Scholz gegen SPD-Fraktion: Streit um Schuldenbremse kocht hoch – doch offen wird er nicht geführt

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Teile der SPD beginnen den Genossen Kanzler Scholz vor sich her zu treiben. Die Schuldenbremse soll fallen, so will es die Fraktion. Rote Länderchefs rütteln an Agrarkürzungen.

Berlin/München – Das Papier 20/243 trägt auf der Titelseite einen fett gedruckten Warnhinweis: „Nur zur internen Verwendung!“ Nun ja, ganz intern ist der Vermerk nicht mehr, in den größten Zeitungen der Republik verursacht er dicke Schlagzeilen – wie „SPD will Schuldenbremse reformieren“ und „Scholz gegen den Rest der Genossen“.

Vermerk 20/243 sammelt Eckpunkte, wie der Bund künftig haushalten soll; geschrieben von SPD-Finanzpolitikern für die SPD-Winterklausur ab heute in Berlin. Das Papier ist spannend, weil es eine Kehrtwende verlangt. Die Schuldenbremse soll aufgeweicht werden, sie sei „in ihrer jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß. Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen.“ Schulden seien nicht per se schlecht, sie müssten „so eingesetzt werden, dass sie volkswirtschaftlich sinnvoll sind“.

Scholz mützenich bas bundestag
2021 hatte Olaf Scholz noch etwas zu lachen. 2023 treibt Fraktionschef Rolf Mützenich (deutlich links) den Kanzler vor sich her. © TOBIAS SCHWARZ/AFP

Streit um Schuldenbremse: SPD-Bundestagsfraktion gegen Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner

Die Schuldenbremse sagt derzeit: Der Bund darf nur 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Zu den Fans gehört Finanzminister Christian Lindner, FDP – aber auch sein Vorgänger Olaf Scholz, SPD. Der heutige Kanzler wird von seiner eigenen Fraktion unter Druck gesetzt, die Regeln zu lockern und Investitionen stärker fremdzufinanzieren. Das geht weit über die Pläne der Koalition hinaus, für einzelne Krisen und Katastrophen, etwa Hochwasser, die Schuldenbremse für ein Jahr auszusetzen.

„Wir müssen mehr investieren, bis zu 50 Milliarden Euro jährlich“, mahnt der SPD-Haushaltspolitiker Michael Schrodi, ein Bayer. „Das ist eine Standortfrage.“ Er erinnert an aggressive Investitionsprogramme und Industriepolitik in den USA und China. Schrodi führte die Feder für eine ähnliche Passage im Leitantrag für den Bundesparteitag im Dezember. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Parteitagspapier ist geduldig, nun aber geht es um Abgeordnete, die konkret über Politik entscheiden. Fraktionschef Rolf Mützenich steht voll dahinter. Mehr noch: Er will damit in die Schlacht ziehen. „Die Frage der Schuldenbremse gehört sowohl in den Wahlkampf, aber eben auch auf die Agenda der deutschen Politik“, sagt Mützenich.

Nicht mal die CDU steht geschlossen hinter der Schuldenbremse – Merz bleibt aber stur

Offen will keiner von links den Kanzler anrempeln, als Adressat wird die FDP genannt. „Ich finde nicht, dass wir der Ampel schaden, wenn wir als selbstbewusste Fraktion gegenüber den Koalitionspartnern unsere Position schärfen“, sagt die SPD-Abgeordnete Carolin Wagner. Dissens dazu haben andere Parteien auch. Die Union etwa, in der die CSU und CDU-Chef Friedrich Merz strikt an der Schuldenbremse festhalten, einzelne Länderchefs sie kippen wollen.

In der Politik gilt die alte Regel, dass Widerspruch erst dann gefährlich wird, wenn er aus der eigenen Partei kommt. Das passiert Scholz nun auch bei den Kürzungen für Landwirte. Hier stellen sich mehrere Ministerpräsidenten der SPD frontal gegen Scholz. Manuela Schwesig, Anke Rehlinger und Stephan Weil fordern offen die Rücknahme der Beschlüsse.

Knapp die Hälfte der SPD-Wähler will Kanzlerwechsel – Pistorius soll übernehmen

Scholz bleibt vorerst in dieser Frage aber hart. Oder, wie die FAZ schreibt, er neige wie einst Angela Merkel „zur Hartleibigkeit, wenn er unter Druck gesetzt wird“. Der Kanzler sagte am Dienstagabend jedenfalls: „Die Bundesregierung steht dazu.“ Bei einem Subventionsabbau gebe es immer Gegner, die sagen, „aber nicht diese“. Auch vor einem Treffen mit Landwirten am Mittwochabend bekräftigte ein Sprecher Scholz’ Haltung.

Braut sich da was über dem Kanzler zusammen? Vorerst dürfte das weit übertrieben sein. Sakrosankt ist Scholz in seiner SPD aber nicht. Just am Montag kam eine Umfrage raus, wonach eine knappe Mehrheit der SPD-Wähler (47,9 zu 47,1) Boris Pistorius, also den aktuellen Verteidigungsminister, für den besseren Kanzler hielten. Ein Liebling der Linkeren in der SPD ist Pistorius allerdings auch wahrlich nicht.

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