„Gastro-Revolution“ mit Muttis angekündigt: Neuer Lieferdienst für München im Test

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Nilgün (li.) ist eine der Köchinnen beim Lieferdienst „HomeMeal“. © Screenshot/IMAGO/Arnulf Hettrich

2024 will Martin Schmidt mit seinem ungewöhnlichen Lieferdienst in München durchstarten. Unsere Redaktion hat vorab eine „HomeMeal“-Box getestet.

München/Berlin – Nilgün lächelt ein wenig schüchtern von der Verpackung, in der ihre Icli Köfte warten. Bulgurweizenschalen, gefüllt mit einer Mischung aus Hackfleisch und Zwiebeln. Die traditionelle türkische Delikatesse bereitet die Hobby-Köchin in der heimischen Küche in Berlin zu – für Kunden in ganz Deutschland. Nilgün ist eine der Köchinnen bei „HomeMeal“, einem von Martin Schmidt gegründeten Lieferdienst. 2024 soll er sich in München etablieren.

Vor vier Jahren zog Schmidt nach Berlin. In der Corona-Zeit lernte er viele Köche kennen, die plötzlich arbeitslos geworden waren. „Die Idee war, eine Art Home Office‘ für sie zu etablieren“, blickt Schmidt im Gespräch mit unserer Redaktion zurück. Inzwischen sind 150 Menschen als Kleinunternehmer bei „HomeMeal“ registriert. Die wenigsten sind allerdings klassisch ausgebildete Köche. Die große Mehrheit hat ihr Hobby zum Nebenerwerb gemacht.

„Wir bieten die Möglichkeit, ihre Träume vom Lebensmittelgeschäft zu verwirklichen und ein sinnvolles Einkommen mit dem zu erzielen, was sie lieben“, heißt es auf der Firmen-Homepage. Reichlich Pathos, aber schmeckt's denn auch? Hier geht's direkt zum Test.

Gründer von Lieferdienst: „Perspektivisch wollen wir ein nachhaltigeres Modell“

Für 60 Euro können sich Kunden in der App eine Box mit sechs Speisen zusammenstellen. Laut Schmidt gehen 65 Prozent des Geldbetrages an die Köche. Ein Bote holt die von den Hobby-Köchen zubereiteten und vakuumierten Speisen ab und bringt sie in die Start-up-Zentrale in Berlin-Kreuzberg. Von dort geht es in einer gekühlten Isolationsbox weiter zu den Kunden in ganz Deutschland. Die können die Gerichte in der Mikrowelle oder Pfanne erwärmen.

Noch fällt dabei ziemlich viel Verpackungsmüll an. „Perspektivisch wollen wir ein nachhaltigeres Modell“, sagt Schmidt. Die Herausforderung sei, dass dabei stets die Kühlkette eingehalten werden müsse. Ihren Verpackungsmüll können Kunden derzeit an „HomeMeal“ zurücksenden. „Einen Teil können wir wiederverwenden.“ Immerhin: Die Lieferung per DHL-Paket (500 g CO₂) soll nachhaltiger sein, als die Bestellung bei einem herkömmlichen Lieferdienst (1 kg CO₂ für 5 km Autofahrt).

So lief das Testessen in der Münchner Redaktion

Mitarbeiter unserer Redaktion haben eine „HomeMeal“-Box mit sechs Gerichten getestet. Dabei waren Currys, afrikanischer Jollof Reis, Nilgüns Icli Köfte und ein Auberginen Maqlubah aus dem Nahen Osten. „Die Konterfeis der Köchinnen und Köche auf den Verpackungen sind einfach sympathisch“, bilanziert einer der Tester, der für Nilgüns Icli Köfte positive Worte findet: „Erstaunlich frisch, wenn man bedenkt, welche Reise sie hinter sich haben.“ Den QR-Code, der über Umwege zur Erhitzungsempfehlung führt, habe er allerdings als störend empfunden. „Da fühle ich mich als Kunde an der Nase herumgeführt. Das geht mit einem Dreizeiler-Aufdruck auf der Verpackung einfacher.“

Kritische Worte fand sein Kollege für das „Auspackerlebnis“: „Ich bin überzeugt, dass es noch deutlich umweltfreundlicher geht.“ Preislich haben die Tester die Box mit sechs Gerichten als fair bewertet. Geschmacklich hätten sich die Speisen wohltuend vom „Lieferservice-Einheitsbrei“ abgehoben. Wenngleich die Currys ganz schön scharf gewesen seien.

Tester 1 bringt ein unerwartetes Modell ins Spiel: „Ich könnte mir das Angebot in der ländlichen Region sehr gut vorstellen, auch als anspruchsvollere Alternative zum Essen auf Rädern.“

2024 soll die „Gastro-Revolution für München“ kommen: Hobby-Köche haben sich schon beworben

In Berlin hat „HomeMeal“ vor allem in den Vororten Bestellkunden gefunden. „Da, wo Restaurants weniger werden und Lieferdienste nicht hinkommen, werden wir interessanter.“ 2024 will der Firmengründer nicht weniger als eine „Gastro-Revolution für München“. Etwa 50 Hobby-Köche aus der Landeshauptstadt hätten sich bereits beworben, die ersten zehn will Schmidt im Februar oder März freischalten – zunächst nur für Selbstabholer. „Wenn wir über zehn Köchen liegen, macht es Sinn, in einer Stadt ein Qualitätszentrum aufzubauen, und sie an unsere deutschlandweite Logistik anzubinden.“

Besonders gut wird das Start-up-Konzept von Expats angenommen. Menschen, die etwa aus Pakistan, Indien und Bangladesch stammen und die authentische Küche ihrer Geburtsländer schätzen. „Das Essen der Heimat, produziert von Muttis“, umreißt es Schmidt. Und betont, dass er das mit den Muttis keinesfalls despektierlich meint. „Viele unserer Köchinnen kommen aus Kulturen, in denen eher konservative Familienmodelle vorherrschen. Sie möchten gerne etwas Eigenes auf die Beine stellen.“

Wer Teil des Kochteams werden möchte, muss zuerst ein Testessen überstehen. Schmidt und seine Angestellten machen die Kostprobe. „Es hilft, dass wir sehr divers aufgestellt sind. Aber natürlich sind das erst einmal recht subjektive Eindrücke.“ In der Praxis sei entscheidend, ob Kunden beim selben Koch noch einmal bestellen. „Manchmal ist das Angebot zu exotisch, oder die Bilder passen nicht.“ Dann müsse man nachjustieren. In wenigen Fällen habe sich das Start-up von Köchen trennen müssen, berichtet Schmidt.

Essen auf Tisch
Das erwärmte Auberginen Maqlubah beim Test in der Münchner Redaktion. © fkn

„HomeMeal“-Köche müssen jederzeit mit einem Besuch der Lebensmittelaufsicht rechnen. Beim Gesundheitsamt ist für die Kleinunternehmer eine Schulung für Personalhygiene Pflicht. Zutaten für ihre Speisen müssen die Hobby-Köche in einem zweiten Kühlschrank von privaten Lebensmitteln trennen. (lks)

Seit Corona sind sie besonders gefragt: Lebensmittel-Boten bringen den Einkauf nach Hause und der Kunde spart sich den Gang in den Supermarkt. Wir haben fünf der wichtigsten Münchner Anbieter getestet.

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