Gerichtsentscheidung könnte zur Gefahr für die Koalitionsgespräche werden, aber die Union stärken

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Eine Sache ist unter den Parteien schon lange ein großes Streitthema. Bald könnte sie endgültig vorbei sein. Das Verfassungsgericht wird urteilen.

Karlsruhe – 35 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands könnte das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag endgültig abschaffen. Und für die Koalitionsgespräche zwischen SPD und Union könnte das zur Gefahr werden. Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats in Karlsruhe haben für Mittwoch (26. März) ein Urteil angekündigt, das den Zuschlag betrifft, den derzeit nur noch Besserverdienende und Unternehmen entrichten. Zudem sind Kapitalerträge betroffen. Sollte der Zuschlag vollständig entfallen, würde der Bund jährlich auf Einnahmen in Höhe von zwölf bis 13 Milliarden Euro verzichten.

Gefahr für die Koalitionsgespräche durch das Soli-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Doch damit nicht genug. Sollte das Verfassungsgericht den Soli tatsächlich kippen, müsste der Bund für die Zeit ab 2020 rund 65 Milliarden Euro zurückzahlen. Somit würde im Haushaltsplan der neuen Regierung schon jetzt ein Loch von 78 Milliarden klaffen, wie der MDR vorrechnet. Das 500 Milliarden schwere Sondervermögen für Infrastruktur könnte das wohl nicht stopfen. Denn die neuen Schulden sind zweckgebunden und dürfen nur für neue Projekte verwendet werden.

Was ist der Solidaritätszuschlag (kurz auch Soli) eigentlich?

Der sogenannte Soli wurde erstmals 1991 befristet eingeführt und ab 1995 unbefristet erhoben, um die Kosten des Aufbaus Ost nach der Wiedervereinigung zu finanzieren. Ursprünglich betrug der Zuschlag siebeneinhalb Prozent auf die Lohn-, Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer. Seit 1998 liegt der Satz bei fünfeinhalb Prozent. Der Zuschlag wird sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands erhoben. Die Einnahmen fließen ausschließlich dem Bund zu und sind nicht zweckgebunden.

Wie viele Steuer hat die Bundesregierung über die Jahre mit dem Solidaritätszuschlag eingenommen?
Wie viele Steuer hat die Bundesregierung über die Jahre mit dem Solidaritätszuschlag eingenommen? © Finanzministerium Grafik: AFP

Obwohl der Solidarpakt Ende 2019 auslief, blieb der Soli bestehen – allerdings nur für wenige. Seit 2021 gelten deutlich höhere Freigrenzen, auf die sich die damalige Koalition aus CDU und SPD einigte. Etwa 90 Prozent der Lohn- oder Einkommensteuerpflichtigen sind derzeit von der Abgabe befreit. Der Soli bleibt jedoch für Unternehmen und Besserverdienende bestehen. Die Freigrenzen wurden jährlich weiter angehoben. Im Jahr 2024 musste den vollen Satz zahlen, wer als Single ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von etwa 104.000 Euro hatte. Auch Anleger zahlen den Soli auf Kapitalerträge wie Dividenden oder Gewinne mit Aktien.

FDP initiiert die Klage gegen den Soli 2020

Im Jahr 2020 reichten sechs Bundestagsabgeordnete der FDP, die sich damals in der Opposition befand, eine Verfassungsbeschwerde ein. Diese richtete sich gegen das Solidaritätszuschlaggesetz. Die FDP-Fraktion erklärte dazu: „Der Soli ist verfassungswidrig und gehört abgeschafft – endgültig und für alle.“ Am Mittwoch wird sich zeigen, ob die sechs FDP-Politiker recht bekommen.

Grund für die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist, dass die Erhebung des Zuschlags nach 2019 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. So argumentieren zumindest die sechs FDP-Politiker, die die Klage veranlasst hatten. Der Zuschlag zur Finanzierung diente der deutschen Einheit und nach dem Auslaufen des Solidarpakts sollte der Soli für alle entfallen. Sie sehen ihr Recht auf Eigentum durch das Solidaritätszuschlaggesetz verletzt und kritisieren, dass nur ein Teil der zuvor Abgabepflichtigen den Zuschlag weiterhin zahlen muss.

Entscheidung zum Solidaritätszuschlag: FDP gab den Anstoß – Christian Lindner zwischen den Fronten

In München entschied der Bundesfinanzhof im Januar 2023 in einem Musterverfahren, dass der Soli weiterhin erhoben werden darf. Die Chancen stehen also gut, dass das Verfassungsgericht in Karlsruhe zugunsten des Solidaritätszuschlags urteilt. Ein bayerisches Ehepaar hatte mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler gegen die Zahlung für 2020 und 2021 geklagt. Die Klage wurde damals abgewiesen.

Tatsächlich hatte das Bundesfinanzministerium die Klage kaum verteidigt. Eigentlich sollte das Ministerium ja für die Erhebung des Solis einstehen. Denn das Damoklesschwert der 78 Milliarden Euro schwebt über dem Bundeshaushalt. Doch Finanzminister Christian Lindner stand während seiner Zeit in der Ampel-Koalition gewissermaßen auf beiden Seiten. Die Partei des FDP-Chefs war schließlich Mitinitiator der Klage. Zu den sechs FDP-Abgeordneten, die die Klage veranlasst hatten, zählte sein parlamentarischer Staatssekretär Florian Toncar und die Staatssekretärin Katja Hessel. Auch Christian Dürr, FDP-Bundestagsfraktionschef, zählte zu den Klägern.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts entscheiden am Mittwoch über die Zulässigkeit des Solis. © IMAGO/Zoonar; IMAGO/Political-Moments Montage: IPPEN.MEDIA

SPD und Grüne verteidigen den Soli vor dem Verfassungsgericht – Entscheidung steht aus

Vor Gericht argumentierte die Bundesregierung, dass die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung noch nicht vollständig bewältigt seien. Politiker von SPD und Grünen verteidigten die Entscheidung, den Soli nur von Menschen mit hohem Einkommen zu erheben, als volkswirtschaftlich sinnvoll. Tatsächlich haben auch die CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm vor der Bundestagswahl für eine Abschaffung des Solis plädiert. Sollte das Verfassungsgericht den Klägern Recht geben, könnte das die Union in ihren Koalitionsverhandlungen stärken.

Für eine Ergänzungsabgabe wie den Soli muss der Bund einen zusätzlichen Finanzbedarf nachweisen. In Karlsruhe wurde diskutiert, ob die Abgabe weiterhin erhoben werden darf, wenn die ursprünglichen Voraussetzungen entfallen sind, der Bund aber aus besonderen Gründen weiterhin mehr Geld benötigt. Das Gericht befragte dazu Steuerrechtler, die unterschiedliche Ansichten vertraten. Am Mittwoch wird das Urteil der Verfassungsrichterinnen und -richter erwartet. (sischr/afp)

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