Pfingsthochwasser 1999: Als der Sylvenstein das Tölzer Land rettete

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Hochwasser-Tourismus: An Pfingsten 1999 kamen viele nach Bad Tölz, um die Reißende zu bestaunen. © Patrick Staar/Archiv

Zu Pfingsten 1999 kam die Flut. Anhaltender Regen ließ Flüsse und Bäche anschwellen. Der Sylvensteinspeicher verhinderte aber Schlimmeres.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Es war der bis dahin „größte Feuerwehreinsatz nach dem Krieg“, schrieb der Tölzer Kurier im Mai 1999. Hunderte Feuerwehrleute aus dem ganzen Landkreis kämpften beim Pfingsthochwasser vor 25 Jahren vor allem im Süden gegen das Wasser. Ergiebiger Dauerregen hatte in jenen Tagen die Isar, die Loisach und viele Bäche in reißende Ströme verwandelt. Straßen, Plätze und Keller standen unter Wasser. Letztere konnten mitunter nicht sofort ausgepumpt werden, weil das Grundwasser unablässig nachströmte. In Bad Tölz wurde die Rehgrabenbrücke unterspült, was einen Schaden von rund 150 000 Euro nach sich zog. Eine Mure verschüttete die Straße zwischen Vorderriß und Wallgau. In Kochel konnte das Klärwerk nur durch den beherzten Einsatz von 400 Helfern, die 80 000 Sandsäcke stapelten, gerettet werden.

Das Kochler Klärwerk retteten 400 Helfer und 80 000 Sandsäcke.
Das Kochler Klärwerk retteten 400 Helfer und 80 000 Sandsäcke. © Haderlein/Archiv

Bootsfahrer aus Wolfratshausen kommt um Leben

Jede Hilfe zu spät kam für einen Wolfratshauser. Er und drei andere Männer waren am Pfingstmontag in Lenggries in ein Schlauchboot gestiegen. Es kenterte bei den Stromschnellen auf Höhe der Isarburg. Drei Männer retteten sich ans Ufer. Der 56-jährige Wolfratshauser wurde Tage später tot am Tölzer Isar-Kraftwerk gefunden.

„Der Damm hat uns gerettet“

Natürlich hatte die Isar auch schon zuvor große Hochwasser geführt – beispielsweise 1977, 1965 und 1959. Doch nie lag der Wasserzufluss zum Sylvensteinsee auch nur annähernd so hoch wie 1999. Circa 950 Kubikmeter strömten in jenen Maitagen in der Spitze in den Speicher – an normalen Tagen sind es 10 bis 20. Der Sylvensteinsee war es letztlich auch, der das Tölzer Land vor Schlimmerem bewahrte. „Der Damm hat uns gerettet“, sagte damals Einsatzleiter Herbert Schölderle dem Tölzer Kurier. Dabei zahlte sich vor allem aus, dass das Wasserwirtschaftsamt eine umstrittene Dammerhöhung umgesetzt hatte.

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„Ab Ende der 1980er-Jahre hatten Planungen zur Nachrüstung des Sylvensteinspeichers begonnen, die den Bau einer zusätzlichen Hochwasserentlastungsanlage und eine Dammerhöhung um sechs Meter vorsahen“, blickt Tobias Lang, am Wasserwirtschaftsamt zuständig für den Speicher, zurück. Sechs Meter seien letztlich aber nicht durchsetzbar gewesen. Ab 1995 wurde eine „Kompromisslösung“ umgesetzt, die eine zusätzliche Hochwasserentlastung, eine Erhöhung des Damms um drei Meter und lokale Anpassungsmaßnahmen in Bad Tölz und München vorsah.

Umstrittene Dammerhöhung war glücklicherweise bereits fertig

Glücklicherweise waren die Dammerhöhung und das neue Entlastungsbauwerk – umgangssprachlich Tempel genannt – 1999 bereits fertig, sonst wäre dort Schicht im Schacht gewesen. Die Erhöhung sorgte dafür, dass 20 Millionen Kubikmeter Wasser mehr im Stausee zurückgehalten werden konnten. Und das war bitter nötig. Vor der Baumaßnahme konnte das Wasserwirtschaftsamt den See bis zu einer Seespiegelhöhe von 760 Metern über Normalnull aktiv steuern. Alles was darüber lag, wäre unkontrolliert in die Isar abgeflossen. 1999 stieg der Spiegel in der Nacht zum Pfingstsonntag (23. Mai) auf 762,85 Meter. Und stoppte damit 15 Zentimeter unter der neuen magischen Marke. Voller war der Speicher bislang nur 2013. Beim damaligen Juni-Hochwasser stieg der Pegel auf 762,95 Meter. „Die mit dieser Speichernachrüstung verbundenen Kosten liegen nach heutigen Werten bei rund 56 Millionen Euro – eine Investition, die in Relation zu möglichen Milliardenschäden im Isartal eher bescheiden ausfällt“, sagt Tobias Lang.

In der Nacht zum 23. Mai 1999 erreichte der Seespiegel im Sylvenstein 762,85 Meter über Meereshöhe. Bis zu einer Höhe von 763 Metern kann er aktiv gesteuert werden. Voller war der See nur beim Juni-Hochwasser 2013.
In der Nacht zum 23. Mai 1999 erreichte der Seespiegel im Sylvenstein 762,85 Meter über Meereshöhe. Bis zu einer Höhe von 763 Metern kann er aktiv gesteuert werden. Voller war der See nur beim Juni-Hochwasser 2013. © KHW/Archiv

Nach dem August-Hochwasser 2005 wurde der Seespiegel im Sommer abgesenkt

Letztlich habe sich aber bereits sechs Jahre später gezeigt, dass die Berechnungen der Fachleute, die eine Dammerhöhung um sechs Meter gefordert hatten, realistisch gewesen seien. Denn das August-Hochwasser 2005 stellte alles bis dahin Dagewesene in den Schatten. Sturzbachartige Regenfälle sorgten innerhalb kürzester Zeit für einen Zufluss zum Sylvenstein von 1100 Kubikmetern pro Sekunde. „Der Speicher konnte gerade noch bewirtschaftet werden“, sagt Lang. In der Folge wurde beschlossen, die Stauhöhe des Sees in den Sommermonaten um zwei Meter abzusenken. Das schaffte Platz für 7,5 Millionen Kubikmeter Wasser, die im Ernstfall zusätzlich zurückgehalten werden können. Die Absenkung ging allerdings zu Lasten der zweiten Funktion, die der Speicher hat: In Trockenperioden sorgt er dafür, dass immer ausreichend Wasser in der Isar fließt.

Sylvensteindamm wird Stück für Stück fit für die Zukunft gemacht

In den in den 1950er-Jahren in Betrieb genommenen Speicher und den Hochwasserschutz, den er bietet, wird kontinuierlich investiert. 2011 bis 2016 wurde der Damm fit für die Zukunft gemacht. Unter anderem wurden eine 70 Meter in die Tiefe reichende neue Dichtwand eingebaut und ein Kontrolltunnel am Fuß des Damms gegraben. In den Jahren danach wurde der Stahlwasserbau saniert. Dazu zählen alle Antriebe und Verschlusstafeln, mit denen die Wasserabgabe an die Isar gesteuert werden kann

Derzeit läuft wie Ende der 1980er-Jahre eine genaue Überprüfung der Talsperre. „Bei dieser Routineüberprüfung werden neben baulichen Aspekten der Talsperre auch naturwissenschaftliche Grundlagen wie die Hydrologie unter Berücksichtigung des Klimawandels überprüft. Ihr Ergebnis bleibt derzeit noch abzuwarten“, sagt Lang. Einzelne Maßnahmen sind aber bereits geplant. 2025 soll der Bau eines Wellenabweisers erfolgen. „Dazu wird ein etwa 25 Zentimeter hoher Winkel aus Beton auf die Dammkrone gesetzt.“ Dieser soll verhindern, dass Wellen, die gegen die Dammböschung geworfen werden, auf die dahinter liegende Fahrbahn überschwappen.

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