Astronom erklärt: Weiße Nächte über Deutschland – wo der Himmel jetzt selbst um Mitternacht leucht

Je nach dem, wo Sie sich in Deutschland aufhalten, erleben Sie in diesen Tagen, dass es nachts nicht mehr richtig dunkel wird. Die Sonne taucht in den Wochen um den Sommeranfang nicht mehr tief genug unter den Horizont. In Norddeutschland haben die sogenannten weißen Nächte schon begonnen, die Zone der erhellten Nacht wandert noch bis zum 21. Juni nach Süden.

Über Paul Hombach

Paul Hombach ist begeisterter und begeisternder Botschafter in Sachen Astronomie. Der international tätige Astronomieexperte und Keynote-Speaker zu faszinierenden Themen der Weltraumforschung ist Autor zahlreicher Publikationen rund um das Thema Universum. Er ist Podcaster für das Planetarium Bochum und hat als selbst aktiver Himmelsbeobachter immer das aktuelle Geschehen im Blick. In seinen Multi-Media-Shows verbindet er als Musiker Wissenschaft und Kunst.

Sonnenlicht trifft Atmosphäre

Dämmerung entsteht durch gestreutes Sonnenlicht in der Erdatmosphäre. Dieses Streulicht hellt den Himmel noch auf, nachdem die Sonne bereits untergegangen ist. Je tiefer die Sonne unter den Horizont sinkt, desto dunkler wird die Dämmerung.

Auch wenn sich dieses Dunklerwerden kontinuierlich vollzieht, wird die Dämmerung in drei Phasen eingeteilt: Die erste beginnt gleich mit dem Sonnenuntergang und wird bürgerliche Dämmerung genannt. Es ist noch hell genug, dass Sie im Freien Zeitung lesen können. Sobald die Sonne sechs Winkelgrad unter dem Horizont steht beginnt die nächste Etappe: die nautische Dämmerung. Wie der Name vermuten lässt, werden dann die hellsten Sterne am Himmel sichtbar, die Seefahrern früherer Zeiten als Navigationshilfe dienen konnten. 

Wenn die Sonne zwölf Grad unter den Horizont getaucht ist, geht die nautische in die astronomische Dämmerung über. Immer mehr Sterne werden sichtbar, doch es ist noch nicht vollständig dunkel, Sie können am Horizont noch eindeutig Dämmerlicht wahrnehmen. 

Erst wenn die Sonne 18 Grad unter dem Horizont ihres Standortes steht, ist es vollständig dunkel. Vor Sonnenaufgang vollziehen sich die drei Dämmerungsphasen entsprechend in umgekehrter Reihenfolge.

Warum es nicht mehr dunkel wird

Im Frühling werden die Tage länger und die Nächte kürzer, die Sonne zieht einen immer größeren Bogen oberhalb des Horizontes und einen immer kleineren darunter. Dabei erreicht sie je nach Standort nicht mehr die Mindesttiefe von 18 Grad, bei der es wirklich dunkle Nacht wird. Dann gehen Abend- und Morgendämmerung nahtlos in einander über. Für die geografische Breite Hamburgs ist dies seit der Nacht vom 13. auf den 14. Mai der Fall. 

Auf dem 52. Breitengrad (zum Beispiel in Bielefeld) ist es am 20. Mai soweit, Städte wie Köln oder Erfurt folgen in der Nacht zum 26. Mai. Ende Mai erreicht die Zone der nächtlichen Dämmerung Frankfurt am Main. Sehr viel weiter kommt die nächtliche Dämmerung nicht mehr nach Süden voran, etwa auf einer Linie Offenburg – Passau wird es selbst in der Nacht auf den 21. Juni, dem Tag der Sommersonnenwende, noch kurz »astronomisch« dunkel. 

Im hohen Norden Deutschlands hingegen, etwa nahe der deutsch-dänischen Grenze, wird zur Sommersonnenwende sogar das Ende der nautischen Dämmerung nicht erreicht. 

Wer dann weit genug nach Norden reist, erlebt wirklich weiße Nächte: in Oslo und Helsinki wird kaum das Ende der bürgerlichen Dämmerung unterschritten, nördlich des Polarkreises schließlich geht die Sonne selbst gar nicht mehr unter.

Genießen sie die weißen Nächte

Was für den polarnahen Norden rund um den Sommeranfang die Mitternachtssonne ist, ist für große Teile Deutschlands die Mitternachtsdämmerung (wobei »Mitternacht« in Sommerzeit angegeben erst um 1 Uhr nachts ist). 

Nach dem Sommeranfang zieht sich der Bereich der aufgehellten Nächte langsam aber sicher wieder nach Norden zurück. Erfreuen Sie sich also in diesen Wochen am besonderen Zauber der nächtlichen Dämmerung!

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.