Anwohner rettet Stadt Dachau in Poller-Streit

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Die Polleranlage am Schlossberg: Untertags sind die Poller im Boden versenkt, versperren nachts aber die Zufahrt zum Schlossplatz. © Norbert Habschied

Im Streit am Münchner Oberlandesgericht um die Poller am Dachauer Schlossberg hat die Aussage eines Anwohners der Stadt wohl Entschädigungszahlungen erspart.

München/Dachau – Vor knapp fünf Jahren waren die beiden Poller an der Zufahrt zum Schlossplatz installiert worden. Ihr Zweck: Die Anwohner der Schlossstraße vor nächtlichem Lärm zu schützen; aus diesem Grund sind die zwei Hindernisse untertags im Boden versenkt, versperren dann aber – in ausgefahrenem Zustand – zwischen 23 Uhr abends und 5 Uhr morgens die Zufahrt hinauf zum Schlossplatz. Runter kommt man dabei immer: Nähert sich ein Fahrzeug von oben, werden die Poller kurzzeitig abgesenkt.

Die Kläger in den beiden Verfahren, über die am Donnerstag am Oberlandesgericht (OLG) München verhandelt wurden, machen Schäden von 11 000 Euro beziehungsweise 4300 Euro an ihren Autos geltend. Die 27 und 53 Jahre alten Münchner trugen vor, bei Bergabfahrten im August beziehungsweise November 2021 sei plötzlich ein Poller hochgefahren. Und zwar so knapp vor dem Auto, dass die Kollision unvermeidbar gewesen sei.

Neue Perspektiven im Pollerstreit: Gericht prüft „enteignungsgleiche Eingriffe“

Erstinstanzlich wurden beide Klagen abgewiesen (wir berichteten). Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne nicht festgestellt werden, begründete das Landgericht seine Entscheidung. Die Stadt habe „die Anlage fachmännisch installiert, regelmäßig kontrolliert und gewartet“. Mehr könne man nicht verlangen.

Der nun für die Berufung zuständige Senat am OLG stellte dieses Ergebnis zwar nicht infrage. Allerdings gab die Vorsitzende Richterin gleich zu Beginn zu bedenken, dass die von den Klägern geschilderten Vorfälle sogenannte enteignungsgleiche Eingriffe darstellen könnten. Dies setze lediglich einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum der Kläger, nicht aber ein Verschulden der Stadt voraus. „Wir sehen eine Haftung“, fasste die Vorsitzende Richterin die Ersteinschätzung des Senats zusammen.

Auf einen Vergleich wollte sich die Anwältin der Stadt dennoch nicht einlassen. Sie regte an, einen als Zeugen geladenen Anwohner zu vernehmen. Und dessen Aussage hatte es in sich!

Anwohner bestätigt Kläger: Poller kollidierte bei roter Ampel mit Auto

Der 39-Jährige gab nämlich an, dass er vor seinem Haus gestanden sei, als einer der beiden Kläger mit dem Poller kollidierte, erinnerte sich Anwohner. Nach einem Knall habe er ein Knarzen gehört, als der Poller am Unterboden des BMW entlang geschrammt sei. Aus seiner Sicht habe es tatsächlich so ausgesehen, „dass der Poller hochgefahren ist“, bestätigte er die Version des Klägers. Schon mehrfach seien Autos beim Überfahren der Poller beschädigt worden. Er selbst könne sich an drei solche Vorfälle in knapp drei Jahren erinnern. In einem Fall sei ein Kleinwagen regelrecht „aufgespießt“ worden, berichtete der 39-Jährige. Allerdings, und das ist der entscheidende Teil der Aussage, sei die Ampel vor den Pollern rot gewesen. Überhaupt, so der Anwohner, habe bei allen Unfällen, die er beobachtet hat, die Ampel rot angezeigt.

Die Insassen in den Fahrzeugen der Kläger waren hingegen „ganz sicher“, dass die Ampel aus war. Die Stadt hatte im Vorfeld stets betont, dass die Ampelanlage, die ja zum Schutz der Poller sowie der Autofahrer installiert worden war, stets gewartet und intakt gewesen sei.

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Das Gericht fand die Aussagen des Anwohners denn auch „glaubhaft und aufschlussreich“. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Insassen der verunfallten Fahrzeuge mehrere unplausible und widersprüchliche Angaben machten. „Was sollen wir jetzt glauben?“, hielt die Richterin einem der Kläger entgegen.

Anwohner bezweifelt Effekt der Poller: Senatsentscheidung am 15. Mai erwartet

Der Anwohner äußerte sich vor Gericht übrigens auch zu der Frage, ob die Poller tatsächlich geeignet seien, den nächtlichen Lärm zu reduzieren und eine Durchfahrt auf den Schlossplatz zu verhindern. Seine Antwort: nein. Nach 23 Uhr würden vorwiegend junge Leute mit lauter Musik unten, vor den ausgefahrenen Hindernissen, auf ein Auto von oben warten, um nach dem Absenken der Poller auf den Schlossplatz fahren zu können.

Der Senat will am 15. Mai sein Urteil in der Sache verkünden.

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