Putin „legt immer noch Agenda fest“: Was hinter dem Tucker-Carlson-Interview steckt
In seinem Interview mit Tucker Carlson wiederholte der russische Präsident erneut seine krude Sicht auf die Geschichte. Laut Kreml-Insidern hatte Putin dabei eine ganz bestimmte Zielgruppe im Blick.
Moskau – Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs gab der russische Präsident Wladimir Putin am Donnerstag (8. Februar) einem westlichen Medienvertreter ein Interview. Warum der Kremlchef gerade den geschassten Ex-Fox-Moderator Tucker Carlson als Gesprächspartner auswählte, wurde schnell klar: Der US-Amerikaner diente Putin lediglich als Stichwortgeber, ließ den russischen Präsidenten lange schwadronieren und stellte keine kritischen Nachfragen. Ein Kreml-Insider steckte nun der russischen Oppositionszeitung Meduza, welche Taktik der Kremlchef mit diesem Gespräch verfolgte.
Russlands Präsident Putin im Interview mit Tucker Carlson: Diese Taktik steckte offenbar dahinter
Der rechte Moderator Tucker Carlson war im vergangenen Jahr nach langer Zusammenarbeit von Fox News gefeuert worden. In seiner quotenstarken Abendsendung hatte der Moderator unter anderem Verschwörungstheorien verbreitet und gegen Minderheiten gehetzt. Kurz nach seinem Rausschmiss bei Fox kündigte er eine eigene Show auf der Plattform X (vormals Twitter) an. Dort teilte er auch das Interview mit Putin. Zu dem Gespräch erntete der Moderator viel Kritik. Carlson sei ein „Ventil für Putins Propaganda“ und habe sich dem Kremlchef gegenüber wie ein „eifriger Welpe“ verhalten, hieß es. Zahlreiche westliche Medien hatten Putin zuvor immer wieder um ein Interview gebeten, die Anfragen waren jedoch allesamt abgelehnt worden.
Dass der russische Präsident nun ausgerechnet Carlson zusagte, hat laut Kreml-Insidern verschiedene Gründe. Putin habe mit dem Gespräch kein inländisches Publikum erreichen wollen, sondern den Westen. Die Menschen in Russland sollen demnach die Popularität des Interviews im Ausland sehen und würden dann glauben, dass Putin „immer noch die Agenda festlegt.“ Die Bevölkerung würde dann sehen, wie sehr der russische Präsident alle mit nur einem Interview beeindruckt habe, zitiert Meduza den Insider weiter. Unabhängig verifizieren ließen sich die Angaben der anonymen Quelle nicht, doch das Interview war nach seiner Veröffentlichung Gesprächsthema Nummer eins.
Kreml-Insider sicher: Diesen Effekt soll das Interview auf die amerikanische Bevölkerung haben
Der Kremlchef habe in dem Interview fälschlicherweise signalisieren wollen, dass er bereit sei, mit dem Westen zu sprechen. Die Botschaft lautete nach Angaben einer weiteren regierungsnahen Quelle: Russland sei nun mit China verbündet, aber nur, weil die US-Führung Moskau dazu gedrängt habe. Der Durchschnitts-Amerikaner solle denken: „Oh, was hat unsere Führung getan!“ Nützlich sei das Interview, wenn man die Reaktion des Westens ausnutze und dort das Informationsumfeld gestalte. „Alle sind dort [im Westen] hysterisch“, so die Quelle weiter. Die Zustimmung von Persönlichkeiten wie dem Ex-Präsidenten Donald Trump oder Tesla-Chef Elon Musk würden Millionen von Zuschauern bedeuten, hieß es.
Warum Tucker Carlson dem Kremlchef aber keinerlei kritische Fragen stellte, konnten sich auch die Kreml-nahen Quellen nicht erklären. „Höchstwahrscheinlich gab es kein solches Ziel“, so eine Quelle zu Meduza. Außerdem erwarte Carlsons Publikum nicht, dass der Moderator Putin entlarve, „ganz im Gegenteil“, hieß es weiter. Innerhalb der ersten paar Stunden nach der Veröffentlichung hätten Millionen von Menschen das Interview gesehen, betonte eine weitere regierungsnahe Quelle. Reichweite trumpfe Inhalt: Es sei daher „egal, wie die Fragen lauteten.“
Kremlsprecher Peskow bestätigt: Putin wolle „historische Vision“ an US-Amerikaner vermitteln
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Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte am Sonntag, dass das Interview mit Tucker Carlson darauf abzielte, die russische Invasion in der Ukraine vor einem US-amerikanischen Publikum zu rechtfertigen. Die Amerikaner wüssten „traditionell wenig“ über fremde Länder und Putin sei es daher wichtig, seine „historische Vision“ zu vermitteln, so Peskow. Auch prominente russische Militärblogger kommentierten, Putin habe in dem Interview nichts Neues gesagt und stellten das Gespräch als russischen Versuch dar, westliche Mainstream-Medien zu infiltrieren.
Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) analysierte, dass Putin weiterhin an der vollständigen Zerstörung der Ukraine als Staat interessiert sei und Feindseligkeit gegenüber dem Westen zeige. Inhaltlich habe der Präsident seine Informationskampagne wiederholt und versucht, Russland fälschlicherweise als „vernünftigen Akteur“ darzustellen. Das ISW geht weiterhin davon aus, dass Putin einen Waffenstillstand nutzen will, „um dem russischen Militär günstige Bedingungen für einen späteren, erfolgreicheren Krieg gegen die Ukraine zu schaffen“, hieß es in der Analyse vom vergangenen Donnerstag.