Der Baerbock-Nachfolger macht alles anders – genau darin liegt das Risiko
Ein neuer Außenminister – das bedeutet nicht nur neue Inhalte, sondern auch eine neue Sprache, eine neue rhetorische Handschrift. Und diese ist entscheidend, weil Außenpolitik nicht nur in Hinterzimmern gemacht wird, sondern längst auch auf der öffentlichen Bühne.
Der Wechsel von Annalena Baerbock zu Johann Wadephul markiert nicht nur einen Parteientscheid zwischen Grünen und CDU. Er markiert auch einen rhetorischen Paradigmenwechsel. Vom Auftritt einer politischen Aktivistin zur Nüchternheit eines Parteisoldaten.
Baerbock war eine Wertekämpferin, die Menschen erreicht
Annalena Baerbock hat als Außenministerin polarisiert. Keine Frage. Aber rhetorisch war sie modern, bildstark, emotional. Sie wusste, wie man in einer Medienwelt, in der jeder Bürger ein eigenes Medium sein kann, Schlagkraft erzeugt.
Sie sprach die Sprache der Moral, der klaren Bilder, der Position. Ob man sie mochte oder nicht: Sie war eine Außenministerin, die wusste, dass Außenpolitik heute auch bedeutet, die öffentliche Meinung zu erreichen – nicht nur die diplomatischen Partner.
Wadephul ist ein strategische Parteisoldat
Johann Wadephul ist das rhetorische Gegenteil. Ich kenne ihn noch aus meiner Jugend, in der ich mich Anfang der 90er in Schleswig-Holstein selbst politisch ausprobiert habe: ein analytischer Kopf, strategisch, karriereorientiert, loyal zur Partei.
Über Michael Ehlers
Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.
Er ist der klassische Parteisoldat, der nüchtern argumentiert, der eher die Akten als die Herzen anspricht. Seine Sprache setzt auf Logos, auf Zahlen, Fakten, strategische Erwägungen. Wadephul meidet emotionale Aufladung, er polarisiert nicht – aber genau darin liegt auch das Risiko.
Baerbocks Nachfolger bringt vor allem Nüchternheit - aber das reicht nicht mehr aus
In einer Welt, in der Außenpolitik nicht mehr nur in drei Fernsehsendern, zwei Zeitungen und zwei Magazinen gemacht wird, sondern in der die ganze Gesellschaft permanent öffentlich kommuniziert, reicht reine Nüchternheit nicht mehr aus.
Beide vertreten sie europäische Werte, transatlantische Partnerschaften, klare Signale gegenüber Autokraten.
Aber rhetorisch stehen sie für zwei völlig unterschiedliche Welten:
- Baerbock steht für: Bühne, Emotionalität, Wertekampf.
- Wadephul verkörpert: Diplomatie, Balance, Strategiebewusstsein.
Und während Baerbocks Sprache oft zu ideologisch aufgeladen war, birgt Wadephuls kontrollierte, fast schon kühle Nüchternheit ein anderes Risiko: Unsichtbarkeit.
Mein Fazit: Bühne und Akten, Deutschland braucht beides
Deutschland braucht einen Außenminister, der sich auf der diplomatischen Bühne sicher bewegt – und auf der medialen Bühne nicht untergeht.
Es reicht nicht, nur für Akten zu sprechen. Es reicht nicht, nur Logos zu liefern. Ohne Pathos, ohne emotionale Anknüpfungspunkte, ohne Bilder, die die Menschen erreichen, verliert Außenpolitik ihre öffentliche Wirksamkeit.
Baerbock sprach fürs Publikum, Wadephul meidet Emotionalität. Die große Kunst wäre, beide Sprachen zu verbinden. Denn die Welt da draußen wartet nicht.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.