Kampfjets, Raketen, Atomwaffen? Was der Iran Israel jetzt entgegensetzen kann

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Was kann der Iran Israel entgegensetzen? Eine langsam modernisierte Luftwaffe und jede Menge Drohnen oder Raketen. Atomwaffeneinsatz bleibt denkbar.

Jerusalem – „Tatsächlich würde ein Konflikt nicht die Form eines klassischen Krieges annehmen, sondern eher zu einem Schlagabtausch über weite Distanzen führen“, sagt Fabian Hinz. Bereits vor mehr als einem Jahr hat der Analyst des Thinktanks International Institute for Strategic Studies (IISS) die jetzt beginnende Eskalation zwischen Israel und dem Iran eingeordnet. Gegenüber der Deutschen Welle hat Hinz geäußert, dass im Falle eines Konfliktes die Luftfahrt für Israel eine sehr wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle spielen würde. Dem Iran wird aber zugeschrieben, die Herrschaft über den Luftraum erringen zu können – Bestellungen an Wladimir Putin sind zum Teil schon geliefert worden.

Der Iran verfüge über eines der größten Arsenale an ballistischen Raketen und Drohnen im Nahen Osten, äußerte Afshon Ostovar gegenüber der New York Times (NYT). Laut dem Professor für nationale Sicherheitsfragen an der US-amerikanischen Naval Postgraduate School hätten „Irans Gegner, vor allem die USA und Israel, jahrzehntelang direkte Militärschläge gegen den Iran vermieden, da sie sich nicht mit Teherans komplexem Militärapparat anlegen wollten“, wie er der NYT sagte. Demzufolge hätte Israel mit dem Iran einen strukturell anderen Krieg zu führen als bisher gegen die Hamas.

Iranische Shahed-Drohnen auf ihren Abschussfahrzeugen während einer Siegesparade.
Bedrohung Israels: Die iranische Shahed-136 gilt – hier während einer Siegesparade – gilt aufgrund ihrer Reichweite von ungefähr 2.000 Kilometern als eine der größten Gefahren für die israelische Luftabwehr. Im Ukraine-Krieg hat sie ihren militärischen Nutzen deutlich bewiesen. © IMAGO/Sobhan Farajvan

Russland-Iran-Deal: Putin hat die ersten beiden Suchoi Su-35SE-Kampfjets in den Iran geliefert

„Es liegt nicht daran, dass Irans Gegner Angst vor dem Iran hätten. Sie sind sich bewusst, dass jeder Krieg gegen den Iran ein sehr ernstzunehmender Krieg ist.“ Bereits seit einigen Jahren versucht der Iran mithilfe Russlands seine Luftwaffe zu stärken: Im November haben beide Parteien nun Fakten geschaffen, und Russland hat die ersten beiden Suchoi Su-35SE-Kampfjets in den Iran geliefert, wie die Flugrevue im November 2024 berichtete. Denen sollen weitere Kampfjets folgen.

„Analysten gehen davon aus, dass der Iran innerhalb weniger Monate genügend spaltbares Material für eine Atomwaffe produzieren könnte. Andere wiederum meinen, die Produktion könne in nur ein bis zwei Wochen erfolgen. Viele räumen allerdings ein, dass die Herstellung einer Atomwaffe vermutlich länger dauern würde.“

Wie Flugrevue-Autor Babak Taghvaee ausführt, hätten die Luftstreitkräfte der Islamischen Republik Iran (IRIAF) ihre Grumman F-14A Tomcat ausmustern wollen; dann aber die Zahl der ursprünglich bestellten 25 Maschinen verdoppelt, mit dem Ziel auch ihre F-4E Phantom II zu ersetzen. Grundsätzlich waren die Verhandlungen bereits 2007 begonnen worden, doch dann hatte sich durch den Ukraine-Krieg Russland zum Abschluss gezwungen gefühlt: Raketen und Drohnen im Gegenzug für moderne Kampfjets.

Laut dem Magazin sollen die iranischen Luftstreitkräfte zum Ende dieses Jahres die Hälfte ihrer bestellten Su-35SE erhalten haben, inzwischen werden auch die Piloten in Russland auf ihren neuen Maschinen ausgebildet. Mit den neuen Kampfjets würde die iranische Luftwaffe ihre von Reuters Mitte 2024 behauptete Schwäche in Stärke wandeln. Die Nachrichtenagentur wollte die relativ unterentwickelte Kampfkraft festgemacht wissen an knapp zwei Dutzend Überschallbombern Suchoi Su-24, die noch aus den 1969er-Jahren und somit aus der Sowjet-Ära stammen. Letztendlich ist die gesamte iranische Luftwaffe veraltet.

Israels gefährliche Bedrohung: Schwerpunkt der iranischen Kampfkraft liegt in deren Arsenal an Raketen

Die israelische Luftwaffe ist deutlich besser aufgestellt – in Quantität wie Qualität. Laut dem World Directory of Modern Military Aircraft stehen den etwas mehr als 600 Maschinen Israels 400 Maschinen des Iran gegenüber. An reinen Kampfflugzeugen verfügt Israel hauptsächlich über F-16-Maschinen und einigen F-35. Wie Reuters meldete, sollen darüber hinaus von den iranischen Maschinen ohnehin lediglich einige Dutzend voll einsatzfähig sein.

Allerdings liegt der Schwerpunkt der iranischen Kampfkraft vor allem in deren Arsenal an Raketen. „Das Ausmaß der Unterstützung und die Art der Systeme, die der Iran nicht staatlichen Akteuren zur Verfügung gestellt hat, sind in Bezug auf Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper wirklich beispiellos“, hatte Fabian Hinz der New York Times bezüglich der Unterstützung der Terror-Miliz Hisbollah geäußert. Der Iran gilt als ernst zu nehmen aufgrund der von ihm behaupteten Marschflugkörper, Anti-Schiffs- sowie ballistischen Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern – Hinz unterstreicht, dass der Iran damit jedes Ziel im Nahen Osten bedrohen könnte, einschließlich Israel.

Die vermutete Stärke dieser Raketen wird unterstützt durch die teilweise Schwäche des israelischen Iron Domes: Der ist grundsätzlich als Abwehr hauptsächlich von Kurzstrecken-Raketen ausgelegt. Die wahre Gefahr für das System läge eher in präzisionsgelenkter Munition, erläutert John Erath vom Thinktank Center for Arms Control and Non-Proliferation. Eine atomare Waffe – beispielsweise ein von einem Flugzeug gestarteter Marschflugkörper – könnte die Fähigkeiten des Systems also sprengen.

In der Ukraine erprobt: Shahed-Drohne konstruiert, um Ziele im gesamten Nahen Osten präzise anzufliegen

David’s Sling („Davids Schleuder“) sowie Arrow 2 und 3 wären zwei weitere israelische Luftabwehrsysteme, die in der Lage seien, ballistische Mittel- und Langstreckenraketen abzuwehren, berichtet der Sender ABC. David’s Sling sei für Entfernungen bis zu 300 Kilometer gedacht, das Arrow-System für weitere Distanzen. Neben den ballistischen Raketen und Marschflugkörpern wird Israel aber auch durch Drohnen bedroht – die Shahed-Drohne beweist in der Ukraine gerade ihre Wirksamkeit als „Wunderwaffe“ zur Überforderung der gegnerischen Luftabwehr. Wie die New York Times berichtet, habe der Iran in den vergangenen Jahren seinen Bestand an Drohnen mit Reichweite von bis zu beziehungsweise weit über 2.000 Kilometer hinaus vervielfacht.

Laut verschiedenen Medien seien die Speerspitzen der iranischen Drohnenwaffe die Langstreckendrohnen Mohajer-6 und vor allem die Shahed-136; beide sollen Nutzlasten von rund 300 Kilogramm über Entfernungen von rund 2.000 Kilometer transportieren können. Die Shahed-136 sei sogar für ein aktuelles Kriegsszenario konstruiert worden, behauptet das Magazin Global Security Review: „Sollten die Spannungen zwischen den USA und dem Iran eskalieren – insbesondere bei Angriffen der USA auf iranische Atomanlagen – könnte die Shahed-136B zu einem zentralen Bestandteil der iranischen Vergeltungsstrategie werden“, formuliert der in Teheran sitzende unabhängige Autor Mohammad Hassan Sangtarash. Er schreibt der Waffe zu, Ziele für Vergeltungen im gesamten Nahen Osten präzise anzufliegen.

Tatsächlich spekulieren Wissenschaftler, inwieweit der Iran in einem Konflikt, wie dem jetzt entfachten, auf Atomwaffen zurückgreifen könnte. Wie Mariel FerragamoJonathan Masters und Will Merrow sind viele Experten unschlüssig: „Analysten gehen davon aus, dass der Iran innerhalb weniger Monate genügend spaltbares Material für eine Atomwaffe produzieren könnte. Andere wiederum meinen, die Produktion könne in nur ein bis zwei Wochen erfolgen. Viele räumen allerdings ein, dass die Herstellung einer Atomwaffe vermutlich länger dauern würde“, schreiben sie für den Thinktank Council von Foreign Relations.

Simulation von Krieg zwischen Israel und Iran katastrophal: „Es wurde schnell nuklear“

Verantwortlich für die aktuellen Angriffe ist vermutlich, dass dem Iran zwar einsatzfähige Atomwaffen fehlten, dass Teheran aber entgegen seinen internationalen Verpflichtungen geheim an Atomwaffen forsche. Laut dem Wall Street Journal sei der Iran das einzige atomwaffenfreie Land, das zu 60 Prozent angereichertes Uran produziere, und über genügend waffenfähigen Kernbrennstoff für etwa drei Bomben verfüge. Außerdem sollen US-Geheimdienste davon ausgehen, dass das dortige Regime den um die Jahrtausendwende begonnenen Bau einer Atomrakete wieder aufgenommen habe. Israel selbst werden zwischen 90 und 300 atomare Sprengköpfe nachgesagt.

Aber auch das ist reine Spekulation; darüber hinaus fehlen Informationen darüber, wie viel Bereitschaft beide Kriegsgegner für eine atomare Eskalation aufbrächten. Tatsächlich berichtete das Bulletin of the Atomic Scientists im Februar 2024 von simulierten Kriegsspielen zwischen Israel und dem Iran. Demnach hätte das Planspiel zwischen Israel und dem Iran Ende 2023 stattgefunden. Auf Einladung der im U.S.-Bundesstaat Virginia ansässigen Bildungseinrichtung Nonproliferation Policy Education Center sollen zu den 35 Teilnehmern Mitarbeiter des Kongresses von Republikanern und Demokraten gehört haben, Beamte und Analysten der US-Exekutive, führende Wissenschaftler, Experten für nationale Sicherheit und Nahost-Think-Tanks sowie US-Militärpersonal.

Wie das Bulletin of the Atomic Scientists schrieb, mündete die Simulation in das Ergebnis: „Es wurde schnell nuklear.“

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