Pistorius-Boomerang? Riesen-Lieferung für Ukraine dezimiert die Bundeswehr

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Deutschland stellt der ukrainischen Armee die nächste Waffen-Lieferung in Aussicht. Viel deutet darauf hin, dass diese auf Kosten der Bundeswehr geht. Eine Analyse.

Berlin – Es ist die nächste große Waffenlieferung aus Berlin für Kiew im Ukraine-Krieg, um dem völkerrechtswidrigen Angriff des Moskau-Regimes aus Russland Einhalt zu gebieten.

Waffen für die Ukraine: Deutschland liefert mehr Panzerhaubitzen 2000

Deutschland wird dem ukrainischen Militär zwölf weitere Panzerhaubitzen 2000 liefern. Das hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am 6. September angekündigt. Die Bundesrepublik hatte der Ukraine in der Vergangenheit bereits 14 PzH 2000 bereitgestellt, so die Abkürzung für die selbstfahrende, gepanzerte Kanonenhaubitze.

Sechs dieser Artilleriegeschütze sollen laut Pistorius noch in diesem Jahr geliefert werden, sechs weitere dann im kommenden Jahr. Es geht diesmal um ein Finanzvolumen von 150 Millionen Euro. Laut des Ministers stammen die zwölf Panzerhaubitzen 2000 aus Industriebeständen – sie werden demnach nicht der Truppe genommen. Aber: Die neuerlich umfangreiche Waffenlieferung geht wohl dennoch auf Kosten der deutschen Bundeswehr.

Eine Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr bei einer Nato-Übung in Litauen.
Eine Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr bei einer Nato-Übung in Litauen. © IMAGO / Funke Foto Services

Lieferungen im Ukraine-Krieg: Bundeswehr soll Ersatz für Panzerhaubitzen erhalten

Denn: Die deutschen Streitkräfte sollen absehbar eigentlich zwölf neue PzH 2000 für die im Frühjahr 2022 zur Verfügung gestellten 14 Stück erhalten. So beschlossen es die Ampel-Koalition und der Deutsche Bundestag im Mai 2023 und gaben die dafür notwendigen Gelder frei. Bereits im März 2022 hatte der Haushaltsausschuss dem Kauf von zehn Panzerhaubitzen 2000 als Ersatz für an die Ukraine abgegebene Exemplare zugestimmt.

Einzig die Beschaffung dieser ersten zehn Geschütze umfasst ein Finanzvolumen von circa 184 Millionen Euro. Laut einer Pressemitteilung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr aus dem März 2023, sollen die „ersten vier Panzerhaubitzen der Truppe im Jahr 2025 zulaufen. 2026 soll die Beschaffung der Geschütze abgeschlossen sein“. Eigentlich. Doch: Ist das noch realisierbar?

Panzerhaubitze 2000 (PzH 2000):
Waffentyp selbstfahrende, gepanzerte Kanonenhaubitze
Hersteller Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall
Besatzung 5 Soldaten
Hauptbewaffnung 155-mm-Haubitze L/52 mit 60 Geschossen
Sekundärbewaffnung 1 × Maschinengewehr MG3
Gewicht 49 Tonnen
Länge / Breite: 11,69 m / 3,50 m

Deutsche Rüstungsindustrie: KNDS und Rheinmetall bauen die Panzerhaubitze 2000

Die deutschen Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann (KNDS, München) und Rheinmetall (Düsseldorf), die die PzH 2000 gemeinsam bauen, hatten in der jüngeren Vergangenheit immer wieder auf begrenzte Produktionskapazitäten und eine hohe Auftragslage durch Mitgliedstaaten der Verteidigungsallianz Nato verwiesen. Exemplarisch: KNDS-Geschäftsführer Ralf Ketzel hatte im April in der ARD-Dokumentation „Nato – wer wird Europa schützen?“ bemerkenswert offen und öffentlich erzählt, dass es vom Auftrag bis zur Auslieferung eines einzelnen Kampfpanzers Leopard 2 etwa zwei Jahre dauert.

Und: In den Produktionsstätten am Stadtrand Münchens können pro Jahr nur 40 bis 50 Panzer gebaut werden. Hier wird auch die PzH 2000 zusammengeschraubt. Anfang April 2024 hatte der Düsseldorfer Technologie- und Rüstungskonzern Rheinmetall bekannt gegeben, mit der Lieferung von Kernkomponenten für 22 Panzerhaubitzen 2000 beauftragt worden zu sein. Zur Einordnung: Rheinmetall liefert die Waffenanlagen mit der Hauptwaffe, einer 155-mm-Haubitze L/52, und die Fahrgestelle. Die ersten dieser Artilleriesysteme sollen noch im Sommer 2025 an die Bundeswehr ausgeliefert werden, hieß es damals in einer Pressemitteilung des rheinländischen Waffenbauers.

Waffen-Lieferungen an die Ukraine: Panzer-Bestand der Bundeswehr ist verringert

Die Ausführungen von Pistorius lassen jetzt zumindest darauf schließen, dass die durch das Moskau-Regime Wladimir Putins heimtückisch angegriffene Ukraine bei den Lieferungen der PzH 2000 Vorrang haben dürfte. Schließlich braucht die ukrainische Armee die schwere Waffe täglich für die Gefechte mit den Russen zwischen Charkiw, Donbass und Saporischschja. Damit nicht genug: Laut Bundesverteidigungsministerium sollen dem deutschen Heer zwischen 2025 und 2026 insgesamt 18 neu gefertigte und moderne Kampfpanzer Leopard 2 A8 übergeben werden. Und zwar (ebenfalls) als Ersatz für an die Ukrainer gelieferte Leopard 2 A6 aus Beständen der Bundeswehr. KNDS hat zudem Aufträge für neue „Leos“ durch die Streitkräfte der Nato-Partner Ungarn und Norwegen vorliegen.

Auch für die „Leoparden“ liefert Rheinmetall die Hauptwaffe, eine Glattrohrkanone im Kaliber 120 Millimeter. Beide deutsche Rüstungskonzerne sind demnach schwer beschäftigt. Das gilt zudem für den Maschinenbauer MTU aus Friedrichshafen am Bodensee, der sowohl die wuchtige Dieselmotoren für die „Leos“ als auch für die PzH 2000 produziert. Laut des Magazins Europäische Sicherheit & Technik (esut) hatte die Bundeswehr vor dem Ukraine-Krieg im Jahr 2021 insgesamt 108 Panzerhaubitzen 2000 im Dienst. 14 Stück gingen an die Ukraine, die in den Kämpfen laut der Open-Source-Intelligence Website Oryx mittlerweile (Stand 12. September) eine PzH 2000 verloren hat. Wird die Bundeswehr nun weiter dezimiert, weil es mit Nachschub zu lange dauert? (pm)

Auch interessant

Kommentare