Deutschlands „skandalös niedrige“ Militärausgaben: „Aus historischer Betrachtung vollständig bizarr“

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Der Ukraine-Krieg hat Deutschland wieder dazu bewegt, mehr Geld in die marode Bundeswehr zu stecken. (Archivbild) © Federico Gambarini/dpa

Der Ukraine-Krieg hat Deutschland wieder dazu bewegt, mehr Geld in die marode Bundeswehr zu stecken. Doch ist das genug? Auf der Sicherheitskonferenz hagelt es Kritik.

Brüssel – Der russische Einmarsch in die Ukraine hat Deutschland aufgeschreckt – und dazu gebracht, wieder mehr Geld in das eigene Militär zu stecken. So hat Deutschland der Nato erstmals seit drei Jahrzehnten wieder geplante Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemeldet. Kritik gibt es trotzdem.

Militärausgaben: Ein von Deutschland „verpasster Wendepunkt“?

Bei Deutschland trete im Vergleich zu anderen westlichen Industrienationen noch stärker hervor, dass seine Militärausgaben nicht im Einklang mit der starken Zunahme der geopolitischen Risiken stünden. Das legt laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Analyse des Ökonomen Christoph Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtschaft nahe, die er auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt hat.

Dort geht auch der in den Vereinigten Staaten lebende britische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson mit Deutschland hart ins Gericht. Er bezeichnete laut FAZ die deutschen Verteidigungsausgaben als „skandalös niedrig“ und als „aus historischer Betrachtung vollständig bizarr“. Weiter sagte Ferguson: „Wie die Revolution des Jahres 1848 wird die Zeitenwende zu einem von Deutschland verpassten Wendepunkt.“ Er fordert, dass die Regierung in der Gesellschaft Überzeugungsarbeit leisten soll, dass solche Ausgaben wichtig für das Land seien. Ferguson hält es für sinnvoll, wenn Deutschland 3,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für seine Verteidigung ausgeben würde.

Verteidigungsausgaben: Deutschland meldet Rekordsumme an Nato

Tatsächlich ist die Bundesregierung auch tätig geworden und steckt mehr Geld in die Verteidigung – und erfüllt zwar nicht Fergusons Vorstellungen, dafür aber das Nato-Ziel: Nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur übermittelte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Betrag, der umgerechnet in Vergleichszahlen des Verteidigungsbündnisses einer Summe von 73,41 Milliarden Dollar entspricht. Dies ist für Deutschland in absoluten Zahlen ein Rekordwert und würde nach aktueller Nato-Prognose eine BIP-Quote von 2,01 Prozent bedeuten.

In der Vergangenheit war Deutschland nach Dokumenten aus dem Nato-Archiv zuletzt 1992 auf Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gekommen. In den Jahren des Kalten Krieges hatte die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.

Das derzeit gültige Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben sieht vor, dass die Bündnismitglieder dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investieren. Es wurde im vergangenen Sommer angesichts der Bedrohungen durch Russland beschlossen. Das bis dato gültige Ziel sah lediglich vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben.

Mit Sondervermögen zur Nato-Quote – doch was kommt danach?

Ermöglicht wird die massive Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben derzeit durch ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Dieses wird allerdings voraussichtlich 2027 aufgebraucht sein. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) drängt deswegen darauf, schnell einen Plan zu entwickeln, wie Deutschland dauerhaft die Nato-Zielvorgaben erreichen kann.

„Wir haben die Zusage des Kanzlers, dass wir bis in die 2030er-Jahre hinein mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren“, sagte Pistorius jüngst dem Spiegel. Das absehbare Auslaufen des Sondervermögens müsse sich in der Finanzplanung niederschlagen.

Mit Material der dpa

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