Fünfmal so viele Demonstranten wie angemeldet: Bad Tölz setzt „superstarkes Zeichen“ gegen Rechts

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Bad Tölz setzt „superstarkes Zeichen“ gegen Rechts: Zahl der Demonstranten um ein Vielfaches höher als angenommen

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Zeichen gegen Rechts: Die Demonstranten in Bad Tölz zogen über die Isarbrücke. © Andreas Steppan

Zu einer kurzfristig angemeldeten Demonstration in Bad Tölz unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts“ kamen nach Schätzung der Polizei rund 1500 Menschen.

Bad Tölz – Als Mario Hentrich sah, wie viele Menschen am Sonntag gegen 14 Uhr zum Winzerer-Denkmal strömten, da sei ihm vorübergehend das Herz in die Hose gerutscht, gibt er zu. Eine Demonstration mit rund 200 Teilnehmern hatte der 38-jährige Familienvater aus Bad Tölz kurzfristig angemeldet. Am Ende waren es rund fünfmal so viele. Die Polizei schätzt die Zahl der Demonstranten, die unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts“ auf die Straße gingen, auf 1500. Einige Teilnehmer vor Ort gingen davon aus, dass es noch einmal deutlich mehr waren, nämlich deutlich über 2000.

Einzelner Bürger hatte Demonstration angemeldet

„Es freut mich riesig, dass Tölz so zusammensteht“, rief Hentrich seinen vielen Mitstreitern zum Auftakt zu. Er sei stolz, dass es den Bürgern der Stadt gelungen sei, in so kurzer Zeit für eine so große Demonstration zu mobilisieren, meinte er wenig später im Gespräch mit unserer Zeitung. Das sei „ein superstarkes Zeichen“. Die Veranstaltung angemeldet hatte Hentrich, der politisch bis dahin nicht in Erscheinung getreten war, wie berichtet als Einzelperson.

Zum Auftakt der Demonstration unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts“ versammelten sich hunderte Menschen am Winzerer-Denkmal in der oberen Marktstraße.
Zum Auftakt der Demonstration unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts“ versammelten sich hunderte Menschen am Winzerer-Denkmal in der oberen Marktstraße. © Hias Krinner

Viele Bürger waren ihm offenbar dankbar, dass er ihnen eine Gelegenheit gab, für Demokratie und gegen Rechtsextreme auf die Straße zu gehen, ohne dafür bis zur Großdemo nach München fahren zu müssen.

„Es ist Zeit, Stellung zu beziehen“, sagte Demonstrantin Sandra Kunz (52) aus Bad Tölz. „Es nutzt nichts, nur still zu Hause zu sitzen.“ Sie nehme an der Demo teil, weil sie unzufrieden mit den rechten Tendenzen im Land sei. „Ich möchte, dass Deutschland ein hilfsbereites, offenes Land bleibt, in dem es keinen Platz gibt für Ausländerfeindlichkeit und Homophobie.“

Zum Demonstrieren nach Bad Tölz statt nach München

Mit drei verschiedenen Transparenten war die Tölzer Familie Mohaupt zu der Demonstration angerückt. „Meine Freunde haben alle Farben der Welt“ war auf einem davon zu lesen, verziert mit einem gemalten Regenbogen. „Klare Kante – Nazis raus“ und „Nazis hatten wir schon mal – war Kacke“ lauteten weitere Botschaften.

Generationenübergreifend: Familie Mohaupt aus Tölz ging zu viert für die Demokratie auf die Straße.
Generationenübergreifend: Familie Mohaupt aus Tölz ging zu viert für die Demokratie auf die Straße. © Andreas Steppan

„Es ist schön, wenn man sieht, dass man nicht alleine ist und dass so viele Menschen zusammen für die Demokratie einstehen“, freute sich Marcel Mohaupt über die starke Beteiligung. Eigentlich habe die Familie vorgehabt, Kundgebung nach München zu fahren. „Aber wir wollten auch hier vor Ort ein Zeichen setzen.“

Seinen Kindern wolle er bewusst vermitteln, wie wichtig es sei, in der Demokratie seine Meinung zu sagen. Und die seines Sohnes Leopold (10) lautet: „Ich möchte, dass die Demokratie erhalten bleibt und dass die AfD nicht an die Macht kommt.“

Es passt mir überhaupt nicht, wenn in Deutschland völkische und rassistische Parolen gesagt werden dürfen. Ich bin heute hier, um zu widerlegen, dass eine schweigende Mehrheit das toleriert.

Unter die Demonstranten mischten sich auch eine Reihe von Tölzer Stadträten, darunter Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU). „Ich finde es wichtig, dass auch außerhalb der Zentren in kleineren Städten so etwas stattfindet und in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen Stadt und Land erkennbar ist“, sagte er.

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Demonstrantin Ilse Raeder aus Lenggries erklärte: „Es passt mir überhaupt nicht, wenn in Deutschland völkische und rassistische Parolen gesagt werden dürfen. Ich bin heute hier, um zu widerlegen, dass eine schweigende Mehrheit das toleriert.“ Weil sie sich oft die Frage stelle, was man als Einzelner dagegen tun könne, sei sie sehr froh, dass ein Veranstalter die Initiative ergriffen habe. Auf ihr Plakat schrieb Ilse Raeder: „Demokratie bewahren, nicht zurückholen“ – in Anspielung auf Hubert Aiwangers Wähler) viel kritisiertes Zitat, die Mehrheit im Land müsse sich die „Demokratie zurückholen“.

Demonstrationszug durch Marktstraße und über Isarbrücke

Demonstrant Andreas Urban aus Lenggries lag es am Herzen, ein klares Zeichen auch an die „Parteien der sogenannten Mitte“ auszusenden. „Sie sollen merken, dass es sich nicht lohnt, am rechten Rand zu fischen.“

„Hass ist keine Meinung“, hatte Demonstrantin Helena Rössel auf einen Pappkarton geschrieben.
„Hass ist keine Meinung“, hatte Demonstrantin Helena Rössel auf einen Pappkarton geschrieben. © Andreas Steppan

Für Helena Rössel aus Wolfratshausen war die Motivation, mit auf die Straße zu gehen, schlicht: „Ich möchte, dass meine Kinder und Enkelkinder in Frieden und Freiheit aufwachsen – nichts anderes.“ Deswegen hatte sie den Spruch „Hass ist keine Meinung“, versehen mit einem dicken, roten Ausrufezeichen, auf einen Pappkarton geschrieben.

Die Demonstration, bei der Menschen aller Altersgruppen zu sehen waren, setzte sich vom Treffpunkt Winzerer-Denkmal aus ruhig und geordnet in Richtung Hindenburgstraße in Bewegung. Der Zug führte die Nockhergasse hinunter, über die Isarbrücke und umrundete den Kreisverkehr am Amortplatz. Dabei kam es kurzzeitig zu leichten Verkehrsbehinderungen.

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