Dr. Rainer Rothfuß, Direktkandidat der AfD, spricht über Geopolitik, Remigration und seine politischen Werte

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Dr. Rainer Rothfuß im Kemptener Stadtteil Sankt Mang. © Lajos Fischer

Direktkandidat der AfD im Wahlkreis 256 ist Dr. Rainer Rothfuß. Der 53-jährige Diplom-Geograf wohnt in Lindau. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Rothfuß kam im März 2023 als Nachrücker in den Bundestag.

Kempten – Der Kreisbote sprach mit ihm im Wahlkreisbüro seiner Partei in Kempten-Sankt Mang.

Herr Rothfuß, welche Themen haben Sie im Bundestag angesprochen und vertreten, die mit den Menschen im Allgäu zu tun haben?

Dr. Rainer Rothfuß: Das Wichtigste ist, dass ich mich im Bereich der Landwirtschaft starkgemacht habe für die Entbürokratisierung, gegen überzogene, ideologisierte ökologische Vorgaben. Das Verbot der Anbinde- bzw. Kombihaltung würde für viele kleinere Landwirte im Allgäu das Aus bedeuten, weil sie sich die geforderten Investitionen in sechsstelliger Höhe nicht leisten können. Ich habe ein Landwirtschaftssymposium im Bundestag zu diesem Thema unterstützt und eine Talkshow dazu organisiert.

Haben Sie etwas erreichen können?

Wir aus der Opposition bestimmen die Debatte mit. Die Landwirte hatten vorher nur die CSU und die Freien Wähler als Ansprechpartner. Diese stehen jetzt unter Druck, weil die AfD ihr Ergebnis unter den Landwirten bei der Landtagswahl verdoppelt hat. Die CSU muss unsere Themen besetzen und die Landwirte zufriedenstellen, ansonsten wird die AfD noch stärker. Oder sie binden uns in die Regierung ein. Die Opposition kann in der Demokratie ihre Ideen nicht direkt umsetzen, aber die Debatte mitsteuern. Die Früchte erntet man später.

Ein zweites Thema ist die Corona-Aufarbeitung. Dafür habe ich eine Abgeordneten-Zeitung entwickelt und ein großes Corona-Symposium im Bundestag organisiert. Wir haben die Maßnahmen sehr früh kritisiert und Stimmen zu Wort kommen lassen, die in den Medien unterdrückt wurden. Ich stehe dafür, dass auch in 20 Jahren nicht vergessen wird, was der wehrlosen Bevölkerung angetan wurde, um Pharmakonzerne zu begünstigen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Abgeordneten aus der Region?

Daran besteht kein Interesse seitens der anderen Abgeordneten. Man muss froh sein, wenn man auf dem Gang von Herrn Thomae und Frau Wittmann den Gruß erwidert bekommt. Ich wäre offen und finde es schade, weil durch eine Zusammenarbeit mehr herauskommen könnte für unsere Region.

Was sind Ihre wichtigsten politischen Werte?

Die Wahrhaftigkeit. Das heißt, dass man Probleme nicht unter den Tisch kehrt, sondern offen anspricht. Mich nervt es grandios, was jetzt wieder auf den Wahlplakaten steht. Für wie dumm hält man die Bürger? Die wissen genau, dass Scholz nicht für Wirtschaftswachstum, sondern für die längste Rezession im Deutschland der Nachkriegszeit steht. Das führt zu Politikverdrossenheit. Ein weiterer Wert ist der Schutz unserer christlichen Traditionen und Werte.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich bin im Bereich der Außenpolitik aktiv. Es ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht und auch gegen das Gebot der Nächstenliebe, dass die EU das Bürgerkriegsland Syrien seit 13 Jahren mit Sanktionen drangsaliert und die Bevölkerung aushungert. Das weiß ich von den Hilfswerken, die dort aktiv sind.

Meinen Sie, man hätte mehr Geld für die Flüchtlingslager geben sollen und dafür sorgen, dass Assad schneller weg ist?

Das ist ein anderes Thema: Wir haben zu respektieren, welche Regierung ein anderes Land hat. Man hätte mit Assad auch zusammenarbeiten können.

Was wollen Sie in der Wirtschaftspolitik ändern, damit Deutschland aus der Rezession herauskommt?

Die Energiepreise müssen runter. Dafür gibt es einfache Maßnahmen, an erster Stelle die Normalisierung der Beziehungen mit Russland, indem man den Krieg in der Ukraine möglichst rasch auf diplomatischem Weg beendet. Dann beziehen wir wieder ökologisches, kostengünstiges Pipeline-Erdgas und wir können unsere Gasheizungen weiter betreiben. Zweitens müssen überzogene ökologische Standards abgeschafft werden. Wir dürfen keine weiteren Milliarden an Subventionen verbrennen, indem wir auf Wind und Photovoltaik setzen. Deswegen gibt es hier die höchsten Strompreise der Welt. Wir haben bereits seit Jahrzehnten wachsende ökologische Standards und sind daher nicht mehr wettbewerbsfähig.

Eine weitere Maßnahme für die Wirtschaft ist, dass die Steuerlast runter muss, für die Arbeitnehmer und für die Unternehmen. Der Staat muss verschlankt werden und sich auf die Aufgabe konzentrieren, dass er die Wirtschaft und freies Leben ermöglicht.

Was würden Sie in der Sozialpolitik ändern?

Die Belastung der Renten durch Steuern muss drastisch reduziert und Familien mit Kindern müssen steuerlich deutlich entlastet werden.

Was soll mit Leistungen wie dem Bürger- oder Wohngeld passieren?

Es darf nicht sein, dass jemand, der jeden Tag arbeitet, weniger Geld bekommt als jemand, der keine Arbeit hat. Die Hälfte des Bürgergelds wird mittlerweile an Menschen ausbezahlt, die gar keine Staatsbürger sind.

Wollen Sie das Bürgergeld abschaffen?

Man kann das Bürgergeld nicht abschaffen, aber man muss Anreize setzen. Das tun wir mit dem Konzept der aktivierenden Grundsicherung. Wer eine Arbeit nicht annimmt, muss Einbußen hinnehmen. Und wer anfängt zu arbeiten, bekommt eine Weile zusätzlichen Zuschuss. Nach einem halben Jahr wollen wir gemeinnützige Arbeit vorschreiben, so entsteht der Anreiz, eine reguläre Arbeit zu suchen. Wir müssen sicherstellen, dass nicht Millionen von Ausländern im Bürgergeld festhängen bleiben. Statt den Ukrainern Bürgergeld zu geben, hätte man das Nachbarland Polen unterstützen müssen, damit die Leute dortbleiben. Der Sozialmag­net muss abgestellt werden. Die Herkunftsländer müssen befriedet und die Menschen zurückgebracht werden. Syrien ist befriedet, zumindest aus der Sicht der Syrer. Die Entwicklungshilfe muss in die Remigration und Reinteg­ration der Menschen umgeleitet werden. Dann fallen sie aus unserem Bürgergeld heraus.

Auf das Denkmuster der AfD hat die Freund-Feind-Theorie von Carl Schmitt großen Einfluss. Wer sind Ihre Freunde und Feinde?

Wir haben weder innen- noch außenpolitisch fest ausgemachte Feinde. Bei uns geht es immer um Inhalte. Die USA unter Joe Biden haben sich allerdings gegenüber Deutschland sehr feindlich verhalten, indem sie den Ukraine-Krieg begonnen haben. Wir hoffen, dass sich die USA unter Trump deutschlandfreundlicher verhalten und unsere Außenbeziehung zu Russland wieder normalisiert wird. Das war uns bis jetzt nicht erlaubt. Wenn die SPD asylpolitisch den gleichen Kurs fahren würde wie ihre Genossen in Dänemark, dann wäre sie eine Partei, mit der wir sogar eine Regierung bilden wollten.

Sie können doch nicht abstreiten, dass Russland den Krieg in der Ukraine angefangen hat und Putin unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hat.

Darüber kann man streiten. Russland hat den Krieg eskaliert, aber er lief schon seit acht Jahren und wir haben uns nicht darum gekümmert. Jeder Krieg hat seine Vorgeschichte. Die USA gingen nach Afghanistan, in den Irak und in Libyen rein, das ist nicht nur Russland.

Wie schätzen Sie Putin ein?

Putin ist ein hochrationaler geopolitischer Akteur. Durch die Heranführung der Ukraine an die NATO hat er sich bedroht gefühlt. In den acht Jahren starben 13.000 russischsprachige Menschen durch den Beschuss der ukrainischen Armee in den abgespaltenen Gebieten. Diese Menschen wollten sich ihre Sprache und Identität nicht nehmen lassen. Laut Völkerrecht gibt es das Recht auf die Selbstbestimmung der Völker. Es geht immer nur um die Stärke des jeweiligen Akteurs und Russland ist stärker als der Westen es eingeschätzt hat. Es ist völliger Quatsch, dass man mit Putin nicht verhandeln kann. Man muss einen Interessenausgleich verhandeln. Aber die Tradition des friedlichen diplomatischen Denkens ist in Europa ausgestorben.

Das erinnert an die Argumentation vor der Besetzung des Sudetenlandes. Wir wissen aus der Geschichte, wohin Appeasement-Politik führt, wenn man dem Aggressor nicht rechtzeitig Einhalt bietet.

Wenn Sie sagen, Appeasement-Politik sei schlecht, dann hätten die arabischen Staaten Europa längst einnehmen müssen, weil wir ihre Länder aufgrund von Lügen bombardiert haben.

Was heißt für Sie Geopolitik? Denken Sie im Sinne von Friedrich Ratzel?

Ratzel spielt in unserem geopolitischen Denken keine Rolle. Wenn, dann eher Sir Halford Mackinder. Europa ist ein Teil Eurasiens. China müssen wir kritisch würdigen als Partner, den wir verstehen und mit dem wir klarkommen können. Die Frage ist, warum Krieg und Konflikte im eurasischen Randgebiet angefacht werden. Das ist nur im Interesse der USA, die ein geopolitisch konkurrierendes, starkes Eurasien verhindern wollen. Deswegen sollte auch die Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland zerbrochen werden. Die Sprengung der Nord Stream Pipelines ist ein Symbol dafür.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat berechnet, was die Wahlversprechen der Parteien den Bürgern unterschiedlicher Einkommen finanziell bringen würden. Dass bei der FDP die unteren Einkommensklassen verlieren und die Spitzenverdiener fast zehn Prozent dazu gewinnen würden, überrascht nicht. Aber die AfD unterscheidet sich kaum davon (nichts für kleine Einkommen, fast acht Prozent Plus für die höheren Einkommensklassen). Sind Sie auch eine Partei der „Besserverdiener“?

Durch hohe Freibeträge wollen wir auch niedrige Einkommen stark entlasten. Unser Credo ist aber: Bestraft die Menschen, die ein Vermögen angesammelt haben, nicht, weil sie fleißig sind. Deswegen wollen wir die Erbschaftssteuer ganz abschaffen. Aber die Bezeichnung ist nicht korrekt, weil diese suggeriert, dass wir nur für die Besserverdiener da wären. Wir sind keine FDP 2.0, sondern eine Volkspartei, die bei den Arbeitern bereits etwa 30 Prozent Zustimmung findet.

Wenn man Ihr Vorhaben mit „Remigration“ ernst nimmt, würde beispielsweise die Bevölkerung von Kempten von heute 72.000 auf etwa 40.000 zurückgehen. Wie wollen Sie das anstellen und mit den Folgen umgehen?

Glauben Sie den Correctiv-Lügen, die bereits gerichtlich untersagt wurden? Der Begriff Remigra­tion wurde dämonisiert und zum Unwort des Jahres erklärt, statt uns zu fragen, was wir tatsächlich darunter verstehen. Und das haben wir im Landesverband Bayern in einer von mir eingebrachten Resolution klar festgelegt. Wir erkennen die erbrachten ökonomischen und sozialen Integrationsleistungen von Migranten an. Wer hier arbeitet, Steuern zahlt und vielleicht schon familiäre Verbindungen hat, bleibt natürlich hier. Davon können Sie realistisch ausgehen. Manche haben sogar schon den deutschen Pass. Wir würden jemanden mit deutschem Pass nie antasten, ausgenommen, wenn die Person den Pass betrügerisch erworben hat. Aber wer integrationsunwillig ist und eine Parallelgesellschaft aufbaut, wer schwere Straftaten begeht, muss zurückgeführt werden. Damit stehen wir auf dem Boden des Grundgesetzes. In Kempten geht es vielleicht um 1.000 Menschen, die sich hier illegal aufhalten.

Beschränken sich Ihre Pläne tatsächlich nur auf Schwerkriminelle und Integrationsverweigerer?

Nein, wir wollen auch Ärzte aus Syrien dringend dazu bringen, in ihre Heimat zurückzukehren. Dort herrscht wirklich Ärztemangel, bei uns geht es nur darum, auf einen Termin etwas länger warten zu müssen. In Aleppo gab es vor dem Krieg einen Arzt für 800 Einwohner, heute gibt es einen für 7.000. Die Ärzte nicht in der Rückkehr zu unterstützen, wäre unmenschlich.

Sie waren OB-Kandidat der CSU in Lindau. Warum sind Sie in einem ganz anderen politischen Lager gelandet?

Es gab einen ganz konkreten Streitpunkt. Ich habe während meiner OB-Kandidatur 2011 ein Bürgerbegehren vorangetrieben. Es ging darum, dass der Hauptbahnhof von der Insel auf das Festland kommen sollte. Dann kam der Druck aus der CSU, ich solle das Begehren aufgeben, sonst könne ich niemals die OB-Wahl gewinnen. Ich bin meinen 2.000 Unterstützern treu geblieben, bin als Kandidat zurückgetreten und habe den Bürgerentscheid gewonnen. Ich bin stolz darauf, dass ich zu meinem Wort gestanden habe. Die große Klappe aufreißen und wenn es hart auf hart kommt, einzuknicken, war schon damals nicht mein Verständnis von Politik gewesen. Deswegen passe ich optimal in die AfD, weil man hier honoriert, wenn man auch zu einer unbeliebten Position steht. Was vor 30 Jahren Koch in der CDU und Strauß in der CSU vertreten haben, würden wir uns heute gar nicht mehr zu sagen trauen. Ich würde behaupten: Ich bin mit Rückgrat im konservativen Lager geblieben.

Herr Rothfuß, danke für das Gespräch.

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