Frankreich steht mitten in einer Regierungskrise vor einer Entscheidung. An diesem Mittwochabend endet eine Frist, die Präsident Emmanuel Macron dem zurückgetretenen Premier Sébastien Lecornu zur Suche nach einem Ausweg aus der Krise gesetzt hat. Nach nur vier Wochen im Amt war Lecornu am Montag zurückgetreten - noch bevor seine frisch gebildete Regierung ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Sollte dem Premier bei seinen schwierigen Gesprächen mit den Parteien ein Kompromiss gelingen, könnte ihn Macron mit einer neuen Regierungsbildung beauftragen. Alternativ könnte er auch einen anderen Premier ernennen. Gelingt kein Durchbruch, spricht vieles dafür, dass Macron die Nationalversammlung auflöst und Neuwahlen ausruft. Ob der Staatschef noch am Abend oder erst am Donnerstag sagt, wie es weitergeht, wird sich zeigen.
Die seit mehr als einem Jahr andauernde politische Krise in Frankreich belastet den auch französischen Staatshaushalt. Seit der Auflösung der Nationalversammlung durch Macron im Juni vergangenen Jahres bekommt die französische Wirtschaft die Konsequenzen zu spüren. Durch den überraschenden Rücktritt von Lecornu verschärft sich die Lage weiter.
Geringeres Wachstum
Das nationale Statistikinstitut Insee schätzt das französische Wirtschaftswachstum für dieses Jahr auf 0,8 Prozent. Unter anderem die Zurückhaltung von Unternehmen und privaten Haushalten bei Investitionen beeinträchtigt das Wirtschaftswachstum.
Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts OFCE könnten sich die Kosten der politischen Krise seit ihrem Beginn im Juni 2024 bis Ende 2025 auf 15 Milliarden Euro belaufen. Unternehmen kürzten in Zeiten der Unsicherheit in allen Bereichen, sowohl bei Investitionen als auch bei Einstellungen, sagte der Ökonom Eric Heyer vom OFCE. Auch private Haushalte würden mehr sparen - was dem Wachstum schade.
Das Wirtschaftsministerium hatte die Kosten durch den Sturz der Regierung von Premierminister Michel Barnier im Dezember und die "dadurch verursachte Instabilität" Ende Januar auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Die Zahl wurde damals von der Opposition angezweifelt. Analysten des Kreditversicherers Allianz Trade schätzen, dass allein die Auflösung der Nationalversammlung Kosten in Höhe von vier Milliarden Euro verursachte.
Unsicherheit an den Finanzmärkten
Die Finanzmärkte wurden von der politischen Krise hart getroffen, sowohl was die Aktienkurse als auch die Zinssätze angeht. Der Anstieg der französischen Zinsen ist keine gute Nachricht für die öffentlichen Finanzen, wird jedoch dadurch abgefedert, dass das Land in den vergangenen Jahren Kredite zu historisch niedrigen Zinsen aufgenommen hatte.
Was in Frankreich große Sorgen verursacht, ist die Rekordverschuldung in Höhe von mehr als 3400 Milliarden Euro und das Risiko einer Herabstufung durch Ratingagenturen. Die Ratingagentur Fitch hatte bereits im vergangenen Monat die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der bestehenden politischen Instabilität herabgestuft.
Die politische Krise macht sich auch an der Börse bemerkbar. Der Leitindex CAC 40, der die 40 größten Unternehmen des Landes umfasst, ist seit Jahresbeginn um etwa acht Prozent gestiegen. An anderen wichtigen europäischen Finanzplätzen stieg der Leitindex hingegen um 15 bis 25 Prozent. Für französische Unternehmen bedeutet das laut dem Ökonom Heyer geringere Investitionskapazitäten. Im internationalen Wettbewerb würden französische Unternehmen geschwächt.
Weitere Kosten
Jede Demokratie verursacht Kosten - diese steigen, wenn beispielsweise Wahlen häufiger stattfinden als üblich. Die Organisation der Parlamentswahl nach der Auflösung der französischen Nationalversammlung kostete Schätzungen zufolge etwa 200 Millionen Euro.
Nach dem Sturz der Regierung von Premierminister Lecornu gab es in Onlinenetzwerken zahlreiche kritische Kommentare zu Bezügen für Regierungsmitglieder, die teilweise nur wenige Stunden im Amt waren. Ein Artikel im Wahlrecht schließt diese Möglichkeit jedoch aus.