So entlarven Sie die 5 typischen Ausreden

Ausreden sind Kommunikationswerkzeuge, die einer genaueren Betrachtung lohnen. Denn die Bandbreite der Ausflüchte ist nicht nur breit und vielfältig, sondern Ausreden sind auch ein zweischneidiges Schwert. Sie werden eingesetzt, um sich selbst oder andere Personen zu schützen. Sei es, um peinliche Situationen zu vermeiden, mögliche Sanktionen zu umgehen oder sich Vorteile zu verschaffen. 

In gewisser Weise sind Ausreden eine Form der Lüge, da sie die Realität verschleiern. Eine Ausrede ist ein (angeblicher) Grund, eine Ausflucht oder eine Rechtfertigung und ein Versuch, die Schuld von sich zu weisen.

Es gibt typische Ausreden, die immer wieder auftauchen. Fünf davon betrachten wir genauer und zeigen, wie sie aus Sicht einer Wirtschaftsmediatorin entlarvt werden können.

Stephanie Huber, Expertin für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement, ist Gründerin und Geschäftsführerin von konSENSation GmbH. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.

Ausrede Nr. 1: „Ich habe keine Zeit“

„Hätte ich Zeit, würde ich zum Sport gehen“ oder „Wenn ich morgen nicht so früh aufstehen müsste, könnte ich jetzt noch ...“. Ausreden werden nicht nur verwendet, um das Umfeld zu beruhigen, sondern auch, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen.

„Keine Zeit zu haben“ ist eine häufig verwendete Ausrede dafür, dass man sich keine Zeit nimmt. Zeit haben wir alle dieselbe, unsere Interessen und Prioritäten sind jedoch unterschiedlich. Auch die Ausrede „Ich habe keine Zeit“ ist eine Schutzbehauptung, die jedoch nicht immer unwahr ist. Sie basiert auf Werten. Wenn eine zuverlässige Person bereits einen Termin vereinbart hat, wird sie diesen nicht absagen, nur weil eine weitere Terminanfrage eingeht – es sei denn, sie misst dem neuen Termin eine höhere Priorität bei.

Der beste Tipp, um eine mögliche Ausrede zu entlarven, ist, die Situation klar und deutlich zu benennen: „Erkenne ich die Situation richtig? Würden Sie sich für das Projekt Zeit nehmen, wenn Sie ihm höhere Prioritäten beimessen würden?” oder „Liege ich mit meiner Vermutung richtig, wenn ich hier eine Ausrede vermute?” Sprechen Sie respektvoll miteinander. Stellen Sie Fragen, anstatt Behauptungen aufzustellen, und sprechen Sie in der Ich-Form. Wenn Sie im Konjunktiv fragen (würde, hätte, könnte …), haben Sie die größte Chance, dass das Gespräch ruhig und wertschätzend verläuft.

Ausrede Nr. 2: „Das haben wir schon immer so gemacht“

Dieser Satz steht für stagnierenden Fortschritt und Angst vor Veränderung. Es handelt sich dabei um ein Totschlagargument, das mögliche Innovationen im Keim ersticken soll.

Der beste Tipp, um diesem leeren Argument zu begegnen, ist, sich nicht zu rechtfertigen, sondern mit den richtigen Fragen zu kontern. Dafür eignen sich konkretisierende „W-Fragen“ (wer, weshalb, wie, was, genau, konkret, exakt …). Fragen sind in diesem Fall ein bewährtes Mittel, um das Kernproblem herauszufiltern. Es geht nämlich darum, herauszufinden, was sich hinter dem Scheinargument verbirgt.

  1. „Was genau brauchen Sie, um eine Veränderung in Betracht zu ziehen?“
  2. „Was genau irritiert Sie?“

Die offenen Fragen dienen dazu, die Killerphrase zu entlarven und das Gespräch auf eine konstruktive Ebene zurückzuführen.

Ausrede Nr. 3: „Ich war's nicht“

Verleugnung statt Eigenverantwortung zu übernehmen, ist eine Handlungsweise, derer sich Feiglinge bedienen. Eigenverantwortung ist eine bewusste Entscheidung und sollte nicht als Ausrede dienen.

Mangelnde Eigenverantwortung ist eng verbunden mit:

  1. unreifen Handlungsweisen
  2. Angst, Verantwortung zu übernehmen, oder Angst vor Sanktionen
  3. Selbstverteidigung, um besser dazustehen
  4. Untätigkeit, Feigheit, die eigenen Fehler nicht eingestehen zu wollen
  5. Mangelndes Selbstbewusstsein und fehlende Selbstkontrolle
  6. Fehlende Disziplin und Respektlosigkeit
  7. Vorsicht und mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Dieser Ausrede kann mit Klarheit souverän begegnet werden. „Egal, ob Sie es waren oder nicht, ich bitte Sie höflich darum, dieses Thema zu klären.“ Dabei ist es wichtig, nicht auf die Ausrede einzugehen und ihr auch nichts entgegenzusetzen. Sonst beginnt ein Kreislauf aus mitunter endlosen Rechtfertigungen und weiteren Ausflüchten.

Ausrede Nr. 4: „Zuerst muss ich noch … einen Plan ausarbeiten /das notwendige Equipment besorgen / den Bedarf ermitteln …“

Sich in (übermäßiger) Planung zu verlieren, kann eine Ausrede sein, um nicht in die Handlung zu kommen. Es kann sich bei dieser Annahme jedoch auch um einen Irrtum handeln. Es könnte sich schließlich um einen Perfektionisten oder einen sehr vorsichtigen Menschen handeln. Wer seinem Gegenüber interessierte Fragen stellt, hat eine gute Chance, herauszufinden, worum es wirklich geht.

  1. Wird der Plan als Ausrede für Nichthandlung vorgeschoben?
  2. Handelt es sich um Perfektionismus und ein hohes Verantwortungsbewusstsein?

Ein Beispiel aus der Praxis: Ich erinnere mich an eine Mediation, bei der die Stimmung eskalierte, weil ein Kollege einem anderen unterstellte, er würde die Prozesse mit „Zuerst muss ich noch ...” behindern. Die Stimmung in dem Unternehmen litt stark unter der vorsichtigen Vorgehensweise des einen Kollegen. 

Es kam immer wieder zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen. In der Wirtschaftsmediation kam heraus, dass das, was der eine Kollege als Ausrede erkannte, gar keine war. Sein Kollege verwendete keine Ausrede, sondern hatte so schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht, dass er sich doppelt und dreifach absicherte und prüfte, bevor er eine Entscheidung traf. Was die eine Seite als Ausrede erkannte, war in Wirklichkeit nur die Angst, wieder einen Fehler zu machen. Heute reden die Kollegen offen darüber, wenn der Kollege wieder einmal „zu vorsichtig“ agiert. Sie unterstützen sich gegenseitig, denn sie haben gelernt, miteinander zu sprechen, statt sich gegenseitig mit Unterstellungen zu konfrontieren. Denn eine Ausrede kann auch ein Hilferuf sein.

Ausrede Nr. 5: Wenn sich die unterschiedlichsten Ausreden häufen

Wenn sich Ausreden häufen, gibt es dafür einen Grund. Dann ist es meist erfolglos, auf die einzelnen Ausreden einzugehen, denn dann geht es um etwas anderes. Ausreden bieten nämlich auch die Möglichkeit, von wirklich wichtigen Dingen abzulenken, beispielsweise von unangenehmen Aussprachen oder von Unsicherheit. 

Den Ausreden liegen Gründe zugrunde, die es sich zu untersuchen lohnt. In einem Unternehmen beispielsweise, in dem die Mitarbeitenden eine Ausrede nach der anderen parat haben, ist etwas in Schieflage geraten. Es gibt einen Kernkonflikt, den es herauszudestillieren gilt. Dann werden auch keine Ausreden mehr gebraucht.

Sobald sich Ausreden häufen oder Konflikte extrem schnell eskalieren, sollte der Kernkonflikt herausdestilliert werden. Dies gelingt mit der wichtigen Frage: „Worum geht es wirklich?”.

Kommunikation ohne Ausreden

Gäbe es keine Ausreden, würde die Wahrheit ehrlich und schonungslos ausgesprochen werden. Beispielsweise: „Ich halte dieses Projekt nicht für wichtig und werde ihm keine Zeit widmen“ oder „Ich habe kein Interesse daran, Sie zu unterstützen, weil ich Ihren Vorschlag für unsinnig halte“. Die Wahrheit kann hart klingen und ist mit Sicherheit auch oft unverschämt. Es ist besser, sich über die Ausrede als über die Wahrheit zu ärgern. Folglich könnten Ausreden als Instrumente mit einer Daseinsberechtigung anerkannt werden. Doch alles in Maßen und mit Verstand. Wenn eine Ausrede schiefgeht, ist eine Entschuldigung das perfekte Kommunikationsmittel.