Verteuert sie zu sehr den Wohnungsbau? Stadtrat ringt um Spielplatz-Pflicht

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„Wir tun Familien damit keinen Gefallen“: Stadtrat ringt um Spielplatz-Pflicht

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Wer zehn oder mehr Wohnungen baut, muss in Weilheim künftig einen Spielplatz schaffen. Das regelt eine neue Satzung, nachdem bayernweite Vorgaben gestrichen wurden. © Monika Skolimowska/dpa

Ist sie nötig, um die Lebensqualität junger Familien zu sichern? Oder verteuert sie nur den Wohnungsbau? Höchst kontrovers hat der Stadtrat den Erlass einer Spielplatzsatzung für Weilheim diskutiert – und fand doch noch einen Kompromiss.

Wird ein Gebäude mit mehr als drei Wohnungen errichtet, muss auch „ein ausreichend großer Kinderspielplatz“ angelegt werden. So galt es bis dato für ganz Bayern. Doch diese Verpflichtung wird zum Oktober ersatzlos aus der Bayerischen Bauordnung gestrichen, so haben es die Regierungsfraktionen im Landtag beschlossen. Die Stadt Weilheim müsse deshalb – wie es derzeit auch viele andere Kommunen tun – eine Spielplatzsatzung fürs Stadtgebiet erstellen, so beantragte es die Stadtratsfraktion der Grünen.

Auch das Stadtbauamt habe sich dazu bereits Gedanken gemacht, hieß es kürzlich bei der Vorberatung im Bauausschuss des Stadtrates. Und der von der Verwaltung präsentierte Vorschlag, angelehnt an die Satzung der Stadt Altötting, fand prinzipiell unisono Zustimmung im Ausschuss. Werden in Weilheim fünf oder mehr Wohneinheiten geschaffen, so der Vorschlag, müssten Bauherren auf Privatgrund einen Spielplatz anlegen – in der Regel direkt am Haus, ansonsten in höchstens 500 Metern fußläufiger Entfernung. Für den Fall einer Ablösezahlung wurden Kosten von 150 Euro pro Quadratmeter angesetzt.

FW-Politikerin fordert „mehr gesunden Menschenverstand, weniger Verordnungen und Regelungen“

Als es nun an die Beschlussfassung im Stadtrat ging, regte sich aber Widerspruch. Ohne die Spielplatzpflicht könnte Wohnungsbau endlich günstiger werden, sagte Florian Lechner (BfW), der von Beruf Architekt ist. Rund 70.000 Euro würde ein 60 Quadratmeter großer Spielplatz kosten, rechnete er vor, bei fünf Wohnungen im Objekt würde das 50 Euro mehr Miete bedeuten. „Wir tun Familien keinen Gefallen mit einer solchen Satzung“, folgerte Lechner, jedenfalls nicht bei Projekten mit fünf oder acht Wohnungen. Erst bei größeren Vorhaben – etwa ab zehn Wohneinheiten – finde er eine Spielplatzpflicht richtig.

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Diese Pflicht, betonte Susann Enders (FW), die auch Landtagsabgeordnete ist, habe man bewusst aus der Bayerischen Bauordnung gestrichen – „um günstiger Wohnraum schaffen zu können, vor allem für junge Familien“. Nun für die Stadt eine solche Satzung zu erlassen, das würde „sinnvolle Nachverdichtung erschweren oder gar verhindern“, warnte Enders und fügte hinzu: „Wir leben nicht in Frankfurt, sondern in Weilheim, wo wir doch an jeder Ecke Grün haben.“ Klarer Appell der FW-Politikerin: „Ein bisschen mehr gesunder Menschenverstand, ein bisschen weniger Verordnungen und Regelungen.“

Stadtbauamt: Ohne Spielplatzsatzung geht es nicht

„Entsetzt über diese unsozialen Ausführungen“ zeigte sich Brigitte Gronau von den Grünen. Und deren Fraktionssprecher Manuel Neulinger nannte es „Schmarrn“, dass Wohnbau an einem Spielplatz scheitern würde. Die bisherige Spielplatzpflicht per Bauordnung hat seiner Überzeugung nach „nicht signifikant zum teuren Wohnen beigetragen“. Und Familien („es geht hier ja nicht um die, die Haus und Garten haben“) seien auf Spielplätze angewiesen. Ohne entsprechende Vorgabe würden die aber oftmals nicht geschaffen, so Neulinger: „Es gab auch in Weilheim Fälle, wo Spielplätze hätten gebaut werden müssen, dies aber auch nach längerer Zeit nicht getan wurde.“

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Er könne beide Seiten verstehen, erklärte Bürgermeister Markus Loth (BfW). Aber nur jetzt habe die Stadt die Chance, eine solche Satzung zu erlassen, so sein Hinweis: „Später können wir es nicht mehr einführen. Wieder aufheben kann man es aber jederzeit.“ Keinesfalls könne die Stadt auf eine solche Satzung verzichten, unterstrich Manfred Stork, der Leiter der städtischen Bauverwaltung: Zwar könnte die Stadt in neuen Bebauungsplänen auch so Festsetzungen zu Spielplätzen treffen. „Aber in den bisherigen ca. 180 Bebauungsplänen haben wir keinerlei Regelungen für Spielplätze – weil‘s ja nicht nötig war“ – was sich jetzt ändere.

CSU-Vertreterin: Für junge Familien braucht es Spielplätze „gleich um die Ecke“

Unterschiedliche Meinungen wurden innerhalb der CSU laut. Für Stefan Zirngibl macht eine Spielplatzpflicht Wohnbau im kleineren Stil unnötig teuer, zudem handle es sich in der Realität oft nur um kleine Sandkästen, die „zum Hunde- und Katzenklo verkommen“ und kaum benutzt würden. Fraktionssprecherin Marion Lunz-Schmieder hingegen sagte, „als Familienreferentin“ befürworte sie den Antrag: Familien mit kleinen Kindern bräuchten „Spielplätze gleich um die Ecke“; schöne Anlagen am Gögerl oder in der Au hülfen ihnen im Alltag nichts. Zwar sei sie prinzipiell für Entbürokratisierung, fügte Angelika Flock (CSU) an – „aber doch bitte nicht bei unseren Kindern!“ Eine Spielplatzsatzung „macht wirklich Sinn“, so die 2. Bürgermeisterin, „zum Wohl der Familien und Kinder“.

Auch BfW-Sprecherin Brigitte Holeczek befand: „Einer Stadt wie Weilheim steht es schon an, ein Zeichen zu setzen, dass wir unsere Kinder berücksichtigen.“ Eine Spielplatzsatzung sei ein solches Zeichen. Allerdings solle sie erst ab einer größeren Anzahl von Wohnungen gelten.

Genau das hat der Stadtrat nach der langen Diskussion denn auch beschlossen: Die Stadt Weilheim erlässt eine Spielplatzsatzung – die allerdings erst ab einer Größenordnung von zehn Wohneinheiten greift. Dafür stimmten letztlich alle Ratsmitglieder außer Susann Enders. Der Vorschlag, die Satzung schon ab fünf Wohneinheiten gelten zu lassen, war zuvor durchgefallen; dafür gab es nur acht Stimmen aus den Reihen von Grünen, SPD und ÖDP.

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