Steht die Landkreis-SPD geschlossen hinter Scholz?
An der SPD-Basis im Landkreis wollen einige die K-Frage gar nicht diskutieren, andere sprechen sich offen für Boris Pistorius aus: Das sagen Lokalpolitiker zur Lage ihrer Partei.
Bad Tölz-Wolfratshausen - Mit welchem Kanzlerkandidaten zieht die SPD in die Bundestagswahl? Olaf Scholz sollte als Amtsinhaber eigentlich gesetzt sein, doch in der Partei mehren sich mittlerweile die Stimmen, die sich für den populären Verteidigungsminister Boris Pistorius aussprechen. Auch an der Parteibasis im Landkreis gehen die Meinungen auseinander. Und einige möchten die Debatte am liebsten überhaupt nicht öffentlich führen.
Berchtold schätzt beide Persönlichkeiten
Zum eher konservativen Teil der SPD zählt sich Reiner Berchtold. Der Wolfratshauser Ex-Bürgermeister ist sich, was die Kandidatenfrage betrifft, noch unschlüssig. Einerseits schätzt er Olaf Scholz, weil der Entscheidungen bedächtig treffe und kein Aktivist sei. Andererseits habe sich Boris Pistorius mit seiner „sehr soliden und guten Arbeit“ Anerkennung erarbeitet. Seit Monaten ist der Verteidigungsminister in Meinungsumfragen der beliebteste deutsche Politiker – und mit weitem Abstand Spitze im Ampel-Kabinett. Zudem findet Berchtold, dass sich der Verteidigungsminister in der Öffentlichkeit besser darstelle. Alles in allem: Berchtold hält Pistorius für geeigneter. Trotz㈠dem: „Ich denke, ein Wechsel bringt nicht das, was man sich erhofft.“ Er fände es gut, wenn Pistorius Verteidigungsminister bleibe. Der ehemalige Polizist Berchtold wünscht sich Kontinuität für die Bundeswehr.
Wagner: „Ich stehe hinter Scholz“
Die Vorsitzende der Ickinger SPD-Ortsgruppe Beatrice Wagner will die Diskussion nicht weiter anheizen und sich deshalb gar nicht zur K-Frage äußern. Schließlich habe die SPD bereits einen Kanzlerkandidaten. Ihr gefalle Scholz‘ „bedächtige Zurückhaltung“ beim Thema Taurus-Lieferungen in die Ukraine. Die Gemeinderätin sagt: „Ich stehe hinter Scholz.“ Auch deshalb, weil sie es als „unwürdig“ empfindet, „100 Tage vor der Wahl Personaldebatten zu führen“.
An keiner öffentlichen Debatte beteiligen möchte sich auch der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Barthel aus Kochel am See. „Diese Befragung kann nicht über die Medien erfolgen, weil wir das innerhalb der Partei diskutieren“, sagt er auf Anfrage.
Raffael Joos bekennt sich zu Scholz
Raffael Joos aus Wolfratshausen, SPD-Direktkandidat für die Bundestagswahl und Vorsitzender der Jusos Oberland, hält die Personaldebatte für eine „massive Medienkampagne“. Deren Umgang mit dem Kanzler sei unfair. Zumal Minister Pistorius bisher keine Ambitionen gezeigt habe, als Kanzlerkandidat anzutreten. Seiner Meinung nach könne die SPD mit Scholz an der Spitze einen „starken Wahlkampf“ abliefern. „Wir brauchen keine Debatte führen. Olaf Scholz ist zu 100 Prozent geeignet.“
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„Ganz klar“ ist die Kandidatenfrage für Michael Ernst, den Tölzer Ortsvorsitzenden der SPD, zu beantworten: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zur Verfügung gestellt, und da stehe ich voll dahinter.“ Da die Frage geklärt sei, wolle er sich nicht an Personaldebatten beteiligen. „Wir haben einen Kandidaten, den unterstützen wir und stehen als SPD geschlossen hinter ihm“, erklärt Ernst.
Lenggrieser SPD-Chef für Pistorius
Nicht mit seiner Meinung hinterm Berg hält Tobias Raphelt, Vorsitzender der Lenggrieser SPD. Er spricht sich für Boris Pistorius als sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten aus, „weil er in der jetzigen Situation die besseren Aussichten hätte“. Da die amtierende Regierung nach dem Bruch der Koalition nun einmal gescheitert sei, hielte es Raphelt für das bessere Zeichen, einen Kandidaten aufzustellen, der für einen Neuanfang stehe. In der politischen Ausrichtung sieht der Lenggrieser keine großen Unterschiede zwischen den beiden Spitzenpolitikern.
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Pistorius hält er aber für das frischere Gesicht. „Und es ist ja schon erstaunlich, dass er einmal ein Verteidigungsminister ist, der nicht nach kurzer Zeit zurückgetreten ist. Der Posten ist normalerweise nicht gerade ein Karrieresprungbrett, also hat er offenbar einen ganz guten Job gemacht.“ Von Olaf Scholz hingegen hätte sich Raphelt gewünscht, „dass er immer so gesprochen hätte wie bei der Entlassung von Lindner“ – also deutlich bestimmter. „Ich hätte mir von ihm mehr Rückgrat und Kante erwartet.“