Israels Kommandeure äußern Sorge: Kriegsziele wohl nicht „kompatibel“
Beim Krieg mit der Hamas sieht sich Israel in einer schwierigen Lage und wird sich wohl auf eines der zwei Hauptziele fokussieren müssen.
Tel Aviv – Beim Krieg in Israel befinden sich weiterhin 136 Geiseln in den Händen der palästinensischen Hamas im Gazastreifen. Ihre Befreiung gilt als eines der zwei Hauptziele der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Das andere Ziel ist dabei die Zerstörung der Hamas, wofür die militärische Offensive im Gazastreifen fortgesetzt werden muss. Im israelischen Militär kommen jetzt allmählich Zweifel über die Vereinbarkeit dieser Ziele auf.
Krieg in Israel: Kriegsziele sorgen für Dilemma beim israelischen Militär
Vier hochrangige israelische Kommandeure, die sich anonym gegenüber der US-Zeitung New York Times äußerten, sind sich sicher: Die Freiheit der Geiseln kann nur durch diplomatische und nicht militärische Mittel erreicht werden. Die Ziele, die von der Netanjahu-Regierung gestellt wurden, seien nicht „kompatibel“ miteinander, so die Kommandeure. Demnach fürchten sie, dass eine ausgedehnte und lange Militäroperation zur Auslöschung der Hamas das Leben der Geiseln kosten könnte.

Die israelische Regierung ist gespalten in der Frage, wie man die Geiseln retten kann. Rechtsextreme Minister wie Itamar Ben-Gvir oder Bezalel Smotrich sprechen sich für eine Fortsetzung der Bodenoffensive aus. Nur mit militärischem Druck könne man die Geiseln retten, heißt es aus von ihrer Seite. Eine Position, die auch Premierminister Netanjahu großteils zu vertreten scheint. Bislang stellt er sich gegen eine Feuerpause oder eine Unterbrechung der Offensive.
Doch der ehemalige Generalstabschef und Minister des Kriegskabinetts, Gadi Eisenkot, vertritt eine andere Meinung. Es sei eine „Illusion“, dass man die Geiseln mit militärischen Mitteln retten könne, sagte er zuletzt. Noch habe man in Gaza die Kriegsziele nicht erreichen können, kritisierte er und ergänzte: „Für mich gibt es hier kein Dilemma, die Mission ist eher Zivilisten zu retten als den Feind zu töten.“
Leben der Geiseln in Gefahr: Israelische Kommandeure fordern diplomatische Lösung
Innerhalb des israelischen Militärs sorgt die Zwickmühle für Frustration über die Regierung und ihre Unentschlossenheit, wie die New York Times unter Berufung auf die Kommandeure berichtete. Dass Netanjahu es vermeide, über einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen zu sprechen, sei zumindest teilweise schuld für die ausweglose Situation des Militärs auf dem Schlachtfeld.
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Ähnlich hatte zuletzt der israelische Generalstabschef Herzi Halewi vor einer „Erosion“ bisheriger Errungenschaften gewarnt, falls es endlich keinen konkreten Plan für die Nachkriegszeit gebe. Die Kommandeure unterstrichen, dass ein diplomatischer Deal mit der Hamas der beste Weg ist, die Geiseln sicher nach Israel zu bringen.
„Im Grunde genommen ist es eine Dilemma“, sagte auch der Kriegsexperte Andreas Krieg vom King‘s College in London. Die Tunnel der Hamas seien kein Umfeld, wo man die Geiseln retten könne. „Wenn man in die Tunnel geht und die Geiseln mit Spezialeinheiten retten will, dann tötet man sie“, sagte er der New York Times. „Entweder tötet man sie direkt, oder sie sterben durch die Sprengstofffallen oder im Gefecht“, so der Experte. Es handle sich um einen Krieg, denn man nicht gewinnen könne.
„Keine Chance“: Hamas will Geiseln ohne Kriegsende nicht freilassen
Die Hamas fordert jedenfalls einen diplomatischen Deal, der ein Ende der israelischen Bodenoffensive beinhaltet. Nur dann werde man die Geiseln freilassen. Doch Premierminister Netanjahu widersprach dem am Sonntag (21. Januar). „Ich lehne es ab, uns den Monstern der Hamas zu ergeben“, sagte er. Die Antwort darauf kam vom hochrangigen Hamas-Funktionär Sami Abu Zuhri. Ohne ein Ende der Bodenoffensive gebe es „keine Chance auf die Rückkehr der israelischen Gefangenen“.
Derweil wächst der Druck auf Netanjahu durch die Familien der Geiseln. Sie protestieren seit Tagen in Tel Aviv, unter anderem vor dem Haus des Premierministers, und fordern einen diplomatischen Deal mit der Hamas. „136 Geiseln in Leichensäcken zurückzuholen kann niemals als Sieg angenommen werden“, sagte etwa Jon Polin, Vater der Geisel Hersh Goldberg-Polin.