Eine neue Umfrage zur Bundestagswahl zeigt: Menschen mit russischem Migrationshintergrund machen ihr Kreuz woanders als früher. Zwei Parteien freuen sich.
Berlin – Welche politischen Ansichten haben russischstämmige Menschen in Deutschland? Wen wählen sie bei der anstehenden Bundestagswahl, und wie denken sie über Russlands Präsident Wladimir Putin und den Ukraine-Krieg? Eine groß angelegte Umfrage gibt einen seltenen Einblick in diese Fragen.
Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien befragte insgesamt 2000 Menschen, darunter knapp 500 Russlandstämmige aus zwei Generationen. Die Umfrage, die Merkur.de von IPPEN.MEDIA vorliegt, soll Einblick geben in die politischen Einstellungen der Russischstämmigen im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung. Geleitet wurde die Studie von den beiden Wissenschaftlern Félix Krawatzek und Hakob Matevosyan.
Umfrage zur Bundestagswahl unter Menschen aus Russland: CDU-Zustimmung nimmt rapide ab
Frappierendes Ergebnis der Umfrage ist, dass die Zustimmung zur CDU und CSU unter Menschen mit Russland-Hintergrund rapide abgenommen hat: „In den letzten Jahren ist der Anteil derer, die die CDU/CSU unterstützen, deutlich zurückgegangen“, fassen die Autoren der Umfrage zusammen.
Bis zum Jahr 2000 hätten Migranten aus Russland bei Bundestagswahlen noch zu über 70 Prozent die CDU/CSU gewählt. „Zu diesem Wahlverhalten beigetragen hat eine Dankbarkeit für die erhaltene Unterstützung in den 90er Jahren, als russlanddeutschen Spätaussiedler*innen unter der konservativen Kohl-Regierung eine einfache Einreise und Einbürgerung ermöglicht wurde. “, so Krawatzek und Matevosyan in einer Zusammenfassung der Umfrage.
Umfrage zur Bundestagswahl: Zustimmung zu Grünen unter Russischstämmigen sehr gering
Mittlerweile sieht es anders aus: In der aktuellen Befragung geben nur noch 22 Prozent der älteren Russischstämmigen an, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl die CDU/CSU mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz wählen würden. In der jüngeren Generation sind es sogar nur neun Prozent. Auch für die Ampel-Parteien ist die Zustimmung unter Menschen mit Russland-Hintergrund gering.
„Im Vergleich zur allgemeinen deutschen Bevölkerung fällt darüber hinaus die verschwindend geringe Unterstützung für die Grünen auf“, heißt es von den Autoren der Umfrage. Nur vier Prozent der älteren und acht Prozent der jüngeren Russischstämmigen wollen die Grünen mit ihrem Kanzlerkandidaten Robert Habeck wählen.
Umfrage zeigt hohe Werte für AfD und BSW unter Menschen mit Russland-Hintergrund
Höher als in der Gesamtbevölkerung ist unter Menschen mit Russland-Hintergrund dagegen die Zustimmung zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und zur AfD. 19 Prozent der jüngeren Russischstämmigen und 17 Prozent der älteren Russischstämmigen, würden demnach die AfD mit Kanzlerkandidatin Alice Weidel wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. In der Vergleichstichprobe der allgemeinen deutschen Bevölkerung waren es in der Studie elf Prozent, die die AfD wählen wollen, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist.
Meine news
Eklatant sind die Unterschiede zwischen Russischstämmigen und der Allgemeinbevölkerung bezüglich des Bündnis Sahra Wagenknecht: 17 Prozent der älteren Russischstämmigen und 15 Prozent der jüngeren wollen der Wagenknecht-Partei bei der Bundestagswahl ihre Stimme geben (Vergleich Gesamtbevölkerung in der Studie: sechs bzw. fünf Prozent für das BSW). Die Ergebnisse zur Sonntagsfrage unter Russischstämmigen in Deutschland ist in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.
| Partei | Ergebnis für ältere bzw. jüngere Russischstämmige |
|---|---|
| CDU/CSU | 22 bzw. 9 Prozent |
| SPD | 9 bzw. 10 Prozent |
| Grüne | 4 bzw. 8 Prozent |
| FDP | 5 Prozent bei älteren und jüngeren |
| BSW | 15 bzw. 17 Prozent |
| AfD | 17 bzw. 19 Prozent |
| Die Linke | 2 bzw. 4 Prozent |
BSW und AfD mit Russland-freundlichen Positionen im Wahlkampf zur Bundestagswahl
BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht plädiert dafür, Waffenlieferungen für die Ukraine einzustellen und Wladimir Putin durch Verhandlungen zu begegnen. Zudem will sie Sanktionen gegen Russland beenden und wieder russisches Gas kaufen. Ähnlich sind die Positionen der AfD: Auf ihrem Parteitag in Riesa stimmten die AfD-Delegierten erst vor wenigen Tage dagegen, eine Putin-kritische Passage mit ins Wahlprogramm aufzunehmen.
Umfrage: So sehen Menschen mit Russland-Hintergrund den Ukraine-Krieg
Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien befragte Russischstämmige in Deutschland im Zuge der neuen Umfrage auch zu ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg. Auch dabei wurden ihre Einstellungen mit der deutschen Allgemeinbevölkerung verglichen. Hierbei traten deutliche Unterschiede zutage. Die Ergebnisse lauten zusammengefasst:
- Russischstämmige sind zu 60 Prozent der Meinung, dass Putin nicht allein für den Ukraine-Krieg verantwortlich ist. Im Vergleich: In der restlichen deutschen Bevölkerung finden 60 Prozent, dass Russland allein schuld am Ukraine-Krieg ist.
- Russischstämmige sind eher der Meinung, dass Russland ein Gegengewicht zum Westen bilden muss als die deutsche Gesamtbevölkerung. „Neben der Prägung im Elternhaus spielen auch der Medienkonsum und das gesellschaftspolitische Klima in Deutschland eine Rolle“, so die Autoren der Studie.
- Ihr Wissen über Geschichte beziehen Russischstämmige vor allem von der Familie, aus Büchern und Filmen. Bei der allgemeinen deutschen Bevölkerung spielt die Schule eine größere Rolle.
Allgemeine Umfragen zur Bundestagswahl 2025 sehen die Union an einsamer Spitze. Doch die AfD legt weiter zu. Die ehemaligen Ampel-Parteien schwächeln. Mehrere TV-Duelle der Kanzlerkandidaten und Spitzenkandidaten zur Wahl könnten die Stimmung noch drehen. (smu)