So viele Jugendliche wie nie zuvor im Jugendzentrum - „Sie wollen einfach, dass ihnen jemand zuhört“

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Fürstenfeldbruck
  4. Gröbenzell

KommentareDrucken

Hat ein offenes Ohr für alle: Steffi Ruijters, die Leiterin des Gröbenzeller Jugendzentrums. © Guido Verstegen

Die Gröbenzeller Jugendbegegnungsstätte Impuls 8406 erreicht mit ihrem abwechslungsreichen Programm immer mehr Menschen im Alter von acht bis 21 Jahren. Darunter ist auch eine Gruppe, die manche als problematisch bezeichnen.Wie die Leiterin mit ihnen umgeht, erklärt sie im Interview.

Es sind eigentlich gute Nachrichten, die Steffi Ruijters mitbrachte. Die 45-jährige Leiterin der Jugendbegegnungsstätte (JBS) präsentierte dem Gemeinderat jüngst eine Bilanz des Jahres 2023. „Die JBS erfindet sich immer wieder neu und packt auch alte Dinge immer wieder anders an“, sagte Ruijters. Und das mit Erfolg: Seit dem Jahr 2022 freuen sich die Verantwortlichen über stetig steigenden Zuspruch. Ende 2023 erreichte die JBS mit rund 10 600 Kindern beziehungsweise Jugendlichen eine Besucherzahl, die die Aufzeichnungen der vergangenen 15 Jahre deutlich übertraf – und es waren etwa 4000 Besucher mehr als 2022. Allerdings kamen auch Jugendliche zur Sprache, die manchem im Ort Kopfzerbrechen bereiten. Wie die JBS damit umgeht, schildert Ruijters im Tagblatt-Interview.

Sie sind seit 2008 als Sozial- und ㈠Erlebnispädagogin in der JBS tätig. Ihr Fokus liegt auf Kindern zwischen acht und zwölf Jahren, seit 2020 leiten Sie das Team. Inwiefern hat sich Ihre Arbeit über diesen langen Zeitraum hinweg verändert?

Als ich angefangen habe, haben wir gegen einen Ruf gekämpft, der nicht besonders gut war. Wir haben den Kindertag eingeführt und so sehr viele Jüngere angezogen, die wir über viele Jahre gehalten haben. Die Altersstruktur ist großen Schwankungen unterworfen, doch unsere pädagogische Arbeit hat sich nicht groß verändert. Was auffällig ist: Die Jugendlichen kommunizieren heute anders miteinander. Sie sind anders in die Gesellschaft eingebunden, dürfen jetzt mit 16 schon wählen. Die Eigenverantwortung, die den Jugendlichen zugestanden wird, ist viel größer geworden.

Wie zeigt sich das?

Jugendliche setzen sich heute mehr für sich und ihr Umfeld ein und beschäftigen sich mitunter sehr früh mit gesellschaftlichen Themen. Damit geht auch die Entwicklung des eigenen Selbstbildes einher: Hier waren die Möglichkeiten noch nie so vielfältig wie heute – allein bei der Frage nach der Geschlechtsidentität oder des Lebensmodells.

Aber Sie bleiben dabei, dass sich Ihre Arbeit nicht groß verändert hat?

Ja. Die Kinder und Jugendlichen wollen einfach, dass jemand da ist und ihnen zuhört. Und wenn in Elternhaus und Schule niemand ist, dem sie sich anvertrauen können, dann sind wir das.

Es begegnen sich jeden Tag Menschen jeder Kultur, aus verschiedenen Elternhäusern, Geflüchtete oder Menschen mit Behinderung. Wie nehmen Sie den Umgang im Miteinander wahr?

Wir haben ein sehr familiäres Klima. Bei uns gibt es tatsächlich sämtliche Gruppierungen: Ob nun Schülerinnen und Schüler aus der Mittelschule, dem Gymnasium oder der Waldorfschule, die Jugendlichen haben dabei die verschiedensten sozialen und kulturellen Hintergründe. Bei uns sind schon immer die Achtjährigen und die 18-Jährigen nebeneinander unterwegs, das ist für Jugendzentren relativ ungewöhnlich. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen bei uns – aber eben auch schön zu sehen, wenn die großen coolen Jungs den Jüngeren beim Billard was zeigen. Und sollte es doch mal zu Konflikten kommen, hilft uns das große Platzangebot unserer Einrichtung.

Apropos „große Jungs“: Bei Ihrem Besuch im Gemeinderat haben Sie auch von jener Gruppierung berichtet, die immer wieder die Polizei beschäftigt und „die wir nicht in den Griff bekommen“, wie Bürgermeister Martin Schäfer sagte.

Ja, die kommen auch zu uns, aber nicht regelmäßig.

SPD-Gemeinderat Axel von Walter sprach im Zusammenhang mit dieser Gruppe – etwa zehn Personen – von körperlicher Gewalt und Bedrohung. Wie ist Ihre Erfahrung?

Wenn sie bei uns sind, halten sie sich an unsere Hausregeln, weil sie wissen, dass sie sonst rausfliegen. Sie spielen dann unter anderem an der Spielkonsole, sind nett und freundlich. Den Bedarf, mit uns über ihre Belange zu reden, haben sie aber nicht.

Zum Thema Cannabis-Teillegalisierung und zur Umsetzung der Pläne der Bundesregierung in Bayern: Wenn man sich die entsprechende Karte von Gröbenzell anschaut, gibt es da fast keine Stelle mehr, wo man kiffen darf – hier ein öffentliches Gebäude, da ein Spielplatz. Wie gehen Sie damit um?

Unsere Reaktion auf die Teillegalisierung war, damit pädagogisch zu arbeiten: Zum Beispiel haben wir eine große Stellwand gemacht, auf der genau steht, was man darf und was nicht. Für alle unter 18 Jahren ist es ja ohnehin weiter verboten, aber viele Jugendliche denken halt, jetzt ist das alles gar nicht mehr so schlimm.

Auf die Polizei ist mit Sicherheit Mehrarbeit zugekommen, weil das ja auch alles irgendwie kontrolliert werden muss. Oder?

Ja, auch bei uns am Freizeitheim wurde viel kontrolliert. Ganz unabhängig vom Gesetz sind wir eine pädagogische Einrichtung und haben eine Schutzfunktion: Laut unserer Hausregeln darf niemand in berauschtem Zustand die JBS besuchen, egal ob von Alkohol, Cannabis oder andere Drogen. Wenn es zu so einer Situation kommt, suchen wir das Gespräch, das ist eine ganz wichtige Komponente unserer Arbeit. Denn Jugendarbeit ist immer Beziehungsarbeit – in der JBS-Familie ist jede und jeder willkommen.

Auch interessant

Kommentare