„Ich bin nicht allein: Ein Hochgefühl“ – Neue Selbsthilfegruppe für ME/CFS, Post Covid und Post Vac
Menschen, die unter ME/CFS, Post Covid und Post Vac leiden, fühlt sich oft alleingelassen und unverstanden. Mandy Schuldt aus Lenggries hat nun eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen.
Lenggries - Die Krankheit ME/CFS ist in Deutschland weit verbreitet – und doch fühlen sich die Betroffenen häufig mit ihren Problemen allein gelassen und nicht richtig verstanden. Umso wichtiger ist für Erkrankte die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Zu diesem Zweck hat die Lenggrieserin Mandy Schuldt nun eine Selbsthilfegruppe gegründet. Das erste Treffen sei für sie ein echtes „Hochgefühl“ gewesen, schildert die 45-Jährige.
„Die Myalgische Enzephalomyelitis /das Chronische Fatigue-Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS auf ihrer Internetseite. Was das in der Praxis bedeutet, erlebt Mandy Schuldt in ihrem Alltag seit vielen Jahren. Auslöser war bei ihr mutmaßlich eine Infektion mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber im Jahr 2001. „Danach habe ich gemerkt, dass ich in allen Lebensbereichen nicht mehr so funktioniere wie davor“, sagt sie.
Für ME/CFS-Patientin ist an normalen Alltag nicht zu denken
Im Volksmund ist oft vom Fatigue-Syndrom die Rede, doch Fatigue, also eine krankhafte Erschöpfung, ist nur ein Symptom von vielen. Vor allem leide sie unter einer „Belastungsintoleranz“, sagt die Lenggrieserin. Nur ein wenig Anstrengung reicht, und ihr Zustand verschlechtert sich rapide – bis hin zum kompletten Zusammenbruch. An einen normalen Alltag ist für die gelernte Bürokauffrau nicht mehr zu denken. Mittlerweile kann sie sich kaum noch von der Couch erheben. Nierenschmerzen, Kopfschmerzen, Atemnot, Herzrasen, Lebensmittelunverträglichkeiten – all das prägt Mandy Schuldts Alltag.
Ich bin nicht allein, wir ticken alle gleich, wir fühlen alle gleich.
Der Weg zu einer Diagnose war sehr weit. Erst nach 19 Jahren, nach ihrem Umzug nach Lenggries, sei eine Hausärztin auf die richtige Spur gekommen. Doch weiterhin war und ist Mandy Schuldt damit konfrontiert, dass viele Ärzte ihre Krankheit nicht richtig einordnen können, sie teils nicht ernst nehmen.
Deutlich bekannter wurde ME/CFS im Zusammenhang mit den Spätfolgen von Corona-Infektionen, aber auch möglichen Nebenwirkungen der Corona-Schutzimpfung. Laut der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS wurden die Betroffenen vor Corona in Deutschland auf etwa 250.000 geschätzt. Demzufolge gehen Experten davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid 19 verdoppelt hat.
Man steht mit dieser Krankheit ziemlich alleine da, und es ist nicht einfach, alleine klarzukommen, das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Insofern war schon rein statistisch davon auszugehen, dass es auch im Landkreis etliche Betroffene geben müsste, sagt Mandy Schuldt. Kontakt zu Leidensgenossen hatte sie schon lange gesucht und sich in deutschland- beziehungsweise bayernweiten Netzwerken wie „Nicht genesen“ oder „Liegenddemo“ eingebracht. Hier stieß sie online auf andere Betroffene aus der Region und beschloss, diese vor Ort zusammenzubringen.
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Neun Betroffene von ME/CFS, Post-Covid und Post-Vac bilden bislang die neue Selbsthilfegruppe. „Es sind zwei Personen aus Penzberg dabei, zwei aus Holzkirchen, je eine aus Waakirchen und Reichersbeuern, und aus Lenggries sind wir zu dritt“, sagt Mandy Schuldt.
Erstes Treffen mit anderen Betroffenen war große Erleichterung
Der Austausch sei enorm wichtig. „Man steht mit dieser Krankheit ziemlich alleine da, und es ist nicht einfach, alleine klarzukommen, das weiß ich aus eigener Erfahrung.“ Letztlich seien es die gleichen Probleme, die den Betroffenen zu schaffen machen. An oberster Stelle stünden dabei die Einsamkeit und „die Angst, in diesem Leben gefangen zu sein“, sagt die Lenggrieserin. Dazu komme die Erfahrung, von Ärzten nicht ernst genommen zu werden – und wenn, dann wüssten viele Mediziner weiterhin nicht genug über die Krankheit, um helfen zu können.
Auch wenn bei einem ersten Treffen lediglich drei Teilnehmer zusammengekommen seien, verspürte Mandy Schuldt gleich eine große Erleichterung: „Ich bin nicht allein, wir ticken alle gleich, wir fühlen alle gleich.“ Dies sei auch für die Angehörigen, denen die Gruppe ebenfalls offen stehe, sehr bedeutsam.
Austausch über wissenschaftliche Entwicklungen
Als Ziele der Selbsthilfegruppe nennt die Lenggrieserin den Austausch über die Organisation des Alltags, aber genauso über aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen. „Wir werden auch Referenten einladen.“ Es solle zudem um rechtliche Themen gehen, mit denen ME/CFS-Patienten zu kämpfen haben, etwa, wie sie einen angemessenen Pflegegrad oder Grad der Behinderung zugesprochen bekommen. In dieser Sache ficht auch Mandy Schuldt gerade noch juristische Kämpfe aus.
Zudem hat sich Schuldt Aufklärungsarbeit auf die Fahnen geschrieben. Einen Flyer der Selbsthilfegruppe möchte sie in Hausarztpraxen auslegen – zum einen, um die Erkrankung selbst bekannter zu machen, zum anderen, damit Betroffene wissen, dass sie nicht allein sind.