Thomas Manns Schreibzimmer: Von Bad Tölz nach Kalifornien

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Das Exilhaus von Thomas Mann: Jean Molitor und Kaija Voss vor einer Fotografie von Pacific Palisades in Kalifornien. © Birgit Botzenhart

Die Ausstellung im Tölzer Stadtmuseum zeigt Thomas Manns Arbeitsräume. Trotz der Unterschiede beeinflussten sie sein Werk kaum. Einblicke in eine faszinierende Architekturgeschichte.

Bad Tölz - Mit einem Kontrastprogramm wurde das diesjährige Thomas-Mann-Festival eröffnet: Gabriel von Seidl und der Bauhaus-Stil in unmittelbarer Nachbarschaft. Möglich macht das die Fotoausstellung im Tölzer Stadtmuseum „Architekten im Exil“, die bis Ende Juni geöffnet ist. Der international renommierte Fotograf Jean Molitor hielt mit seiner Kamera beide Thomas-Mann-Häuser fest, das in Bad Tölz und das in Kalifornien (USA).

Tölzer Schreibzimmer von Thomas Mann war winzig

Das Tölzer Schreibzimmer von Thomas Mann war winzig im Vergleich mit jenem im Exil, in Pacific Palisades, Kalifornien (USA). Hugo Roeckl, Neffe von Gabriel von Seidl, war 1909 der Architekt des Sommerhauses an der Ludwig-Thoma-Straße. Gemütlich alpenländisch ist es geprägt, mit kleinen Zimmern, Sitzecken, Dachschrägen, gedrechselten Holzmöbeln und einer elegant gewundenen Treppe. Den Kontrast dazu bildet das amerikanische Anwesen „Seven Palms“ von Ralph Davidson von 1942: Lichtdurchflutete, weite Räume. Hinter Manns Schreibtisch nimmt ein Bücherregal die gesamte Wand ein, die Möbel sind funktional nüchtern.

Schau mit vergleichenden Raumansichten

Im Buch „Das Thomas Mann House. Politischer Denkort am Pazifik“ sind Molitors Fotografien abgedruckt. Eine Vitrine im ersten Ausstellungsraum beinhaltet mehrere Bücher. Die Schau bietet einmalige vergleichende Raumansichten, denn das Tölzer Thomas Mann-Haus gehört den Armen Schulschwestern und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nach Pacific Palisades gelangen nur ausgewählte Teilnehmer eines Fellowship-Programms. Die Größe der Räume spielte für Manns Werk keine Rolle. Kuratorin Kaija Voss erklärte in ihrem Vortrag, dass der Schriftsteller in Bad Tölz an Romanen wie „Der Tod in Venedig“ und „Königliche Hoheit“ arbeitete. Nicht zuletzt wurde das zentrale Kapitel „Schnee“ im „Zauberberg“ inspiriert von einem schneereichen Winter im Kurort.

Fotografien zeigen auch Gebäude in Afrika und Südamerika

Die Ausstellung „Architekten im Exil“ zeigt die weltweite Ausbreitung des Bauhaus-Stils, weil die Künstler wegen des Nationalsozialismus Deutschland verlassen mussten. Voss führte aus: „Wer Flachdächer plante, wurde diffamiert.“ 30 Häuser wählte Fotograf Molitor aus. Tel Aviv gilt als die Hauptmetropole mit bis heute 4000 Bauten. Molitors Fotografien zeigen auch Gebäude in Afrika und Südamerika. Ab 1950 kehrte das Bauhaus zurück nach Deutschland, darunter mit dem bedeutendsten Vertreter Mies van der Rohe.

Blick aus dem Fenster des Stadtmuseums: Bauhaus und Markstraße im direkten Vergleich.
Blick aus dem Fenster des Stadtmuseums: Bauhaus und Markstraße im direkten Vergleich. © Birgit Botzenhart

Kunst dieser Fotografie zieht in den Bann

Die Schau verwirrt die Sichtgewohnheiten. Beim Anblick der ersten Fotografien stellt sich gewisse Ernüchterung ein: große weiße Hauswände ohne Fenster, klare, strenge Linien, streng rhythmisch unterbrochen, Verzicht auf jegliches Dekor wie Malerei oder Stuck. Die Kunst dieser Fotografie zieht aber mächtig in ihren Bann. Molitors Auge dafür ist geschult wie nur wenige. Tritt ein Besucher danach wieder hinaus auf die Markstraße im Stile Gabriel von Seidls, wirkt diese Architektur tatsächlich überladen. Aber nur kurz. Katja Manns Äußerung über ihr neues Heim in Kalifornien fasst das Gefühl passend zusammen: „Jetzt haben wir ein modernes Haus. Aber wir mögen es dennoch.“

(Birgit Botzenhart)

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