BU-Rente: Pauschalformel oder individueller Bedarf?
Wer sich mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) beschäftigt, steht schnell vor der entscheidenden Frage: Wie hoch sollte Ihre BU-Rente sein?
Oft stößt man auf die Pauschalformel „70–80 Prozent des Nettoeinkommens“. Doch diese grobe Richtlinie greift zu kurz. Denn: Ihr Leben ist nicht pauschal – warum also Ihre Absicherung?
Über Bastian Kunkel
Bastian Kunkel ist Gründer der Marke „Versicherungen mit Kopf“ und betreibt die größten unabhängigen Versicherungs-Kanäle in Deutschland auf YouTube, Instagram und TikTok mit über 850.000 Followern. Sein Unternehmen, die VMK Versicherungsmakler GmbH, ist einer der bestbewerteten Versicherungsmakler in Deutschland auf Google mit über 1.200 5-Sterne-Bewertungen und bietet deutschlandweite Online-Beratungen an. Er ist gelernter Kaufmann für Versicherungen und Finanzen, Finanzfachwirt, Jungmakler Award Gewinner 2017, Bildungspreisträger 2018 sowie Spiegel-Bestseller-Autor.
Wichtige Erkenntnisse auf einen Blick
- Die 70–80 Prozent-Formel ist nicht falsch, aber zu pauschal.
- Individuelle Lebensumstände sind entscheidend für die passende Rentenhöhe.
- Im Leistungsfall fallen Steuern und Krankenversicherungsbeiträge an.
- Es erfolgen keine Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung mehr → private Vorsorge wird notwendig.
- Eine zu niedrige BU-Rente kann mit Sozialleistungen komplett verrechnet werden – also de facto sinnlos.
- Nachversicherungsgarantien und Dynamiken ermöglichen spätere Anpassungen.
Warum der Staat nicht hilft
Viele glauben fälschlicherweise, dass sie im Fall einer Berufsunfähigkeit staatlich abgesichert seien. Die Realität: Der Staat zahlt bei Berufsunfähigkeit nichts – lediglich bei Erwerbsminderung, und auch das nur unter strengen Voraussetzungen.
Ein Anspruch auf eine echte staatliche Berufsunfähigkeitsrente besteht nur für Menschen, die vor dem 02.01.1961 geboren wurden.
„Berufsunfähig = weniger Ausgaben“ – ein Trugschluss
Das Gegenteil ist oft der Fall: Wer berufsunfähig ist, hat mehr Zeit – und Zeit kostet Geld. Hobbys, Reisen, soziale Aktivitäten – all das bleibt oft erhalten oder wird sogar intensiver.
Auch wenn Sie nicht mehr arbeiten können, laufen viele Kosten weiter: Miete, Versicherungen, laufende Verträge und vor allem Ihre private Altersvorsorge.
Denn: Bei Berufsunfähigkeit zahlen Sie nicht mehr in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Ihre spätere gesetzliche Rente sinkt. Daher wird es umso wichtiger, weiter privat vorzusorgen – und das sollte bei der Höhe Ihrer BU-Rente unbedingt berücksichtigt werden.
Was Sie bei der Berechnung beachten sollten
Die passende BU-Rente ergibt sich aus einer realistischen Betrachtung Ihrer monatlichen Ausgaben. Dazu zählen:
- Lebenshaltungskosten (Miete, Essen, Mobilität)
- Laufende Verpflichtungen (Leasing, Kredite, Sparverträge)
- Private Altersvorsorge
- Gegebenenfalls Steuern und Krankenversicherungsbeiträge
Tipp: Sichern Sie lieber etwas mehr ab als zu wenig (natürlich innerhalb der zulässigen Grenzen), denn 200 Euro zu wenig pro Monat können langfristig große finanzielle Nachteile bedeuten.
Steuern & Krankenversicherung – nicht vergessen
Je nach Vertragsgestaltung kann Ihre BU-Rente steuerpflichtig sein, vor allem wenn sie als Leibrente ausgezahlt wird.
Auch Beiträge zur Krankenversicherung können anfallen – insbesondere bei gesetzlich Versicherten mit freiwilliger Mitgliedschaft oder bei Privatversicherten.
Diese Kosten sollten Sie bei der Wahl Ihrer BU-Rentenhöhe zwingend einplanen.
Wie viel dürfen Sie überhaupt absichern?
Versicherer setzen in der Regel Obergrenzen:
- Meist 60–80 Prozent des Bruttogehalts
- Bei Studenten häufig fixe Beträge bis ca. 2.000 Euro
- Ab einer BU-Rente von ca. 2.500 Euro monatlich ist meist eine umfassende Gesundheitsprüfung erforderlich (je nach Versicherer auch erst ab 3.000 Euro)
Wichtig zu wissen: Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Summenversicherung, das heißt: Im Leistungsfall erhalten Sie die vereinbarte Rente, unabhängig davon, ob Sie mittlerweile zum Beispiel in Teilzeit gearbeitet haben oder Ihr Einkommen gesunken ist.
Warum eine zu niedrige BU-Rente ein Eigentor ist
Wenn Sie zum Beispiel nur 800 Euro BU-Rente absichern, aber Anspruch auf 900 Euro Bürgergeld hätten, wird Ihre BU-Rente voll angerechnet – Sie erhalten also keinen Cent zusätzlich. Ergebnis: Sie haben jahrelang umsonst Beiträge gezahlt.
Wichtig: Arbeitslosengeld I und Erwerbsminderungsrente werden nicht auf die BU-Rente angerechnet. Dennoch: Die EM-Rente ist schwer zu bekommen, daher sollten Sie sie bei der Planung nicht mit einrechnen.
Grenze von 2.500 Euro: Gesundheitsprüfung beachten
Bei BU-Renten über 2.500 Euro verlangen viele Versicherer eine erweiterte Gesundheitsprüfung, teilweise inkl. ärztlicher Untersuchung.
Tipp: Um das zu umgehen, können Sie die Absicherung aufteilen – zum Beispiel 2.000 Euro bei Anbieter A, 1.000 Euro bei Anbieter B. So umgehen Sie die Prüfpflicht und gewinnen zusätzliche Flexibilität.
BU-Rente erhöhen – so bleiben Sie flexibel
Zwei wichtige Stellschrauben für Ihre Absicherung:
- Nachversicherungsgarantie: Bei bestimmten Lebensereignissen (zum Beispiel Gehaltserhöhung, Heirat, Geburt eines Kindes) können Sie Ihre BU-Rente ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen.
- Dynamik: Die BU-Rente steigt automatisch jährlich um einen festen Prozentsatz (meist 3–5 Prozent) – ein wirksamer Schutz gegen Inflation. Sie können die Erhöhung auch ablehnen, meist zweimal in Folge.
Tipp: Zwei BU-Verträge bedeuten oft auch doppelte Nachversicherungsoptionen – ein echter Vorteil, wenn sich Ihre Lebensumstände verändern.
Fazit: BU-Rente ist keine Gefühlssache – sondern Rechenarbeit
Wer sich auf eine pauschale Lösung verlässt, riskiert im Ernstfall finanzielle Engpässe. Die richtige Höhe Ihrer BU-Rente hängt von Ihrem Lebensstil, Ihren Verpflichtungen und Ihrer Vorsorgeplanung ab – und nicht von einer fixen Prozentzahl.
Merksatz:
Individuell absichern – realistisch planen – flexibel bleiben. Nur so schützt Sie Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung wirklich, wenn es darauf ankommt.
Lesetipp (Anzeige)
"Total ver(un)sichert: Was du mit 18 über Versicherungen wissen solltest, aber mit 30 immer noch nicht weiß" von Bastian Kunkel.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.