Jugendparlament Dietmannsried fühlt Kandidaten zur Bundestagswahl auf den Zahn
Das Dietmannsrieder Jugendparlament (kurz: JUPA) hat eigens acht Kandidaten zur Bundestagswahl zu seiner Wahl-Infoveranstaltung eingeladen.
Dietmannsried – Rainer Rothfuß (AfD), Ernst Ohmayer (BSW), Mechthilde Wittmann (CSU), Stephan Thomae (FDP), Indra Baier-Müller (Freie Wähler), Andrea Wörle (Grüne), Gabriel Bruckdorfer (Die Linke) und Konstantin Plappert (SPD) (Aufzählung in alphabetischer Reihenfolge der Parteinamen, Anm.d.Red.) stellten sich in dem aus allen Nähten platzenden Saal den Fragen des JUPA und des altersmäßig bunt gemischten Publikums. Der spielerische Rahmen sorgte für Kurzweil, die die Ernsthaftigkeit und Aussagekraft der Statements jedoch in keiner Weise schmälerte.
Erster Programmpunkt war das aus zurückliegenden Wahlveranstaltungen des JUPA bekannte und beliebte „Themen-Bierpong“. Hierbei mussten die Kandidaten mit einem Tischtennisball in einen von neun Bechern treffen. Diese enthielten kein Bier, sondern standen jeweils für einen der Themenkomplexe „Außenpolitik“, „Umwelt und Energie“, „Digitalisierung“, „Jugend und Bildung“, „Migration“, „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“, „ÖPNV“, „Soziales und Gesundheit“ sowie „Wohnen und Bauen“. Je nachdem, wo der Ball landete, durfte der/die Werfende ein 90-sekündiges Statement hierzu abgeben.
Beim nächsten Spiel „Skala statt Blabla“ stellte Moderator Michael Munz Aussagen in den Raum (z. B. „Deutschland sollte zur Kernenergie zurückkehren“, „Es ist richtig, dass ukrainische Flüchtlinge volles Bürgergeld beziehen“). Die Kandidaten platzierten sich daraufhin entlang einer auf den Boden gezeichneten Skala von 1 („Stimme voll zu“) bis 6 („Stimme gar nicht zu“). Wer seinen (wortwörtlichen) Standpunkt 60 Sekunden lang erläutern durfte, entschied der Zufall. Am Ende nutzte auch das Publikum rege die Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Thema „Migration“
Zum Thema „Migration“ sagte Mechthilde Wittmann (CSU), wer aus einem sicheren Staat komme, werde künftig zurückgewiesen. „Das wollen wir sofort umsetzen.“ Wer echten Schutz brauche, solle diesen auch weiterhin bekommen – „aber nicht unbedingt in Deutschland. Wir sind umgeben von Ländern, die sicher genug sind. Wir können den Menschen zumuten, auch dort Schutz zu suchen.“ Dass Abschiebungen nicht funktionieren, liege am Rückführungsverbesserungsgesetz, jenes sei „eine Katastrophe“, denn „selbst wenn der gesetzliche Rahmen ausgeschöpft ist, bekommen abgelehnte Asylbewerber nochmal einen Anwalt gestellt, der sagt ihnen, wann der Termin für die Abschiebung ist – dann erwischen wir sie nicht.“
Sie glaube, es sei „ein Fehler“ gewesen, die ukrainischen Flüchtlinge, die „eigentlich gar nicht schlecht zu uns passen würden“, ins Bürgergeld zu lassen. „Das verursacht unfassbare Kosten und bietet kaum Anreiz zu arbeiten.“ Auch Indra Baier-Müller nannte das Bürgergeld für Ukrainer eine „Fehlentscheidung“, für deren Änderung sie sich gern in Berlin einsetzen würde. Stephan Thomae plädierte für ein Punktesystem bei der Fachkräfteeinwanderung, analog dem Vorgehen in Kanada, Australien und Neuseeland.
Rainer Rothfuß (AfD) erläuterte auf Nachfrage aus dem Publikum, was er mit dem Schlagwort „Remigration“ meine: „Schwere Straftäter haben ihr Schutzrecht verwirkt.“ Auch die 6.000 syrischen Ärzte, die derzeit in Deutschland seien „sollten eigentlich zurück in ihre Heimat“. Angesichts des Umstandes, dass z. B. in der syrischen Stadt Aleppo heute ein Arzt auf 7.000 Menschen komme, könnten sie dort wertvolle Wiederaufbauarbeit leisten. Die AfD wolle alle Möglichkeiten nutzen, von Abschiebung bis Freiwilligkeit. Zum Thema „Außenpolitik“ meinte er: „Sanktionen müssen weg“. Und: „Die ganz entscheidende Frage ist: Welche Partner sucht sich Deutschland in der Welt? Das entscheidet über Krieg und Frieden.“ Auch was den Handel angehe, brauche Deutschland „gute Beziehungen in alle Welt – sowohl nach Russland als auch in die USA und vor allem auch zu den BRICS-Staaten und den Ländern des globalen Südens. Sie sind das Wachstumszentrum der Welt“. Der Westen dürfe sich nicht mehr abkapseln.
Zurück zur Kernenergie?
Der Aussage „Deutschland sollte zur Kernenergie zurückkehren“ stimmten die Vertreter von AfD und CSU zu, die von Linke, Grüne und SPD platzierten sich am anderen Ende der Skala. Andrea Wörle (Grüne): „Wir haben die AKWs ohnehin länger laufen lassen als geplant. Man findet heute niemanden, der so was baut, finanziert und versichert – und wir haben keine Lösung für den Atommüll.“ Auch sei Atomstrom der teuerste Strom in der Produktion, „das macht ökonomisch keinen Sinn“.
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Mechthilde Wittmann betonte: „Kein Land investiert so viel in die Forschung zur Kernfusion wie Bayern – da fällt kein Müll an.“ Ernst Ohmayer (BSW) befand (beim Thema „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“), angesichts der tiefen Krise der deutschen Wirtschaft sei „eine drastische Senkung der Netzentgelte und der Energiepreise“ nötig. „Der Einkauf von Energie muss nach dem günstigsten Preis und nicht nach ideologischen Grundsätzen erfolgen.“
Verpflichtende Dienst- und Wehrpflicht
Für die Einführung einer Wehr- bzw. Dienstpflicht positionierten sich die Kandidaten von CSU, FW und AfD. Indra Baier-Müller (FW): „Es wäre gut für junge Erwachsene, sich in einem ökologischen oder sozialen Jahr oder im Wehrdienst zu engagieren. Das würde auch den so wichtigen gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.“ BSW, Grüne, FDP, SPD, Linke standen am anderen Ende der Skala. Stefan Plappert: „Ich halte eine Wehrpflicht nicht für den richtigen Weg.“ Es sei unpraktikabel, „beim jetzigen Zustand der Bundeswehr, den jungen Menschen zuzumuten, dort verpflichtend hinzugehen“. Gabriel Bruckdorfer (Die Linke) differenzierte: „Die Linke ist sehr hart gegen Wehrpflicht, einem sozialen Jahr stehen wir aber positiv gegenüber.“
Ruf nach Bürokratieabbau
Einigkeit herrschte beim Ruf nach Bürokratieabbau, sei es beim Bauen, in der Pflege oder der Landwirtschaft. Stephan Thomae: „Wir haben einen solchen Wust an Vorschriften, dass wir eine Verwaltung brauchen, um die Verwaltung zu verwalten.“ Die zahllosen Vorschriften würden z. B. auch das Bauen immer teurer und somit unattraktiv machen. Man müsse zurück zu einem „gesunden Maß“ an Vorschriften, auch, um Investoren nicht abzuschrecken. „Kostengünstiges Bauen muss möglich sein“, befand auch Rainer Rothfuß.
Auf diese Publikumsfrage an SPD und CSU antwortete Stefan Plappert (SPD), die Forderung der AfD nach Remigration sei undemokratisch und „unmenschlich, denn die Menschenwürde ist essenziell“. Die AfD sei juristisch gesichert „von Nazis und Rechtsextremen durchsetzt“. Mechthilde Wittmann: „Die AfD ist in Teilen gesichert rechtsextrem – mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben. In Richtung Rainer Rothfuß sagte sie: „Was einige Ihrer Abgeordneten im Bundestag absondern, ist ekelhaft.“
Weitere Fragen drehten sich um Themen wie die generalistische Pflegeausbildung (Indra Baier-Müller: „Ein riesiger Fehler“), die Verlängerung der Mietpreisbremse (Bruckdorfer: „Wohnen sollte kein Privileg sein, sondern für jeden machbar.“) oder die Zusammenführung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung („Ich stimme zu“: SPD und BSW; „Stimme gar nicht zu“: FDP und CSU). Ein Zwei-Klassen-System dürfe es aber bei Terminvergabe und Behandlungsmethoden nicht geben, mahnte Stephan Thomae. Im Anschluss an den offiziellen Teil standen die Kandidaten für Gespräche zur Verfügung.
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