Vor einiger Zeit traf ich den Geschäftsführer eines Mittelständlers. Seit vielen Jahren begleite ich ihn. Er ist ein Paradebeispiel für gelungene Integration: Vor vielen Jahren nach Deutschland eingewandert, hat er sein Unternehmen zu einem florierenden Geschäft ausgebaut.
Nach einem kurzen Smalltalk kam er schnell zum Punkt: „Dieses Land ist nicht mehr mein Land, ich fühle mich unwohl. Die Geschäfte hier im Zentrum sind fast alle verschwunden. Gegenüber wohnen Kurden oder was weiß ich was. Sonntag morgens zertrümmern sie mit Wodka in der Hand irgendwelche Möbel und machen auf dem Gehweg ein Feuer, um zu grillen. Und wenn ich das in der Öffentlichkeit sage, werde ich, obwohl ich selbst Einwanderer bin, noch als Nazi beschimpft.“
Die Zukunft Deutschlands sehen viele Leistungsträger negativ
So wie mit diesem Unternehmer bin ich ständig mit Unternehmern, Führungskräften und engagierten Mitarbeitern im Gespräch. Meine Eindrücke davon sind nicht repräsentativ. Doch sie bringen mich zum Nachdenken.
In allen Gesprächen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Die Zukunft Deutschlands sehen die von mir befragten Leistungsträger negativ, das Thema Migration spielt dabei eine wichtige Rolle.
Warum eigentlich? Müssten nicht alle Unternehmer dankbar sein für die Migration? Können wir nicht durch die Aufnahme von Flüchtlingen dem Arbeitsmarkt dringend benötigte neue Fachkräfte zuführen?
Über Peter Holzer
Peter Holzer begleitet seit 2009 Unternehmer und ihre Führungsteams. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die Themen Führung, Generationswechsel und schwierige Veränderungsvorhaben. Dabei geht es vor allem um den Mut zur Haltung: hart in der Sache, fair zum Menschen. Zuvor baute er als Vertriebsverantwortlicher einen Mittelstandsfonds auf. Er ist Autor von vier Sachbüchern; 2025 erscheint „Aufstand der Leistungsträger“, in dem er über die Bedeutung von Wohlstand und Freiheit schreibt.
Die Praxis zeigt, dass das leider nicht ohne Weiteres gelingt. Die Bundeszentrale für politische Bildung fasst die Statistik unter dem Titel „Erwerbstätigkeit der Geflüchteten nach Geschlecht und Aufenthaltsdauer“ zusammen.
59 Prozent der erwachsenen Geflüchteten nach vier Jahren ohne Job
Vier Jahre nach dem Zuzug waren 41 Prozent der erwachsenen Geflüchteten erwerbstätig; 59 Prozent waren immer noch ohne Job. Als erwerbstätig gilt in dieser Statistik auch jemand, der nur als Praktikant oder geringfügig Beschäftigter arbeitet. Doch mit solchen Jobs kann niemand würdevoll seinen Lebensunterhalt in Deutschland finanzieren.
Die Zahlen überraschen nicht, denn ein Großteil der Einwanderung erfolgt irregulär, ist also keine kontrollierte Anwerbung von ausländischen Fachkräften. Viele Flüchtlinge besitzen keinen Schulabschluss, manche sind Analphabeten. Damit lässt sich der Fachkräftemangel in unserem Land nicht kurzfristig beheben. Und lukrative Jobs können diese Menschen ebenso wenig erwarten.
Um ihnen langfristig eine Perspektive zu bieten, müssen wir als Gesellschaft aufhören, uns die Dinge schönzureden, und klarmachen: Wenn wir den Fachkräftemangel decken wollen, gelingt das nur durch die gezielte Anwerbung von qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern. Wir bräuchten also eine systematische Einwanderungspolitik, ähnlich wie beispielsweise in den USA oder Kanada.
Sind wir in der Lage, hohen Kosten für Integration zu bezahlen?
Anders formuliert: Durch die aktuelle Art und Weise unserer Migrationspolitik helfen wir ausschließlich aus humanitären Gründen. Das finde ich gut und moralisch richtig, und auch die Mehrzahl der Unternehmer, mit denen ich spreche, sieht das so.
Doch wir fragen uns auch: Sind wir bereit und in der Lage, die hohen Kosten für die Integration und Ausbildung zu bezahlen?
Dafür müssten wir bestehende Regeln hinterfragen und es den Menschen, die zu uns kommen, leichter machen, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Denn Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgestattung dürfen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland nicht arbeiten.
Das Raunen in der Bevölkerung über die Folgen der Migration wird lauter
Danach haben sie einen abgestuften Zugang zum Arbeitsmarkt und dürfen nur bestimmten Beschäftigungen nachgehen. Erst nach vier Jahren Aufenthalt können sie jede Beschäftigung aufnehmen.
Mit solchen Regeln lösen wir unseren Fachkräftemangel nicht. Und fördern außerdem ein schlechtes Gefühl bei denjenigen, die wir zwar ins Land lassen, aber von der Arbeit fernhalten.
Das Raunen in der Bevölkerung über die Folgen dieser Form der Migration wird lauter. Doch niemand traut sich, die heiklen Fragen öffentlich und offiziell zu stellen.
Fragen wie: Wie viele Migranten aus fremden Kulturen wird Deutschland noch aufnehmen? Wie steht es um die Integration in die Gesellschaft und die Teilnahme am Arbeitsmarkt der rund 1,7 Millionen Menschen, die seit 2014 einen Asylantrag gestellt haben? Wie teuer ist die Willkommenskultur, und wer bezahlt das eigentlich?
Wenn ich meine Gesprächspartner in den Unternehmen darauf anspreche, ob sie ihre Haltung dazu öffentlich äußern, kommt unisono die gleiche Antwort: auf gar keinen Fall. Dabei stehen die Einzelpersonen mit ihrer Haltung alles andere als allein da.
Denn immerhin 68 Prozent der Bundesbürger sind der Meinung, Deutschland sollte weniger Flüchtlinge aufnehmen als bisher (ARD-Deutschland-Trend). Und dafür, Menschen ohne gültige Einreisepapiere an den Grenzen grundsätzlich zurückzuweisen - auch wenn sie in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen - sprechen sich 57 Prozent aus.
Warum dominieren die Gegner dieser Positionen dennoch derart die Diskussion? Warum überlässt die Mehrheit einer kleinen, aber dafür umso lauteren Minderheit die öffentliche Bühne?
In meiner Arbeit als Berater dreht sich viel um die zwischenmenschliche Interaktion. Dabei ist eine spannende Frage: Wer wird sich wohl im Diskurs durchsetzen? Die Antwort ist immer die gleiche: Der Dominantere setzt sich durch. Es ist das Gesetz der Straße, das auch in den Konferenzräumen und erst recht in unserer Gesellschaft gilt.
Eine Demokratie braucht den Diskurs genauso wie die Wissenschaft
Wenn also die Anhänger einer Minderheitsmeinung nicht nur laut, sondern auch dominant-aggressiv auftreten, können sie die öffentliche Meinung prägen. Denn die Folge dieser aggressiven Lautstärke ist: Je mehr Ihre persönliche Meinung von dieser vermeintlich öffentlichen Meinung abweicht, desto größer ist wahrscheinlich Ihre Hemmung, diese auch zu äußern.
Ich halte diese Tendenz für gefährlich, denn sie rüttelt am Fundament unserer Gesellschaft: der freien Meinungsäußerung. Eine Demokratie braucht den Diskurs genauso wie die Wissenschaft.
Als Berater arbeite ich mit meinen Kunden daran, die intelligente Kooperation untereinander zu fördern. Dazu gehört auch eine respektvolle Streitkultur, in der niemand schweigt aus Sorge vor Repressalien. Das zu lernen, ist für alle Beteiligten anstrengend.
Aber es funktioniert, da Unternehmen begrenzte soziale Strukturen sind; Zweckgemeinschaften, die ihre eigenen Spielregeln festlegen, denen sich Menschen freiwillig anschließen können. Wer keine Lust hat auf die Art hat, wie ein Laden tickt, kann sich einfach dort einen Job suchen, wo er sich besser aufgehoben fühlt.
Demokratie lebt von Meinungsvielfalt
In unserer Gesellschaft ist intelligente Kooperation sicherlich auch ein erstrebenswerter Zustand. Ich halte ihn jedoch für etwas illusorisch. Eine Utopie, von der wir sicherlich träumen können und nach ihr streben. Doch damit aus diesem Traum auch nur ansatzweise eine gelebte Realität werden kann, müssen wir erstmal dem Mindestanspruch unseres Zusammenlebens gerecht werden.
Und das ist für mich: friedliche Koexistenz. Leben und leben lassen. Wie das gelingen kann? Bestimmt nicht dadurch, dass Menschen ihre Meinungen zurückhalten – aus Sorge davor, an den Pranger gestellt zu werden.
Wir müssen wieder lernen uns gegenseitig zuzuhören
Egal, ob sie mit Ihrer Meinung allein dastehen, einer Minderheit oder der Mehrheit angehören, oder sich im Taumel einer Schweigespirale allein fühlen, es jedoch gar nicht sind. Demokratie lebt von Meinsungsvielfalt.
Es ist ein Wettbewerb der Ideen und Argumente. Dazu gehört auch, unterschiedliche Sichtweisen zuzulassen, auszuhalten und trotzdem friedlich miteinander umzugehen.
Wir brauchen ein zwischenmenschliches Fundament, auf dem unsere Gesellschaft auch in Zukunft bestehen, auf dem Ordnung entstehen kann. Dazu gehört, dass wir wieder lernen, zuzuhören.
Verstehen zu wollen, ohne die Pflicht, immer einverstanden zu sein. Die Alternative wäre Chaos und Anarchie. Auf dem Humus einer kollabierten Gesellschaft wächst zwar auch etwas Neues. Aber der Weg dorthin ist sicherlich schmerzhafter als eine freiwillige Lernkurve zur respektvollen Streitkultur.