„Dann blutet dir das Herz“: Amtstierärztin erzählt von tierischem Alltag

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Ihr geht das Herz auf, wenn sie Schweine in artgerechter Haltung sehe, sagt Katrin Goller-Englberger, Leiterin des Veterinäramts im Landkreis Ebersberg, hier auf Gut Herrmannsdorf bei Glonn. © Stefan Roßmann

Als Amtstierärztin hat Katrin Goller-Englberger im Landkreis Ebersberg schon viel erlebt. Von uneinsichtigen Tierwohlsündern über Seuchenbekämpfung bis zur Lebensmittelüberwachung: So arbeitet das Veterinäramt - ein Besuch.

Landkreis – An den Anblick, als sie das Haus des „Doktor Grusel“ von Grafing betrat, erinnert sich Katrin Goller-Englberger gut, fast zu gut. Die Polizei hatte die Tür geöffnet, sie ging als erste hinein, erzählt die Amtstierärztin. „Dann habe ich die Gabunviper gesehen.“ Giftschlangen, Spinnen, Kraniche, Äffchen und sogar ein Krokodil: Der Fall des selbst ernannten Forschers, dem Polizei und Veterinäramt mehr als 400 erbärmlich gehaltene Tiere, darunter viele illegale Exoten, wegnahmen, sorgte 2008 bundesweit für Schlagzeilen.

Amtstierärztin vielerorts nicht beliebt: „Der Großteil der Tierhalter hält sich aber an geltendes Recht“

Als sie diesen ihren spektakulärsten Fall bearbeitete, war Goller-Englberger seit drei Jahren im Ebersberger Veterinäramt. Seit vergangenem Jahr leitet die 49-Jährige die Behörde. Bevor sie losmuss, weil in einem Schlachtbetrieb ein Rind ohne Ohrmarke aufgetaucht ist, erzählt sie der EZ in ihrem Büro vom Arbeitsalltag des fünfköpfigen Amtstierärzte-Teams. Viel dreht sich ums Tierwohl, auch wenn es noch ganz andere Baustellen gibt. Neben dem Blumentopf auf dem Fensterbrett steht griffbereit das gut 1800 Buchseiten starke Tierschutzgesetz. An der Pinnwand klemmt der Kalauer: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“

So schlimm kommt es in echten Ställen in der Region üblicherweise nicht. Aber Kontrolle ist besser, weshalb die Veterinäramtsleiterin und ihr Team im ganzen Landkreis unterwegs sind. Sie wissen, dass sie bei vielen Landwirten nicht beliebt sind. „Seid’s ihr schon wieder da?!“ – Den Spruch hört Goller-Englberger öfter. Sie sagt aber auch: „Der Großteil der Tierhalter hält sich an geltendes Recht.“ Meistens, wenn es etwas zu beanstanden gebe, liege es am umfangreichen Papierkram.

Ebersberger Veterinäramt auf Meldungen über Tierwohlgefährdung angewiesen

Doch es gibt auch unter den Tierhaltern im Landkreis Ebersberg vereinzelt schwarze Schafe, private wie berufliche. Die ihre Kuh verdreschen oder zu faul für die Klauenpflege sind. Die ihre Katze verdreschen oder zu faul sind, das Terrarium sauber zu machen. Im vergangenen Jahr hat Goller-Engelberger eine Pferdebesitzerin erlebt, die ihre Tiere schutzlos in der Kälte stehen ließ. Und drogensüchtige Hundehalter, die nicht mehr wussten, wann sie ihr Tier das letzte Mal gefüttert hatten. In beiden Fällen hat das Amt die Tiere beschlagnahmt, erzählt sie. Mögliche weitere Konsequenzen: Haltungsverbot, Strafanzeige.

Wir sind auf Meldungen angewiesen und gehen jedem Hinweis nach

Wird so etwas öffentlich, bekommt die Behörde oft den Vorwurf zu hören, viel zu lasch mit Tierwohlsündern umzuspringen. „Wir sind auf Meldungen angewiesen und gehen jedem Hinweis nach“, sagt die Amtstierärztin dazu. Auch wenn manchmal nur ein Nachbarschaftsstreit dahinterstecke. Um jeden Betrieb regelmäßig zu kontrollieren, reichen die Kapazitäten nicht, ganz zu schweigen von privaten und nicht angemeldeten Tierhaltungen. Bei letzteren sei das Amt auch zügig mit einem Haltungsverbot bei der Hand.

Amtstierärztin schreckt nicht vor Sanktionen gegen Tierhalter zurück: „Solange, bis es passt“

Bei Landwirten, deren Lebensunterhalt davon abhänge, sei die Behörde damit zurückhaltender, kontrolliere aber engmaschig nach, setze Fristen, verhänge Zwangsgelder. „Solange, bis es passt.“ Oft steckten andere Probleme dahinter, wie jüngst ein Generationenkonflikt auf einem Hof, der sich zugunsten der Tiere habe lösen lassen.

Es gehe ihr immer ums Tierwohl, sagt die Veterinärin. Schon mit sechs Jahren habe sie Tierärztin werden wollen. „Einen anderen Berufswunsch hatte ich nie.“ Dass sie im Amt landen würde, hätte sie nicht gedacht, doch habe sie als Veterinärmedizinerin mit Schwerpunkt Schweinehaltung gemerkt: „Du siehst als Tierarzt immer wieder Dinge, die du nicht sehen willst – und dann gehst du wieder.“ Nicht immer rührt gutes Zureden an. Und die eigene Kundschaft anzeigen: schwierig.

Seuchenbekämpfung, Kontrollen und Papierkram: Umfangreiches Aufgabengebiet des Veterinäramtes

Als Amtstierärztin hat sie Handhabe. Die Behörde hat ein Stallbetretungsrecht, kann sich Haustiere vorführen lassen, kann Konsequenzen verhängen. Muss manchmal für die Seuchenbekämpfung ganze Bestände keulen lassen. „Dann stehst du daneben und dir blutet das Herz“, sagt Goller-Englberger.

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Das Veterinäramt Ebersberg ist für alles zuständig, was im Landkreis so unter menschlicher Obhut kreucht und fleucht, und was an Endprodukten oder Reststoffen anfällt. Von Maus bis Elch – ja, auch das Tierversuchslabor des Pharmakonzerns Nuvisan in Grafing und der Wildpark Poing fallen in seine Zuständigkeit. Will eine Turnierreiterin mit ihrem Pferd in Spanien antreten oder das Tierzucht-Institut Grub Bullen-Sperma nach Bolivien verschicken, prüft die Behörde die Papiere.

Veterinäramt auch an Lebensmittelüberwachung in Metzgereien beteiligt

Auf Schadstoffe, Krankheitserreger und Antibiotika-Rückstände untersucht sie Blut, Urin, Eier, Honig, Milch und Tränkwasser. Nimmt Proben aus Fleisch, Futter, Gülle. Und sogar mal einer Lederhose: Als die amtliche Stichprobe 2006 ein Bekleidungsgeschäft traf, sorgte der folgende EZ-Bericht für solchen Wirbel, dass Landrat Gottlieb Fauth persönlich dafür sorgte, dass der Händler Kostenersatz für das 152 Euro teure Stück erhielt – mit den Worten: „Niemand verspeist eine Lederhose.“ Darum ging’s zwar nicht, sondern darum, dass das Material Hautkontakt hat, erklärt die heutige Amtsleiterin. Das Unverständnis über die damalige Maßnahme könne sie nachvollziehen. Lederhosen sind nicht mehr im Fokus, es gibt Wichtigeres.

Der akute Tierschutz und die akute Lebensmittelsicherheit haben Vorrang.

An der Lebensmittelüberwachung in Metzgereien und Supermärkten ist das Veterinäramt beteiligt, kontrolliert Schlachtungen, bekämpft Vogelgrippe, Rinderherpes und Schweinepest und den illegalen Welpenhandel. Es sei mangels Personal manches liegen geblieben, räumt die Amtsleiterin ein. Nun sei die Behörde wieder besser aufgestellt. Immer gelte die Prämisse: „Der akute Tierschutz und die akute Lebensmittelsicherheit haben Vorrang.“

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