In der Radikalisierung der Linken steckt eine Sprache, die nach Endkampf klingt

Wenn sich eine Partei neu ausrichtet, dann zuerst in ihrer Sprache. Auf dem jüngsten Parteitag der Linken in Chemnitz war genau das zu beobachten: ein rhetorischer Kurswechsel, der tiefer reicht als viele es wahrhaben wollen – und der brandgefährlich für die demokratische Debatte in Deutschland werden kann.

Die Linke hat sich rhetorisch radikalisiert. Und das nicht irgendwie – sondern mit einer Emotionalität, einer Zuspitzung und einem ideologischen Furor, der dem, was wir von der AfD kennen, auf fatale Weise ähnelt. Nur eben von der anderen Seite derselben extremistischen Medaille.

Radikale Linke: Neue Sprache klingt nach Endzeitkampf

Die Parolen, die in Chemnitz durch die Halle hallten, klangen weniger nach pluralistischer Demokratie als nach agitatorischem Endzeitkampf.

Über Michael Ehlers​

Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.

Da war die Rede von einem „Westen, der die Welt beherrscht“, von Israel als „Verursacher humanitärer Katastrophen“ und von einem „System“, das „brechen“ müsse. Diese Sprache ist nicht mehr kritisch – sie ist zerstörerisch. Sie ist nicht mehr konstruktiv – sondern spaltend.

Und sie folgt einem bekannten Muster: Polarisieren, moralisieren, Schuldige benennen – und Komplexität verweigern. Eine Rhetorik, die nicht auf Verständigung abzielt, sondern auf Eskalation.

Was mich als Rhetorik-Analyst dabei besonders alarmiert: Ich habe den Eindruck, dass die neue Linke – unter ihrem TikTok-Star und medial auffällig positionierten Sprachrohr Heidi Reichinnek – eiskalt die „erfolgreichen“ Methoden der AfD kopiert.

  • Empörung als Strategie.
  • Verkürzung als Prinzip.
  • Emotion über Inhalt.
  • Polarisierung statt Perspektive.

Das Kalkül dahinter: Wenn Radikalität auf der einen Seite funktioniert, dann doch vielleicht auch auf der anderen. Doch dieser Schuss wird nach hinten losgehen. Denn wer die Sprache der Extreme übernimmt, verliert am Ende mehr als nur Maß – er verliert Vertrauen. Vertrauen der Wähler. Vertrauen in demokratische Prozesse. Und am Ende vielleicht sogar sich selbst.

Die gleiche Taktik wie rechts – nur spiegelverkehrt

Ich sage es klar: Wer so spricht, wählt die gleichen kommunikativen Mechanismen wie die Rechtsextremen – nur mit umgedrehten Vorzeichen.

Auch dort erleben wir:

  • pauschale Schuldzuschreibungen,
  • die Dämonisierung „des Systems“,
  • das Herbeireden von Unterdrückung,
  • das Spiel mit der Empörung.

Die Linke verlässt damit ihren Markenkern als soziale Protestpartei – und inszeniert sich zunehmend als revolutionäre Bewegung gegen Staat und Verfassung.

Sprache schafft Realität – und Spaltung

Rhetorisch ist das nicht bloß schlechter Stil, ss ist gefährlich. Denn Sprache prägt Denken. Wer das eigene Land als „kaputt“, das System als „brutal“ und westliche Bündnisse als „aggressiv“ bezeichnet, der lädt nicht zum Dialog ein – sondern zur Frontenbildung.

Genau das aber ist der Anfang vom Ende einer offenen demokratischen Gesellschaft. Diese Entwicklung ist besonders tragisch, weil sie einen großen Teil der politischen Linken mitreißen könnte, die auf soziale Gerechtigkeit setzen, aber keine Revolution wollen. Doch die neue linke Rhetorik schafft derzeit keine Brücken. Sie zündet sie an.

Und dann noch das Israel-Bild der Linken

Ein besonderer Tiefpunkt war das Israel-Bild, das auf dem Parteitag transportiert wurde. Symbole, Sprache und die neue Ablehnung der international etablierten Antisemitismus-Definition zeigen: Hier wird Israel nicht mehr kritisch hinterfragt, sondern pauschal verurteilt.

Es ist eine Form von Antisemitismus durch die rhetorische Hintertür. Und sie wird – ausgerechnet – mit dem Anspruch auf Menschenrechte begründet. Ein Widerspruch, der tiefer nicht sein könnte.

Fazit zur neuen Sprache der Linken: In eine Sackgasse manövriert

Ich bin überzeugt: Wer heute politisch spricht, trägt Verantwortung. Nicht nur für das, was er sagt – sondern für das, was daraus wird. Die Linke hat sich rhetorisch in eine Sackgasse manövriert. Sie klingt wie ihr eigener Karikaturist.

Und sie wird mit jedem radikalen Satz ein Stück irrelevanter für die politische Mitte dieses Landes. 

Demokratische Sprache muss Klartext reden – aber nicht vernichten. Sie darf streiten – aber nicht spalten. Sie muss Haltung zeigen – ohne Hass zu säen. Diese Linke zeigt das Gegenteil. Und steht rhetorisch damit näher an der AfD, als sie selbst je zugeben würde.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.