„Müssen endlich alle demokratischen Parteien an einen Tisch“ - Klaus Reichel appelliert an Politik
Klaus Reichel, Kämpfer gegen Rechtsradikalismus, ist tief besorgt über die AfD. Angesichts aktueller Entwicklungen warnt er eindringlich. Etwas hält ihn dennoch optimistisch.
Moosburg – Er engagiert sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich, ist Ehrenvorstand der Moosburger SPD und selbst mit 80 immer noch hochaktive Leitfigur, wenn es gegen Rechtsradikalismus und Demokratiefeindlichkeit geht. Im Interview mit dem Freisinger Tagblatt schildert Klaus Reichel, wie ihn die jüngsten Umtriebe der AfD bewegen, und was er sich von der Demo an diesem Dienstag in Freising erhofft.
Herr Reichel, im November hatten Sie bei Ihrem „Aufruf zur Demokratie“ vor 70 Zuhörern aufrüttelnde Appelle formuliert. Seitdem haben Umfragewerte für die AfD zugenommen, immer radikalere Absichten kommen ans Licht. War Ihr Aufruf für die Katz’?
Nein. Dieses Wochenende mit den vielen Demonstrierenden im ganzen Land hat mich unwahrscheinlich gefreut – und darin bestätigt, dass meine jahrelangen Aktivitäten richtig waren. Da waren Leute unterwegs, die sonst nicht auf eine Demo gehen. Sie haben eine enorme Wucht erzeugt. Und ich freue mich doppelt, dass die Organisatoren junge Leute waren, und nicht wieder dieselben wie seit Jahren. Ganz wichtig ist jetzt, dass das nicht ein vorübergehendes Phänomen bleibt. Die Landtagswahlen in Ostdeutschland sind die erste Nagelprobe für unsere Demokratie, bis dahin müssen diese Demos und Bemühungen auf jeden Fall weitergehen.
Haben Sie die kürzlich ans Licht gekommenen Pläne zu Massendeportationen überrascht?
Natürlich. Dass es in der AfD Leute gibt, die nichtberechtigte Asylbewerber ausweisen wollen, ist ja bekannt. Auch die CSU ist oft mit dabei, wenn es darum geht, Leuten die Einreise zu erschweren und sie zu vergrämen. Dass es nun in die Richtung geht, ganze Bevölkerungsgruppen auszuweisen, hat mich schockiert! Die Frage ist, ob’s solche Treffen nicht schon öfter gegeben hat. Hinter einem Höcke sitzen ja noch viel intelligentere und gefährlichere Leute. Martin Sellner von der Identitären Bewegung unter anderem, der beim Treffen dabei war. Ich hab’ keine Angst, dass morgen Massendeportationen passieren. Aber wenn diese Leute irgendwann an der Macht sind, werden sie versuchen, das durchzuziehen.
Sie waren selbst lange Kommunalpolitiker. Wie lautet Ihr Appell an die amtierende Politik?
Wir brauchen nicht bloß verbalen Schlagabtausch im Parlament, sondern es müssen endlich alle demokratischen Parteien an einen Tisch kommen, um überparteilich zu schauen, wie wir weiter kommen und die Demokratie verteidigen. Das hätte schon vor Jahren passieren müssen.
Sie wollen die Demo in Freising besuchen. Was erwarten Sie von der Versammlung?
Eine größere Besucherzahl als sonst üblich.
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Und was erhoffen Sie sich?
Ein weiteres Aufwachen, ein Engagieren von größeren Bevölkerungsgruppen. Die Leute müssen verstehen, dass Demokratie eine Mitmach-Staatsform ist. Sonst läuft man Gefahr, in einem anderen System aufzuwachen.