Trotz der EU-Sonderzölle: Mit diesem Trick wollen Chinas E-Auto-Hersteller Europa erobern

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Streit mit der EU wegen Zöllen: So will China bei E-Autos Europa austricksen

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Seit vergangenem Monat erhebt Brüssel vorläufige Zölle auf E-Autos aus China. Peking will dagegen vorgehen. Und hat einen Trick im Ärmel.

Der Streit um vorläufige Zölle der EU auf Elektroautos aus China geht in die nächste Runde. Wie das Handelsministerium in Peking mitteilte, wendet sich China in der Sache an das Streitschlichtungsgremium der Welthandelsorganisation (WTO). Als Grund nennt das Ministerium den Schutz der Rechte und Interessen der heimischen E-Auto-Industrie. 

Die vorläufige Entscheidung der EU entbehre faktischer und rechtlicher Grundlage. Sie verletze WTO-Regeln und untergrabe die weltweite Zusammenarbeit sowie den Umgang mit dem Klimawandel. Peking fordere die EU auf, umgehend ihr Fehlverhalten zu korrigieren und gemeinsam die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit sowie die Stabilität der Lieferkette in der E-Auto-Industrie zu sichern, sagte ein Sprecher laut Mitteilung. Allerdings will China nicht auf eine Entscheidung warten und geht jetzt schon in die Offensive. Denn Fälle vor dem WTO-Streitschlichtungsausschuss ziehen sich oft über Jahre hin.

China versucht mit Trick Zölle zu umgehen

Die betroffenen chinesischen Autobauer hatten schon vor ihrer Klage reagiert: Sie planen Fabriken innerhalb der EU, um die hohen Zölle zu umgehen. Elektro-Marktführer BYD will eine Fabrik in Ungarn bauen und belohnt damit den chinafreundlichen Ministerpräsidenten Viktor Orbán für sein jahrelanges Werben um Peking. Chery Automobile hat sich mit einem spanischen Unternehmen zusammengetan, um noch 2024 eine E-Auto-Produktion in Katalonien aufzunehmen.

Der europäische E-Auto-Markt wird mittelfristig nach allen Prognosen stark steigen, auch wenn die Nachfrage nach E-Autos in Deutschland gerade eingebrochen ist. Das Ziel der EU sind 30 Millionen Elektroautos auf den Straßen bis 2030. Im vergangenen Jahr hatten chinesische E-Automarken wie BYD 8,2 Prozent Marktanteil in Europa, gegenüber nur 0,5 Prozent im Jahr 2019. Im ersten Halbjahr 2024 stieg er laut Bloomberg bereits auf elf Prozent. Die Autos sind preiswert, technisch ausgereift – und ihre Hersteller haben seit Jahren von Peking Subventionen erhalten. Daher sind gewaltige Überkapazitäten entstanden, die überzähligen Autos drängen nach Europa – und das, obwohl der Verkauf in China rasant steigt: Im Juli waren mehr als die Hälfte der verkauften Fahrzeuge E-Autos.

Chinesische E-Autobauer reagieren auf Europas Sonderzölle

Die EU-Kommission beschloss Mitte Juni wegen der Subventionen Sonderzölle auf E-Autos aus China zwischen 17,4 Prozent und 38,1 Prozent, die Anfang Juli vorläufig in Kraft traten. Die USA hatten zuvor sogar 100 Prozent Zoll angekündigt, den Start allerdings kürzlich verschoben. Die EU muss im November endgültig entscheiden, ob sie die Sonderzölle beibehält.

Fabriken in Europa machen aus Sicht der chinesischen Firmen also Sinn, um die Sonderzölle zu umgehen. Die BYD-Fabrik für E-Autos und Plug-in-Hybride in Ungarn soll in drei Jahren den Betrieb aufnehmen. Im Mai kündigte BYD-Europachef Michael Shu an, 2025 sogar ein zweites Werk in der EU bauen zu wollen. BYD wolle bis 2030 ein führender Elektroautoanbieter in Europa sein. Bei der Fußball-Europameisterschaft der Männer war BYD als Mobilitätspartner einer der wichtigsten Sponsoren. Auch in der Türkei plant BYD ein E-Auto-Werk.

Chinas größter Autoexporteur Chery gab derweil im April die Unterzeichnung des Joint Ventures mit dem spanischen Unternehmen EV Motors bekannt, die Chinesen sind darin Minderheitseigner. Noch in diesem Jahr soll dort das Elektromodell Omoda von Chery montiert werden. Nach einem Bericht der britischen Financial Times erwägt der Automobilhersteller zudem den Bau einer Autofabrik in Großbritannien noch in diesem Jahrzehnt.

BYD, Chery und Co: Produktionen in Europa geplant

Das chinesische Unternehmen Leapmotor ging 2023 eine Partnerschaft mit dem europäischen Großkonzern Stellantis ein; laut Reuters wollen die Partner im Stellantis-Werk im polnischen Tychy kleine Elektromodelle bauen. Stellantis rechne bis zum Jahresende mit der ersten Auslieferung der gemeinsam produzierten Autos, sagte CEO Carlos Tavares im April.

Der Autobauer Geely hatte im Jahr 2010 Volvo gekauft und verfügt damit bereits über Fabriken in Schweden, Belgien und den Niederlanden. Auch hält er zehn Prozent an Mercedes-Benz. In Polen schloss Geely 2022 einen Lizenzvertrag zur E-Auto-Fertigung mit einem Staatsunternehmen. Die neue Regierung verhandelt darüber derzeit mit Geely; denn den Vertrag hatte noch die alte Regierung unter der PiS-Partei unterschrieben. Und auch der chinesische Staatskonzern und VW-Partner Shanghai Automotive (SAIC) sucht eine Produktionsstätte in Europa, der Konzern besitzt die britische Marke MG.

Chinas E-Autobauer: Lokale Fabriken erhöhen Akzeptanz

Andere könnten folgen. Denn natürlich ist die gesellschaftliche Akzeptanz chinesischer Marken höher, die sich vor Ort engagieren und dort Arbeitsplätze schaffen. „Eine grundsätzliche Frage für westliche Regierungen ist dabei, ob sie überhaupt einen Platz für chinesische E-Autos auf ihren Märkten und als Teil der weltweiten Bemühungen um eine Dekarbonisierung sehen“, meint Scott Kennedy, Experte für Chinas Cleantech am Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. So oder so wird die chinesische Konkurrenz die etablierte Autoindustrie Europas unter starken Druck setzen. Wenn man das nicht wolle, müsse man entscheiden, wie weit man bereit sei zu gehen, um chinesische E-Autos draußen zu halten, schreibt Kennedy. Die EU habe bisher aber angedeutet, dass sie für Investitionen chinesischer Elektroautohersteller und Batterieproduzenten offen sei.

Eine Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) hält chinesische Autos allerdings für ein Sicherheitsrisiko: Die vernetzten E-Vehikel aus der Volksrepublik ermöglichten Cyberspionage und sammelten haufenweise Daten, warnen die Autoren in einer umfangreichen Risikoanalyse. Die EU müsse sich entscheiden: Will sie chinesische E-Autos ganz blockieren, eine von allen akzeptierte Kompromisslösung finden, oder schlicht die chinesische Dominanz aufgrund ihrer bereits erreichten Kostenvorteile hinzunehmen. Alle diese Szenarien haben laut der Studie Kosten: entweder für die Staatskassen oder für die europäische Autoindustrie, die Verbraucher oder den Klimaschutz.

Welchen Weg die EU einschlägt, ist auch abhängig von den Mehrheiten in Brüssel. Doch das ist nicht das einzige, was die EU zu entscheiden hat, findet Kennedy: Neben der Verteidigung sei auch die Offensive wichtig. Sprich: „Wie fördere ich meine eigenen Industrien?“ Dafür tue der Westen längst nicht genug.

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