Fällt heute der Solidaritätszuschlag? So viele Milliarden Euro würden der Regierung dann fehlen
Der Solidaritätszuschlag existiert seit mehr als 30 Jahren. Kritikern zufolge muss er entfallen. Nun urteilt das Bundesverfassungsgericht dazu.
Karlsruhe – Seit Jahren sorgt der Solidaritätszuschlag für Streitigkeiten. Mehrfach hatten verschiedene Parteien versucht, gerichtlich gegen ihn vorzugehen, allerdings erfolglos. Heute könnte sich das ändern. Nach einer Klage aus der FDP-Fraktion hatte sich das Bundesverfassungsgericht der Sache angenommen – und will heute das Ergebnis bekanntgeben.
FDP-Politiker wollen Solidaritätszuschlag abschaffen – und wenden sich ans BVG
Das Ganze begann bereits im Jahr 2020. Damals hatten sechs FDP-Politiker eine Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eingereicht. Ihr Ziel: Der Soli sollte entfallen, und zwar nicht nur für einen Teil der Bundesbürger, sondern für alle. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde der neuen Bundesregierung im Extremfall ein milliardenschweres Haushaltsloch drohen.

Mittlerweile existiert der sogenannte Soli seit mehr als 30 Jahren und sollte primär die finanziellen Lücken schließen, die der Zweite Golfkrieg gerissen hatte. Damals hatte Deutschland etwa 17 Milliarden Deutsche Mark der Kosten von Nato-Partnern übernommen; unter Bundeskanzler Helmut Kohl entstand der Soli, um Geld in die Staatskasse zu spülen. Das Geld floss nicht nur in den „Aufbau Ost“, sondern auch in die Unterstützung von Ländern in Mittel-, Ost- und Südeuropa. Erst ab Mitte der Neunziger wurde langsam klar, dass die Wiedervereinigung teurer wird als gedacht, und so wandelte sich der Soli zu einer Zusatzabgabe zur Finanzierung der deutschen Einheit.
Es handelt sich nicht um eine echte Steuer, sondern um eine sogenannte Ergänzungsabgabe. Seit 2021 müssen nur noch Besserverdiener und Unternehmen diese Abgabe zahlen. Betroffen sind Ledige ab einem zu versteuernden Einkommen (Bruttoeinkommen minus Freibeträge) von 73.484 Euro, für verheiratete Paare gilt die doppelte Grenze von 146.968 Euro. Die übrigen fast 90 Prozent der Steuerzahler sind davon befreit.
„Vorübergehend ist jetzt schon 30 Jahre“ – Solidaritätszuschlag längst ausgelaufen?
Die FDP-Kläger fanden das ungerecht: Sie argumentierten, es bestehe kein besonderer Finanzbedarf mehr. Der Soli müsse entfallen. Bei einer mündlichen Verhandlung im November hatte das Bundesverfassungsgericht angekündigt, es werde prüfen, ob die Regierung den Finanzbedarf Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung genügend dargelegt habe. Heute will das Gericht bekanntgeben, ob der Soli noch zulässig ist.
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Florian Toncar, der bis zum Bruch der Ampel-Koalition parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium war, ist der Meinung, der Soli hätte nur über einen kürzeren Zeitraum hinweg erhoben werden dürfen. „Vorübergehend ist jetzt schon 30 Jahre, obwohl die Kosten für Wiedervereinigung, der sogenannte Solidarpakt, inzwischen ausgelaufen ist“, zitierte die Tagesschau den FDP-Politiker. Mittlerweile habe sich der Soli zu einer Steuer entwickelt, bei deren Einführung die Regierung noch ihren baldigen Wegfall versprochen habe, danach aber immer wieder Gründe vorschiebt, um sie weiter zu erheben.
Angesichts dessen, dass nur noch Besserverdiener sie zahlen müssen, handelt es sich fast um eine Reichensteuer mit einigen Zusatzschritten.
Abschaffung von Solidaritätszuschlag – Gericht will Entscheidung bekanntgeben
Über den Solidaritätszuschlag gibt es schon seit Jahren verschiedene Diskussionen. Politiker und Verbände hatten seine Abschaffung bereits bis Ende 2019 gefordert. Ein Ehepaar hatte mithilfe des Bundes der Steuerzahler eine gerichtliche Prüfung veranlasst, aber das Finanzgericht Nürnberg (Az. 3 K 1098/19) hatte eine entsprechende Klage abgewiesen. Beim Bundesfinanzhof war jedoch eine Revision zulässig.
Der wiederum entschied am 17. Januar 2023, dass der Soli 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig war (Az. IX R 15/20). Es handele sich um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe, darum sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten. Ähnlich sah das der Münchner Bundesfinanzhof. 2023 hatte dieser verlauten lassen, dass der Soli „noch“ verfassungsgemäß sei. Heute könnte die Entscheidung anders ausfallen. Es ist sogar möglich, dass die Richter den Soli rückwirkend abschaffen – in dem Fall müsste die Regierung betroffene Steuerzahler entschädigen. Die Tagesschau sprach hier von einer Summe über 65 Milliarden Euro.