„Keiner macht sich die Hände schmutzig“: Viele Lehrstellen offen – Handwerksbetriebe suchen Azubis

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bad Tölz
  4. Bad Tölz

Kommentare

Die Zahl der Auszubildenden ist in Deutschland seit Jahren rückläufig. © Martin Schutt/dpa

Die Handwerksbetriebe im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen haben auch in diesem Jahr Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Während die Zahl der Studierenden steigt, geht die der Auszubildenden jährlich zurück: Diese Erkenntnis ist ein altbekanntes Thema, das auch zum Start des Ausbildungsjahrs am 1. September wieder heiß diskutiert wird. Vor allem das Handwerk ist betroffen. Den Trend beobachten auch Innungsmeister aus dem Handwerk im Landkreis.

Viele Möglichkeiten und Entwicklungschancen für Auszubildende

In der Erwartungshaltung vieler Eltern sieht Thomas Babl, stellvertretender Obermeister der Bauinnung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen, ein Hauptproblem. Nach seiner Beobachtung wünschen sich heutzutage viele Mütter und Väter, dass ihre Kinder Abitur machen und studieren. Davon versprechen sie sich später höhere Gehälter. „Dabei gibt es so gute Weiterbildungsmöglichkeiten nach der Ausbildung“, sagt Babl. „Da verdient man dann zwar nicht unbedingt mehr, aber kann mindestens genauso gut verdienen wie nach dem Studium“, ist er sich sicher.

Die beruflichen Entwicklungschancen seien groß: Im Anschluss an die Lehre könne man den Meister und sich dann selbstständig machen. Oder man holt schon während der Ausbildung das Abitur nach. Den Auszubildenden stünden alle Möglichkeiten offen, so Babl. Er empfiehlt auch eine Ausbildung vor dem Studium: „Man hat dann einfach den praktischen Hintergrund. Aber es dauert halt auch länger“, sagt er.

Besonders im Beruf des Maurers gibt es Schwierigkeiten: „Wer baut dann die Häuser?“

Besonders in seinem Beruf des Maurers gebe es erhebliche Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. „Wir hatten seit Jahren keinen Lehrling mehr, und der Altersdurchschnitt im Betrieb liegt mittlerweile weit über 40“, stellt er fest. Wenn diese Kollegen dann in den Ruhestand gehen, komme ganz natürlich die Frage auf: „Wer baut dann die Häuser?“

Eine ähnliche Frage stellt sich bei den Bäckern. Auch in Zukunft will jeder am Samstagmorgen Semmeln zum Frühstück – dafür muss aber auch jemand in aller Herrgottsfrühe aufstehen, um sie zu backen. „Ich bin Optimist“, sagt Florian Perkmann, Obermeister der Kreisbäckerinnung, dazu. Er konnte dieses Jahr die Ausbildungsplätze in seiner Bäckerei in Miesbach besetzen, weiß jedoch von Kollegen, die einen größeren Mangel haben. Perkmann sieht die Ursache dafür ebenfalls oft im Elternhaus. Aber auch der Einfluss der Sozialen Medien sei nicht zu unterschätzen. „Die Prioritäten haben sich bei den Jugendlichen durch Social Media verändert“, stellt der Bäcker fest. „Es hat einfach keiner mehr Bock, sich die Hände schmutzig zu machen.“

Ein Problem für viele Jugendliche sind offenbar die Arbeitszeiten. Während die Bäcker mitten in der Nacht aufstehen müssen, stehen die meisten Metzger auch am Samstag im Laden. „Viele wollen nicht mehr samstags arbeiten. Die anderen gehen am Freitagabend feiern und können am Samstag ausschlafen“, beschreibt Kaspar Stielner, Obermeister der Metzgerinnung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen, das Dilemma. Er sieht außerdem eine Schwachstelle bei der aktiven Anwerbung der Azubis. „Wir sind auf vielen Messen, aber da musst du dann auch immer zwei Leute den ganzen Tag abstellen“, sagt Stielner. Bei dem Personalmangel seien dann öfter einfach nicht genug Mitarbeiter da, um den Informationsangeboten gerecht zu werden. Werbung in den Schulen zu betreiben, gestaltet sich laut Stielner auch zunehmend schwieriger: „Wir sind meistens bei den Grund- und Mittelschulen. Die Realschulen sehen uns dann schon nicht gerne und die Gymnasien sowieso nicht.“

Auch in der Gastronomie gibt es viele offene Stellen

Die Hotel- und Gastronomiebranche ist ebenfalls auf vielen Berufs- und Auszubildendenmessen präsent. Trotzdem gibt es auch hier noch viele offene Stellen. „Wir haben generell einen großen Nachwuchsbedarf“, schildert Monika Poschenrieder, Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands. Die Wirtin erklärt sich das vor allem mit Druck aus dem Elternhaus. Von dort heiße es: „Irgendwas musst du jetzt machen.“ So würden viele eine Ausbildung beginnen, ohne zu wissen, was sie wirklich machen wollen. Die Folge sei eine hohe Abbrecherquote. In die Gastronomie komme auch viel Personal aus dem Ausland. Diese Mitarbeiter seien zwar eine große Stütze, jedoch sieht Poschenrieder große Probleme mit der Sprache.

In der Schreinerausbildung sind laut Josef Oswald, Obermeister der Kreisschreinerinnung, gute Deutsch-Kenntnisse in Wort und Schrift ebenfalls unerlässlich, da das erste Jahr rein schulisch ist. „Wenn ich die Sprache nicht kann, kann ich auch den Beruf nicht lernen. Die sind meistens im ersten Jahr total frustriert und hören wieder auf“, bedauert Oswald die ausländischen Azubis, die er gerne in seinem Betrieb gehabt hätte. Er konnte dieses Jahr keinen Lehrling finden und sucht erst nächstes Jahr wieder. „Wir könnten eigentlich viel mehr ausbilden“, sagt er.

Das Gesamtpaket muss stimmen

Lösungsvorschläge gibt es viele. So rät Josef Oswald den jungen Menschen, sich schon früh Gedanken über ihren Werdegang zu machen. Ihm zufolge solle man „nicht grundsätzlich das Abitur machen und studieren, sondern erst überlegen, wo wirklich die Interessen liegen“, und folglich auch eine Ausbildung in Betracht ziehen. Florian Perkmann sieht mehr Ausbaupotenzial bei den Betrieben. „Sie müssen was bieten können.“ Früher habe jeder eine Lehre gemacht, wodurch die Betriebe immer genug Bewerber hatten. Heute müsse nach Perkmann das Gesamtpaket stimmen, sodass die Auszubildenden auch nach der Lehre weiter im Betrieb arbeiten wollen. Generell sagt er jedoch, dass „die Gesellschaft sich einfach wandelt“. Veränderungen begegne er positiv. (Verena Schwald)

Auch interessant

Kommentare