Waffen oder Bürgergeld und Rente? Kürzungsdebatte um Nato-Ausgaben entfacht neuen Ampel-Streit

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Auf der Münchener Sicherheitskonferenz spricht sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für mehr Ausgaben in die Rüstung aus - auch nach Auslaufen des Sondervermögens. Muss die Regierung am Sozialetat sparen?

München – Kaum ist der Bundeshaushalt 2024 endlich beschlossen, geht es in der Ampel-Koalition mit der nächsten Debatte ums Geld weiter. Diesmal geht es um die Frage nach Verteidigungsausgaben, die - wenn Deutschland seine Verpflichtungen als Nato-Mitglied einhalten will - früher oder später aus dem regulären Haushalt finanziert werden müssen. Aktuell werden viele Investitionen aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen finanziert, das aber 2028 auslaufen wird.

Danach müsse Deutschland, so sagt es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Münchener Sicherheitskonferenz, aus dem allgemeinen Haushalt weiterhin hohe Verteidigungsausgaben geben. „Deutschland investiert dieses Jahr und auch in den kommenden Jahren, in den Zwanziger-, den Dreißigerjahren und darüber hinaus, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung“, sagte Scholz am Samstag auf der Siko.

Höhere Verteidigungsausgaben führen zu noch mehr Sparzwang

„Mein Ziel ist es, dass wir nach dem Auslaufen des Sondervermögens die Ausgaben für die Bundeswehr aus dem allgemeinen Haushalt finanzieren“, sagte Scholz der Süddeutschen Zeitung am Wochenende. „Wenn wir zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, um unsere Sicherheit zu bewahren, Frieden, Demokratie, Rechtsstaat und unseren Wohlstand zu sichern, verstehen das die allermeisten, davon bin ich überzeugt“, so Scholz weiter. Denn um diese Haushaltsausgaben zu tätigen, müsse man schließlich an anderer Stelle sparen.

Wie der Spiegel berechnet hat, würde das 2028 Ausgaben von fast 108 Milliarden Euro entsprechen. Aktuell gibt der Bund 52 Milliarden Euro für die Verteidigung aus.

Damit eröffnet der Kanzler erneut eine Verteilungsdebatte. Denn wer die Verteidigungsausgaben verdoppeln will, und gleichzeitig die Schuldenbremse einhält, muss irgendwo anders sparen. Der größte Etat des Bundes ist noch immer der Sozialetat, fast 40 Prozent der Staatsausgaben fließen dorthin. Größter Posten dort ist die Rentenversicherung, 2024 plant die Bundesregierung 127,3 Milliarden in die Rente zu stecken. Weitere 47 Milliarden Euro gehen in Sozialleistungen.

Fortsetzung 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während der 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). © Felix Hörhager/dpa

SPD und Grüne sind entsprechend alarmiert über die Aussagen des Kanzlers, und pochen weiter auf das Aussetzen der Schuldenbremse. Dem Spiegel sagt der SPD-Politiker Adis Ahmetovic: „Um dieser Aufgabe (Stärkung der Bundeswehr, Anm. d. Red.) nachzukommen und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt in unserem Land mit allen notwendigen Investitionen zu garantieren, wird ein Aussetzen der Schuldenbremse immer unausweichlicher“.

Auch der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner warnte dem Magazin zufolge davor, innere und äußere Sicherheit gegeneinander auszuspielen. „Deshalb sind entweder ein Sondervermögen für die Modernisierung unseres Landes oder zumindest eine Reform der Schuldenbremse notwendig“. Und die stellvertretende Grünen-Abgeordnete, Agnieszka Brugger, sagte: „Ich kann nur eindringlich vor einer weiteren verheerenden Kürzungsdebatte warnen.“ Und weiter: „Ich sehe da null Spielräume, wenn wir den Wohlstand, unsere Sicherheit und den Konsens in der Gesellschaft in diesen ernsten Zeiten nicht gefährden wollen“.

Lindner will Investitionen in Rüstungsindustrie erleichtern

Derweil hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Siko angekündigt, Investitionen in die Rüstungsindustrie erleichtern zu wollen. „Regulatorische Hürden in der EU und Deutschland werden wir abbauen“, so Lindner der Nachrichtenagentur Reuters. Eine „zweite Zeitenwende“ sei nötig, damit die Rüstungsindustrie die Investitionen erhalten, die angesichts der Sicherheitslage in Europa nötig seien. Auch Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) betonten, dass ein Ausbau der Kapazitäten nötig sei. Der Rüstungskonzern Rheinmetall kündigte in München an, dass er Artilleriemunition in der Ukraine produzieren will.

„Der Staat ist zwar Auftraggeber und Kunde der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, aber dennoch benötigen die Unternehmen private Investitionen und Finanzierungen“, sagte der FDP-Chef zu Reuters. „Deshalb ist eine zweite Zeitenwende nötig, die die Reputation und Rahmenbedingungen für die Industrie verbessert.“ Am Rande der Konferenz habe es dazu Gespräche mit Vertretern des Finanzsektors und der Sicherheitsindustrie gegeben, hieß es aus dem Finanzministerium.

Hintergrund ist, dass es zum einen bei etlichen Versicherungsfonds oder Entwicklungsbanken Beschränkungen gibt, nicht in den militärischen Bereich investieren zu dürfen. Dazu kommt aber auch die Sorge einiger Investoren vor einem Imageverlust und öffentlicher Kritik, wenn sie in Rüstungsfirmen investieren. Gleichzeitig steigt angesichts des stark gestiegenen Bedarfs an neuen Waffen und Munition aber der Kapitalbedarf der Branche. Kanzler Scholz hatte bereits angemahnt, dass man Waffen künftig in Deutschland im industriellen Maßstab herstellen müsse.

„Zugleich gibt es die klare Botschaft, dass die Bundesregierung hinter diesem Sektor steht. Banken, Versicherungen und Fonds sollten Engagements nicht mehr scheuen, weil sie um ihr Bild in der Öffentlichkeit fürchten“, sagte Lindner. Scholz hatte sich bereits zu Langfrist-Verträgen mit Rüstungsfirmen bekannt, damit diese neue Fabriken für Waffen und auch Munition aufbauen.

Der Kanzler spielte mit Blick auf die seit Jahren erfolgende russische Aufrüstung darauf an, dass der Westen wirtschaftlich stärker sei und dies nun auch zeigen müsse. Auch wenn Russland alle Einnahmen aus seinen Rohstoffverkäufen aufwende, werde es dem Land nicht gelingen, die Zahlen erreichen zu können, die die Europäer gemeinsam für Verteidigung ausgeben könnten. „Einfach deswegen, weil unser Wirtschaftssystem erfolgreich ist“, sagte Scholz.

Mit Material von Reuters

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