging viral, auf dem sie ihr Baby stillt, während sie an ihrem Schreibtisch Briefing-Notizen vorbereitet. Kein Zweifel, Leavitt beherrscht die PR auch in eigener Sache.

Will Leavitt kritische Fragen verhindern?

Die Arbeit als Pressesprecherin des gerade in den etablierten Medien schlecht gelittenen Trump ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Umgekehrt behandelt die eisenharte Trump-Anhängerin die Vertreter dieser Medien häufig abwertend. 

Entsprechend kritisch bis feindselig begegnet ihr das Pressekorps des Weißen Hauses. Leavitt hat sich den Ruf erworben, den Presseraum für nicht-traditionelle Stimmen zu öffnen: Podcaster, YouTuber und Influencer, die mehrheitlich die Weltanschauung von MAGA teilen. 

Ihre Entscheidung, den Zugang für die Presse über die traditionellen Medien hinaus auszuweiten, wird im eigenen Lager als "Demokratisierung der Medienlandschaft" gelobt. Sie wird gefeiert als Kämpferin gegen feindselige "Mainstream-Medien". Ihre Gegner hingegen sehen darin den strategischen Versuch, kritische Fragen zu umgehen.

Hitzige Auseinandersetzungen mit Journalisten

Die Sprecherin hatte mehrere hitzige Auseinandersetzungen mit Journalisten. Dazu gehörte die Umsetzung der Entscheidung von Präsident Trump, AP-Journalisten von Gesprächen im Weißen Haus und an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One auszuschließen, weil die Nachrichtenagentur entgegen Trumps Direktive weiterhin vom "Golf von Mexiko" und nicht vom "Golf von Amerika" schreibt. 

Im April wies Leavitt einen AP-Journalisten im Briefing Room zurecht, der Zölle als "Steuern" bezeichnete und warnte, durch Trumps Zollpolitik würden die Amerikaner höhere Preise zahlen. Leavitt widersprach: Die Zölle würden von den ausländischen Herstellern bezahlt, "und ich finde es beleidigend, dass Sie mein ökonomisches Wissen in Frage stellen". 

Das war eine ziemliche Breitseite, geliefert wurde sie mit einem gewinnenden Lächeln – und diesem harten Schlusssatz: "Jetzt bedaure ich, Associated Press für eine Frage aufgerufen zu haben."

Eine neue Ära der politischen Kommunikation

Karoline Leavitt ist mehr als nur eine Pressesprecherin. Sie ist der Inbegriff eines Generationswechsels innerhalb der Republikanischen Partei – einer Partei, die Loyalität über Ehrerbietung, Medienkompetenz über traditionelle Referenzen und ideologische Überzeugung über parteiübergreifenden Konsens stellt. 

Ob man sie nun als aufsteigenden Stern oder als Symbol der Spaltung sieht, ihre Präsenz im Weißen Haus steht für eine neue Ära der politischen Kommunikation – eine Ära, in der der Kampf um die öffentliche Meinung ebenso sehr in den sozialen Medien wie auf der Bühne ausgetragen wird und in der die Grenze zwischen politischer Aktivistin und Kulturkämpferin zunehmend verschwimmt. Das ist die "Ära Trump".

Von unserem Autor Ansgar Graw ist unlängst das Buch erschienen: „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“ (Langen Müller, 272 S, 22 EUR)

Der Beitrag "Wer in Präsidenten-Botin nur eine Sprechpuppe sieht, unterschätzt Trumps PR-Ass" stammt von The European .