Arbeitslosigkeit droht: Trump trifft mit US-Zollpolitik Chinas Achillesferse

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Eine chronische Verlangsamung des Immobilienmarktes und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit haben Chinas Wirtschaft anfälliger gemacht als zur ersten Amtszeit von Präsident Trump.

Peking – Im Zollstreit zwischen den USA und China gab es zuletzt eine Atempause mit neuen Verhandlungen. Diese dürften vor allem in China hochwillkommen sein, denn die heimische Wirtschaft hat zu kämpfen - mit Folgen vor allem für den chinesischen Arbeitsmarkt.

Eine anhaltende Verlangsamung des Immobilienmarktes in China hat Arbeitsplätze vernichtet und die Menschen verarmen lassen. Neue Hochschulabsolventen strömen in den Arbeitsmarkt, während die Arbeitslosenquote unter jungen Arbeitnehmern im zweistelligen Bereich liegt. „Die Situation ist eindeutig viel schlimmer“, sagte Alicia Garcia-Herrero, Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der Investmentbank Natixis, der Zeitung New York Times mit Bezug auf Trumps erste Amtszeit als US-Präsident.

Chinas exportabhängige Wirtschaft zentral für den Arbeitsmarkt

Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump China ins Visier genommen und behauptete, seine Zölle hätten dort zum Verlust von fünf Millionen Arbeitsplätzen geführt. In einem Tweet aus dem Jahr 2019 sagte er, seine Handelspolitik habe China „zurückgeworfen“. Diese Aussage wurde seinerzeit von Wirtschaftswissenschaftler zwar in dieser drastischen Form bestritten. Aber die Botschaft unterstrich dennoch die zentrale Bedeutung von Chinas exportabhängige Wirtschaft für den Arbeitsmarkt

Im Handelsstreit mit Donald Trump sinken die Zölle vorerst

Trump fährt seit Beginn seiner zweiten Amtszeit am 20. Januar einen harten handelspolitischen Kurs. So erhoben die USA auf die meisten Importe aus China zuletzt 145 Prozent Zoll, die Volksrepublik reagierte mit einem Aufschlag von 125 Prozent aus US-Waren. Im Mai erzielten Regierungsvertreter der beiden Länder bei Verhandlungen in Genf einen Durchbruch. Sie verständigten sich darauf, ihre gegenseitigen Zölle vorerst zu senken - auf 30 Prozent auf die meisten chinesische Importe und auf zehn Prozent auf US-Waren.

Chinas Wirtschaft droht Verlust von Millionen Arbeitsplätzen

Doch auch die 30 Prozent US-Zölle auf chinesische Waren sind aus Sicht Pekings keine gute Nachricht. In einem Forschungsbericht erklärte die Investmentbank Natixis, dass die Exporte in die Vereinigten Staaten um die Hälfte zurückgehen würden, wenn die US-Zölle auf ihrem derzeitigen Niveau von mindestens 30 Prozent blieben, was zu einem Verlust von bis zu sechs Millionen Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe führen würde. Sollte der Handelskrieg in vollem Umfang wieder aufgenommen werden, könnten die Arbeitsplatzverluste auf neun Millionen ansteigen. Da die Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Branchen in China schwinden, sei es immer wichtiger geworden, die 100 Millionen Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe in China zu erhalten.

Chinas Wirtschaft erlebt eine Umbruchphase

In den vergangenen Jahren hat sich die Lage auf dem chinesischen Arbeitsmarkt zugespitzt. Die Wirtschaft hatte Mühe, sich von der Pandemie zu erholen, und wächst langsamer als in den Jahren von Trumps erster Amtszeit, als das Wachstum mehr als 6 Prozent pro Jahr betrug. Die chinesische Regierung hat zwar erklärt, dass sie in diesem Jahr ein Wachstum von etwa 5 Prozent anstrebt, doch viele Wirtschaftsexperten haben vorausgesagt, dass diese Prognose nicht erreicht wird.

Anfang 2018 erklärte China, dass die Arbeitslosenquote in den Städten auf ein 15-Jahres-Tief gefallen sei und das Land eine Rekordzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen habe. Doch einstige Erfolgsbrachen wie Technologie und Online-Bildung schwächeln und stehen als Job-Motoren nicht länger zur Verfügung. Zuletzt stieg die Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Menschen an.

Hohe Jugendarbeitslosigkeit belastet Chinas Wirtschaft

Nach Angaben des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ISW lag die Arbeitslosigkeit in den Städten im Februar offiziell bei 5,4 Prozent, der höchste Wert der vergangenen zwei Jahre. Die Arbeitslosenquote bei den 16- bis 24-Jährigen lag im April bei fast 16 Prozent, was eine Verbesserung gegenüber dem Vormonat bedeutet. Es wird jedoch damit gerechnet, dass die Zahl wieder ansteigt, wenn in diesem Jahr 12 Millionen neue Hochschulabsolventen in den Arbeitsmarkt eintreten. Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit hat für Peking eine zentrale Bedeutung. Einerseits fehlt die Kaufkraft vieler Millionen junger Menschen, die mit ihren Ausgaben einen wertvollen Anteil zum Binnenkonsum leisten können. Andererseits bedroht ein Gefühl der Perspektivlosigkeit in der Generation Z die Legitimität der Regierung in Peking.

Prekäre Bedingungen für viele Arbeitssuchende in China

Gleichzeitig ist aber die Lage derjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, prekärer geworden. Immer weniger Unternehmen bieten Vollzeitarbeitsplätze an, stattdessen werden Gigworker für Dienstleistungen wie Essenslieferungen und Produktion eingesetzt. Diese Arbeitsplätze bieten den Arbeitnehmern zwar mehr Flexibilität, werden aber in der Regel schlechter bezahlt und bieten nur wenige Schutzmaßnahmen oder Sozialleistungen.

Chinas staatlich gelenkte Marktwirtschaft steht vor einer tiefgreifenden Transformation

Dabei steckt Chinas staatlich gelenkte Marktwirtschaft schon seit Jahren in einer tiefgreifenden Transformation: weg von arbeitsintensiven Billigprodukten, hin zu einer modernen Hightech-Industrie, die hochwertige Produkte für den Weltmarkt erzeugt. Aufgrund massiv gestiegener Lohnkosten sind arbeitsintensive Fertigungen in China kaum noch konkurrenzfähig. Die Fabriken wandern ab nach Südostasien, wo die Löhne niedriger sind. „In den vergangenen Jahrzehnten hat China seinen Wettbewerbsvorteil ausgespielt und wurde global der führende Hersteller für arbeitsintensive Produkte. Das ist nun vorbei“, so Wolfgang Müller vom ISW. Länder wie Indonesien und Vietnam hätten seit 2011 insgesamt 10 Mio. Arbeitsplätze in der Industrie aufgebaut. 

Auch interessant

Kommentare