Hält die „Brandmauer“? Merz grenzt sich in Anträgen von AfD ab – doch SPD sieht „Erpressungsversuch“

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Friedrich Merz baut die Brandmauer zur AfD nach kurzem Bröckeln wieder auf. © dpa | Lando Hass + dpa | Sebastian Willnow

Die Union differenziert sich nach dem Bröckeln der „Brandmauer“ wieder aktiv von der AfD. Doch die SPD und Grünen sind nicht überzeugt.

Berlin – Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz strebt eine grundlegende Kehrtwende in der Migrationspolitik an und wirbt für Anträge im Bundestag um Zustimmung der früheren Ampel-Koalition. Zuvor hatte er angekündigt, auch die Unterstützung der AfD akzeptieren zu wollen. Nun hieß es aber wieder, die „Brandmauer“ zur AfD stehe. Die Union will in dieser Woche im Bundestag Anträge zu einer Verschärfung der Migrations- und Sicherheitspolitik einbringen. SPD und Grüne kritisieren die Pläne scharf. Sie zweifeln daran, dass Merz die „Brandmauer“ zur AfD aufrechterhält.

Union will Verschärfung der Migrationsgesetze: Fünf-Punkte-Plan soll eingereicht werden

In einem Antrag zur Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans grenzt sich die Union nach Befürchtungen einer bröckelnden Brandmauer scharf von der AfD ab. In dem Antrag heißt es: „Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen.“ Die AfD sei kein Partner, sondern politischer Gegner.

Die Union fordert Folgendes;

  • Dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern.
  • Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumenten - auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern.
  • Ausreisepflichtige sollen inhaftiert werden und Abschiebungen müssten täglich erfolgen.
  • Der Bund muss die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht unterstützen, etwa bei Beschaffung von Reisepapieren. Es sollen Bundesausreisezentren geschaffen werden.
  • Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.

In einem zweiten Antragsentwurf listet die Union weitere Forderungen für einen „Politikwechsel bei der inneren Sicherheit“ auf. Verlangt werden 27 Punkte, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung oder eine Stärkung der Nachrichtendienste. 

Auch in diesem Antrag grenzt sich die Union von der AfD ab, darin heißt es: „Von extrem rechter und extrem linker Seite wird pauschal Stimmung gegen Ausländer gemacht, zum Beispiel mit dem mit unserer Verfassung nicht vereinbaren Konzept einer ‚Remigration‘.“

Union und Merz ziehen klare Linie zur AfD: „Wir machen, was wir für richtig halten“

Die Bekämpfung von illegaler Migration solle „Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage“ entziehen, heißt es weiter. Ausdrücklich nimmt die Union hier Bezug auf die AfD. Die AfD wolle, dass Deutschland aus EU und Euro austrete und sich stattdessen der Eurasischen Wirtschaftsunion zuwendet. „All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand.“ SPD, Grüne und FDP hätten die Texte erhalten, schrieb Merz auf X. „Die AfD bekommt diese Texte nicht.“

Die AfD dürfte wegen der Formulierungen dem Antrag der Union wohl kaum zustimmen können. Merz schrieb in seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“: „Mit der AfD haben und wollen wir keine Mehrheit.“ In der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ sagte der CDU-Chef und Oppositionsführer mit Blick auf die Messerattacke von Aschaffenburg sowie illegale Migration: „Die Bundesregierung hat einen Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Was muss denn noch passieren, dass jetzt endlich gehandelt wird?“ Merz unterstrich, es gebe eine „gemeinsame Verantwortung“ dafür, gegen irreguläre Migration vorzugehen.

Merz sagte weiter: „Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu. Wenn sie nicht zustimmt, soll sie es bleiben lassen. Es gibt keine Gespräche, es gibt keine Verhandlungen, es gibt keine gemeinsame Regierung.“ Davon mache er sich nicht abhängig, betonte der Kanzlerkandidat. Er könne den Bundeskanzler jedenfalls beruhigen: „Mein Wort steht.“

Scholz zweifelt an Absichten der Union und Kanzlerkandidat Merz: „Kann die Frage nicht mehr beantworten“

Kanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor einer Aushebelung des Asylrechts. „Wir müssen immer gucken, was kann man besser machen“, sagte er in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Das Grundgesetz dürfe dabei aber nicht infrage gestellt werden: „Da mache ich nicht mit.“ Scholz verwies darauf, dass das Grundrecht auf Asyl „wegen des Faschismus, wegen der Nazis“ ins Grundgesetz aufgenommen worden sei.

Scholz bekräftigte auch seine Zweifel, ob Merz‘ Wort gelte, dass er nach der Bundestagswahl keine Zusammenarbeit mit der AfD wolle. „Ich kann die Frage nicht mehr beantworten“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Er habe früher daran geglaubt und dies auch öffentlich gesagt. Jetzt könne er „das nicht mehr sagen“. Scholz verwies dabei auch auf die Lage in Österreich, wo die konservative ÖVP nun eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ eingehen will und erstmals ein FPÖ-Politiker Kanzler werden könnte.

Der Kanzler verteidigte zudem seine Migrationspolitik. Er verwies etwa auf eine Verlängerung des Abschiebegewahrsams und Grenzkontrollen an deutschen Außengrenzen. Die Zahl derjenigen, die irregulär nach Deutschland kommen, sei um 30 Prozent zurückgegangen. Rückführungen hätten zugenommen.

Migrationspläne der Union: SPD wirft Kanzlerkandidat Merz „Erpressung“ demokratischer Parteien vor

Merz‘ Pläne stoßen bei der SPD und den Grünen auf Widerstand. Sie haben starke verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken gegen Vorschläge der Union, etwa zur Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreisen an den Grenzen. SPD-Chefin Saskia Esken warf Merz einen „Erpressungsversuch“ vor. Sie sagte zudem: „Die Brandmauer von Friedrich Merz, sie ist aus Papier gebaut und sie brennt lichterloh.“ Sie sagte der Funke Mediengruppe: „Damit zeigt Friedrich Merz einmal mehr, dass er der Verantwortung, die das Amt des Bundeskanzlers erfordert, nicht gewachsen ist.“

„Indem er AfD-Stimmen in Kauf nimmt, wirft er nicht nur die bisherigen Grundsätze der Union über Bord, sondern spaltet die demokratische Mitte und sendet ein fatales Signal an unsere europäischen Partner“, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Merz handele weder staatsmännisch noch weitsichtig.

Grüne äußern Bedenken an Migrationsplänen der Union: „Europarechtswidrig oder verfassungswidrig“

Auch die Grünen haben starke Bedenken wegen der Unions-Anträge. „Dieser Kurs von Friedrich Merz macht Millionen von Menschen in unserem Land Angst. Es muss möglich sein, für die großen Herausforderungen unseres Landes Mehrheiten innerhalb des demokratischen Spektrums zu finden“, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) dem RND. Nach dem Vorschlag der Union, „Doppelstaatlern den deutschen Pass entziehen zu können, ist das ein weiteres klares Signal, dass die Merz-Union scharf rechts abbiegt.“

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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnte vor einem Ende des Rechtsstaats. „Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig, und man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. Es handele sich dabei um kein „wahltaktisches Spielchen“, denn die Anträge könnten mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag beschlossen werden. 

Habeck rief beim Grünen-Parteitag in Berlin außerdem zur Zusammenarbeit der demokratischen Parteien auf: „Einigungsfähigkeit heißt aber nicht Kompromisslosigkeit, heißt nicht ‚friss oder stirb‘, heißt nicht ‚Entweder stimmt ihr zu, oder ich stimme mit Rechtsradikalen‘.“ (bb mit Agenturen)

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