„Grünes Wunschdenken“ oder „motivierendes Thema“: Unternehmen im Oberland im Umbau
Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und der Klimaschutz stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Drei Unternehmen aus dem Tölzer Land berichten, wie sie den Umbau im Angriff nehmen.
Die Wirtschaft steht vor einem grundlegenden Wandel – das gilt ganz besonders in Bezug auf die Bereiche Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Diese Transformation beschäftigt längst auch die größeren Unternehmen im Landkreis – wenn auch, je nach Branche, in unterschiedlichem Ausmaß.
Geretsried: Tyczka richtet sich neu aus
Von einem „gewaltigen Umbau“ spricht Ulrich Hanke, Sprecher der Firma Tyczka in Geretsried. Für Tyczka gehe der ökologische Umbau der Wirtschaft mit „großen Investitionen“ einher, sagt Hanke. Das Familienunternehmen, das soeben sein 100-jähriges Bestehen feierte, ist im Bereich Flüssig- und Industriegase sowie Wasserstoff tätig. „Im 98. Jahr seiner Unternehmensgeschichte vollzog die Tyczka-Unternehmensgruppe eine bedeutende strategische Neuausrichtung mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit“, heißt es im online einsehbaren „Nachhaltigkeitsbericht“.
Tyczka sieht sich dabei nach Hankes Worten als „eines der Unternehmen, die die ökologische Transformation vorantreiben“. Da sei zum einen das „große Thema grüner Wasserstoff“. „Anfang Juni eröffnen wir dazu unsere erste eigene Tankstelle“, kündigt Hanke an. Diese werde sich im Güterverkehrszentrum Augsburg befinden und hier einen Beitrag leisten, um „den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren“.
Das ist für die ganze Belegschaft ein sehr motivierendes Thema, denn wir wollen, dass unsere Kinder in einer lebenswerten Welt leben.
Als weiteres wichtiges Produkt nennt Hanke das „biogene Flüssiggas“. Klassischerweise ist Flüssiggas ein Begleitgas bei der Erdöl- und Erdgasförderung oder Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Rohöl in den Raffinerien. Im Gegensatz dazu werde das „biogene Flüssiggas“ auf der Basis biologischer Reststoffe gewonnen. Es sei „komplett konform mit Habecks Heizungsgesetz“, sagt Hanke. Das biogene Flüssiggas stehe damit ebenso für die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern.
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Das dritte Feld seien die Industriegase. Für deren Herstellung durch die Zerlegung der Luft „braucht man sehr viel Energie“, erklärt der Tyczka-Sprecher. Tyczka aber biete seit zwei Jahren „grünes Industriegas“ an. Das bedeutet, dass der Strom zur Herstellung aus Erneuerbaren Energien kommt. In Braunau an der deutsch-österreichischen Grenze betreibe das Geretsrieder Unternehmen eine Luftzerlegeranlage, die allein zur Hälfte mit regionaler Wasserkraft betrieben werde.
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Hanke sieht in der Transformation vor allem Chancen. „Das ist für die ganze Belegschaft ein sehr motivierendes Thema, denn wir wollen, dass unsere Kinder in einer lebenswerten Welt leben.“
Dorst in Kochel am See: „Wir tun unser Möglichstes“
Auch die Firma Dorst Technologies befindet sich inmitten eines „tiefgreifenden Umbaus“, erklärt Hubert Löcherer, Vorstandsvorsitzender der Dorst-Löcherer-Stiftung. Ein wichtiger Faktor für die Kochler Firma seien „die gravierenden Veränderungen in der Automobilindustrie weltweit“, so Löcherer – sprich: der Umstieg von der Verbrennertechnik auf E-Mobilität. „Auf diesen Umbau konzentrieren sich unsere Kräfte“, so der Vorstandsvorsitzende. Nötig sei „eine Unternehmenstransformation, die sich einige Jahre hinzieht“.

Diese enorme Aufgabe komme allerdings zu einem Zeitpunkt, „der ungünstiger nicht sein könnte“, so Löcherer. Denn gleichzeitig gebe es auch noch andere Baustellen: „weltwirtschaftliche Probleme, Wegfall von Märkten wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, enormer Digitalisierungsdruck, Fachkräftemangel“, zählt Löcherer auf. „Und exakt in dieser Situation sollen nun auch noch Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen nicht zu kurz kommen.“
Dorst tue trotzdem „eine ganze Menge, um grüne Technologie und ein nachhaltiges Unternehmen voranzubringen“. So gebe es „klare Vorgaben an unsere Produktentwicklung“, aber auch „beachtliche Investitionen in PV-Anlagen, optimierte Heiz- und Kühlsysteme, Verbrauchsminimierung bei elektrischer Energie, Brennstoffen, Hydraulikölen, bei Wasser- und Abwasser und einigem mehr“.
Vor uns liegt ein langer Weg, auf dem erst mal das Geld verdient sein will, das primär Unternehmenserhalt und Arbeitsplätze sichert.
Löcherer schränkt dabei ein: „Für Paukenschläge mit zweistelligen Millionenbeträgen fehlen zurzeit schlichtweg die Voraussetzungen.“ Aktuell nicht umsetzbar sei zum Beispiel ein klimaoptimiertes neues Bürohaus – was laut Löcherer 10 Millionen Euro kosten würde.
Für so etwas bräuchte es nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden „ein völlig anderes wirtschaftspolitisches Umfeld“. Löcherer kritisiert „grünes Wunschdenken und realitätsfremde Zielvorgaben“ sowie „eine quälende Bürokratie“ und eine „fehlende konzertierte, starke europäische Wirtschafts- und Außenpolitik, speziell gegenüber China – ein Weltmarkt, den wir nicht einfach ignorieren können“.
Zusammengefasst: „Wir arbeiten am klimafreundlichen Umbau unseres mittelständischen Unternehmens, wir tun unser Möglichstes, aber offen gestanden, vor uns liegt ein langer Weg, auf dem erst mal das Geld verdient sein will, das primär Unternehmenserhalt und Arbeitsplätze sichert.“
SAM in Bad Tölz: Maßnahmen, die sich läppern
Wie in der Autoindustrie dürfte auch in der Luftfahrtbranche eine Revolution bei der Antriebsart bevorstehen. „Wasserstoff und E-Fuels sind im Gespräch, das wird irgendwann kommen“, bestätigt Bernhard Pfreundner, kaufmännischer Leiter des Luftfahrt-Zulieferers SAM. Für das Tölzer Unternehmen bedeute dies aber „nicht den großen Einschnitt“, sondern mache einfach eine „Weiterentwicklung unserer Produkte“ nötig.

Auch bei SAM spiele Klimafreundlichkeit eine große Rolle – wenn auch eher in Form von „einzelnen Maßnahmen, die aber in Summe einen Haufen Geld kosten“, so Pfreundner.
Wir werden das Dach bis zum letzten Zentimeter für Photovoltaik nutzen.
Der kaufmännische Leiter nennt als Beispiel den Ausbau der Photovoltaik auf dem Unternehmensgebäude. „Wir werden das Dach bis zum letzten Zentimeter nutzen.“ Dank Anschluss ans Nahwärmenetz der Tölzer Stadtwerke – das Hackschnitzelkraftwerk befindet sich praktischerweise direkt auf der anderen Seite der B 13 – verwende man schon lange zu 100 Prozent Ökostrom.
Bei Neuinvestitionen in Maschinen achte SAM selbstverständlich auf Energieeffizienz und CO2-Einsparung. Ein weiteres Vorhaben sei, den Mitarbeitern auf dem Firmengelände Elektrotankstellen zur Verfügung zu stellen. Als Kehrseite nennt Pfreundner die umfangreiche Berichts- und Dokumentationspflicht. „Das macht den Arbeitsalltag nicht gerade effizienter.“