„Unglaublich“: Historie beeindruckt CSU-Politikerin Aigner - NS-Bauten wurden jüdisches Lager
Ilse Aigner war erstaunt vom Engagement, das im Museum steckt. Die Ehrenamtlichen des Badehaus-Vereins kämpfen gegen das Vergessen - und für die eigene Zukunft.
Wolfratshausen - Die meiste Zeit ist sie sehr kontrolliert. Bei einem Themengebiet sprudelt Dr. Sibylle Krafft leidenschaftlich los, spricht von „Schätzen“ und von der „unglaublichen Leistung“, ihn zu bergen und erhalten. 19 000 Menschen waren schon im Badehaus zu Gast. Kürzlich auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Sie lernte die leidenschaftliche Krafft kennen. Die CSU-Politikerin hatte der Badehaus-Vorsitzenden zum Bundesverdienstkreuz gratuliert, Krafft lud die Landtagspräsidentin im Gegenzug in das Museum ein – in das Lebenswerk, das großen Anteil an der Ehrung der Ickingerin hat.
Vielen fehlte die Vorstellungskraft, was möglich ist
Krafft hat den Erinnerungsort mit vielen Mitstreitern in ehrenamtlicher Arbeit aufgebaut. Teilweise gegen große Widerstände. Bürgermeister Klaus Heilinglechner erinnert sich: „Nicht jeder konnte sich vorstellen, was hier entstehen kann.“ Der Badehaus-Verein wollte nicht darauf warten, dass die kollektive Vorstellungskraft ausreicht. Heilinglechner ergänzte: „Inzwischen gibt‘s, glaube ich, keinen mehr, der nicht stolz darauf ist.“ Der Verein schuf einen Erinnerungsort von überregionaler Bedeutung. Beim Rundgang durch das Museum zeigen Krafft und ihre Vorstandskollegen Paul Brauner und Jonathan Coenen die Besonderheiten des Gebäudes am Kolpingplatz.
„Unglaublich“: Ilse Aigner von Erinnerungs-Engagement beeindruckt
Eine der größten Eigenheiten betrifft eigentlich den ganzen Stadtteil: In Waldram verdichtet sich die jüngere deutsche Geschichte wie an kaum einem anderen Ort. Erst bauten die Nazis eine Mustersiedlung für deutsche Arbeitskräfte, etwas später wurden Zwangsarbeiter aus den Waffenfabriken angesiedelt, dann wurden die Überlebenden des Todesmarschs in Waldram versorgt, die von Dachau aus bis nach Wolfratshausen getrieben wurden. Aus Föhrenwald wurde ein Zufluchtsort, ein sogenanntes DP-Camp, ein Ort des Neuanfangs für die Weltkriegsüberlebenden. Als aus Föhrewald Waldram wurde, lag das an den katholischen Heimatvertriebenen, die in den späten 1950er-Jahren im Süden Wolfratshausens angesiedelt wurden. Die benannten die Straßen – von den Juden US-Bundesstaaten und Persönlichkeiten gewidmet – nach katholischen Würdenträgern und mit den Straßen gleich den ganzen Ortsteil nach dem katholischen Abt Waldram. „Deshalb der Name“, staunt Aigner. „Man sagt das so oft und weiß gar nicht wieso.“
Chewing Gum und koscherer Wein: Ausstellungsstücke im Badehaus-Museum
In den Ausstellungsräumen zeigt sich die vielfältige Historie des heutigen Waldrams. In einem Raum sieht Aigner neben einer Munitionskiste Ausschnitte aus einem NS-Propagandafilm mit Hitlerjugend und Würdenträgern in Föhrenwald. Im nächsten Raum sind Aufnahmen von General Patton und dem späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower in Waldram. In einer Vitrine gegenüber stehen eine Flasche koscherer Wein und eine Packung Chewing Gum – Kaugummi – von den Amerikanern. „Das sind Gegenstände, die uns von Waldramer Familien vermacht werden“, erklärt Krafft, als Aigner die Ausstellungsstücke mustert.
Die halten das Museum so lebendig wie der Verein die Erinnerung. „Wir halten Kontakt zu Zeitzeugen, besuchen sie zu Interviews“, so die Badehauschefin. Vor wenigen Wochen war eine Delegation trotz des Kriegs in Israel, um Gespräche zu filmen. Die Zeugen von Föhrenwald in den 1950er-Jahren sind inzwischen Greise. „Wir wollen diesen Schatz erhalten“, erklärt Krafft. Immer wieder organisiert der Verein Besuche von früheren „Fernwald“-Bewohnern im Erinnerungsort – und löst damit großes Interesse aus. „Bei uns passen nicht nur 100 Menschen rein – sie kommen auch zu fast jeder Veranstaltung“, sagt Paul Brauner im Dachgeschoss mit der großen Bühne.
Kein Bittsteller mehr: Badehaus will Planungsicherheit
Aigner ist von der Erinnerungsarbeit in Waldram verblüfft. „Ein unglaubliches Engagement“ stecke in dem Erinnerungsort, „eine beeindruckende Geschichte“ werde im Museum aufgearbeitet. Für die Arbeit erhält der Verein immer wieder finanzielle Unterstützung. Auch aus Fraktionsreserven der Landtagsparteien gab‘s schon Gelder. Was dem Erinnerungsort fehlt, ist eine dauerhafte institutionelle Förderung. Die würde Planungssicherheit ermöglichen. Heilinglechner und Krafft werben um Unterstützung: „Trotz allem Enthusiasmus geht es für uns um die finanzielle Grundsicherung.“