Traditionsunternehmen ist insolvent: 150 Mitarbeiter von Pleite des Motorenherstellers betroffen

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Das nächste mittelständische Traditionsunternehmen in Deutschland muss Insolvenz anmelden und verschärft einen besorgniserregenden Trend weiter. (Symbolfoto) © Bernd Weißbrod/dpa

Ein weiteres Traditionsunternehmen muss Insolvenz anmelden. Beim Motorenhersteller bleibt man aber optimistisch, dass die Pleite abgewendet werden kann.

Dessau-Roßlau – Die deutsche Wirtschaft befindet sich in der Krise, das musste sich auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestehen, als er die historische Rezession bei der Herbstprojektion der Konjunktur für 2024 vorstellte. Das bekommen auch viele Unternehmen zu spüren, die in den vergangenen Wochen und Monaten die Insolvenz anmelden mussten. Die Beispiele erstrecken sich von der Insolvenz einer Bäckerei-Kette in Deutschland, über eine insolvente Traditionsbäckerei, bis hin zu einem insolventen Fahrradhersteller oder der Insolvenz eines Mode-Riesens, der mit einer Auktion für Aufmerksamkeit sorgt.

Traditionsunternehmen ist insolvent: Motorenhersteller ist auf Investorensuche

Besonders hart trifft es aber derzeit die kriselnde Autobranche. Immer wieder müssen Zulieferer Insolvenzanträge stellen. Während ein bekannter Autozulieferer ebenso wie ein Branchenführer die Insolvenz beantragen mussten, will ein großer Autozulieferer laut Betriebsrat „möglichst schnell“ Werke in Deutschland schließen. Nun hat es einen weiteren Zulieferer getroffen, der allerdings in einer ganz anderen Branche tätig ist. Denn auch der Anhaltische Elektromotorenhersteller (AEM) ist insolvent. Das berichtete die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) zuerst über den Betrieb aus Dessau, der überwiegend Generatoren für Wasserkraft und Schiffe baut. Darüber hinaus stellt AEM auch Motoren für Baumaschinen her.

Das über 150 Jahre alte Traditionsunternehmen aus Sachsen-Anhalt leidet unter der wirtschaftlichen Misere wie so viele mittelständische Firmen in Deutschland. Gründe für die Insolvenz des Motorenherstellers seien dem MDR zufolge hohe Zinsen, steigende Materialkosten und eine Kaufzurückhaltung der Kunden. Die daraus resultierenden Umsatzverluste der vergangenen Monate und Jahre hätten dem Unternehmen so zu schaffen gemacht, dass nur noch der Schritt in die Insolvenz blieb.

Motorenhersteller meldet Insolvenz an: Geschäftsführung des Traditionsunternehmens bleibt optimistisch

Trotz der Insolvenz zeigt sich die Geschäftsführung des insolventen Traditionsunternehmens optimistisch. Allen voran erklärte der Chef des insolventen Motorenherstellers, Reiner Storch, beim MDR, dass man zuversichtlich sei, in den kommenden Wochen neue Mitgesellschafter für die AEM zu finden. Seiner Aussage nach hätten sich bereits erste Interessenten gemeldet. Ziel bleibe, das gesamte Unternehmen zu erhalten.

Des Weiteren erklärte nach Angaben der MZ die Rechtsanwaltskanzlei, die das Traditionsunternehmen bei der Investorensuche unterstützt, dass der Geschäftsbetrieb im vorläufigen Insolvenzverfahren stabil und in vollem Umfang fortgeführt werde.

Traditionsunternehmen ist insolvent: 150 Mitarbeiter beim Motorenhersteller AEM betroffen

Nach den Angaben von Unternehmenschef Storch sind 150 Mitarbeiter von der Insolvenz des Traditionsunternehmens betroffen. Die Löhne seien aber bis Ende November durch das Insolvenzgeld abgedeckt. Er fügt hinzu: „Bis dahin haben wir Luft, neue Partner ins Boot zu holen.“

Laut der eigenen Unternehmensseite arbeitet der insolvente Motorenhersteller als Zulieferer für Kunden aus aller Welt. Die seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen seien jedoch nicht spurlos am Unternehmen, aber auch nicht an den Kunden vorbeigegangen, erklärte Geschäftsführer Reiner Storch weiter. „Weniger Umsatz in den Branchen der Kunden bedeutet zwangsläufig auch weniger Aufträge für AEM als Zulieferer.“ Das Unternehmen war 1872 unter dem Namen „Bamag“ gegründet worden.

Insolventes Traditionsunternehmen ist kein Einzelfall: Zahl der Insolvenzen in Deutschland auf Rekordhoch

Die Insolvenz von AEM ist längst kein Einzelfall: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland befindet sich auf einem Rekordhoch. Das teilte am Donnerstag (10. Oktober) das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit. Demnach sei die Zahl der Insolvenzen im dritten Quartal so hoch gewesen wie in keinem Quartal seit 2010.

Gründe hierfür sind die derzeit kriselnde deutsche Wirtschaft, aber auch Nachholeffekte der Corona-Pandemie spielen eine Rolle, unterstrich der Leiter der IWH-Insolvenzforschung, Steffen Müller. Damals sei die Zahl der Insolvenzen durch staatliche Stützungsprogramme künstlich niedrig gehalten worden. Viele der damals unterstützten Unternehmen gerieten nun in Schwierigkeiten.

Im dritten Quartal 2024 sei mit 3.991 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften der höchste Wert der vergangenen 14 Jahre registriert worden. Zuletzt habe die Zahl im zweiten Quartal 2010 mit 4.071 Insolvenzen höher gelegen. Damals habe noch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009 nachgewirkt, heißt es in einer Mitteilung des IWH.

Insolvenzen in Deutschland steigen stark an: „Zweite Halbjahr verspricht einen Sturm von Firmenpleiten“

Der besorgniserregende Trend geht also in die nächste Runde, auch wenn die anhaltende Pleitewelle sich nach Angaben der Unternehmensberatung Falkensteg im zweiten Quartal etwas abgeschwächt hat. Doch verharrt die Zahl der Großinsolvenzen „auf einem besorgniserregend hohen Stand“, wie es im Insolvenzreport für das Quartal heißt.

„Wir erleben gerade eine kurze Verschnaufpause, aber die Gesamtlage deutet auf einen weiteren Anstieg der Zahlen hin“, warnt Jonas Eckhardt, Studienautor und Partner bei Falkensteg. Als Haupttreiber nennt er die anhaltende Konjunkturschwäche, hohe Zinsen bei Firmenkrediten und zunehmende Zahlungsprobleme von Kunden. „Das zweite Halbjahr verspricht einen Sturm von Firmenpleiten. Zumal die zweite Jahreshälfte immer deutlicher höhere Fallzahlen aufweist“, prognostiziert Restrukturierungsexperte Jonas Eckhardt.

Insolvenzen in Deutschland: „Stimmung bei den Unternehmern ist so schlecht wie lange nicht mehr“

„Die Stimmung bei den Unternehmern ist so schlecht wie lange nicht mehr“, erklärt Jürgen Matthes, Leiter internationale Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Gespräch mit dem Insolvenzreport. Er sieht einen toxischen Mix aus höheren Energie- und Verbraucherpreisen, einem weltweiten Nachfrageeinbruch und nationalen Problemen wie hohen Arbeitskosten sowie enormen Bürokratie- und auch Steuerlasten, die beispielsweise auch zu Insolvenzen bei einem Lebensmittel-Startup oder einem Photovoltaik-Unternehmen.

Und dann seien da noch die internationalen Risikofaktoren: „Unzuverlässige Lieferketten aus autokratischen Staaten, ein möglicher Taiwan-Konflikt und eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus könnten die Exporteure erheblich treffen“, ergänzt Matthes.

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