Belgien kehrt Atomausstieg den Rücken – auch neue Reaktoren geplant
Belgien hebt den Atomausstieg auf und will neue Atomreaktoren bauen. Eine heftige Debatte bahnt sich an: Besonders ein Kraftwerk steht in der Kritik.
Brüssel – Das belgische Parlament hat den Atomausstieg aufgehoben. Mit breiter Mehrheit stimmten die Abgeordneten am 15. Mai für eine Verlängerung der Laufzeiten bestehender Reaktoren. 102 Abgeordnete votierten für den Schritt, 8 dagegen, 31 enthielten sich. Die Regierung unter dem rechtsgerichteten Premierminister Bart De Wever plant darüber hinaus den Bau neuer Atomreaktoren.

Derzeit betreibt Belgien zwei Kernkraftwerke: Doel nahe Antwerpen und Tihange bei Lüttich. Von den ursprünglich sieben Reaktoren sind drei bereits abgeschaltet. Eigentlich sah ein Gesetz von 2003 vor, die restlichen Anlagen bis 2025 stillzulegen. Doch angesichts geopolitischer Spannungen und Sorgen um eine stabile Energieversorgung verschob die Regierung den Atomausstieg bereits 2022 um zehn Jahre – zwei Reaktoren sollen bis 2035 weiterlaufen. Die rechte Regierung hofft, durch das neue Gesetz die beiden Reaktoren bis 2045 laufen lassen zu können.
Sicherheitsbedenken bleiben – Belgien-Minister erfreut über Ende „der Blockade“ durch den Atomausstieg
Das neue Gesetz lässt Freiraum: Alle Referenzen zu einem Atomausstieg 2025 wurden heraus gekürzt, genauso das Verbot, neue Produktionsstätte für Atomenergie zu schaffen. Die Entscheidung dürfte nicht nur national für Kontroversen sorgen. Immer wieder hatten auch deutsche Städte und Politiker scharfe Kritik an den belgischen Atommeilern geäußert.
Besonders das Kraftwerk Tihange steht wegen festgestellter Mängel, darunter beschädigte Betonteile, in der Kritik. Die Stadt Aachen und die Bundesregierung forderten in der Vergangenheit mehrfach die Stilllegung. Tihange liegt nur rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
Belgien macht Atomausstieg rückgängig
Der belgische Energieminister Mathieu Bihet seine Sicht über den Atomausstieg gegenüber Le Monde: „Die Ideologie ist an der Mauer der Realitäten zerschellt, und die geplante Deaktivierung entsprach ohnehin keiner industriellen Logik“. Er hat nach nur drei Monaten im Amt schon den Spitznamen „Atomic Boy“ bekommen.
Bihet freute sich laut der Nachrichtenseite La Croix über die Annahme des Gesetzes: „Das Parlament hat gerade die Seite von zwei Jahrzehnten der Blockade und des Zögerns umgeschlagen und den Weg für ein realistisches und widerstandsfähiges Energiemodell geebnet“, sagte er dazu. In Europa reiht sich Belgien damit in eine Reihe von Ländern ein, die mit mehr Atomenergie planen.(lismah/dpa)