Nach Beinbruch: Heli bringt Kalbin von Ritzelbergalm
Einen äußerst herausfordernden Almabtrieb hat der Kreuther Landwirt Werner Winkler erleben müssen: Seine Kalbin Agnes hatte sich auf der Ritzelbergalm am Schinder zwei Beine gebrochen. Ein Hubschrauber brachte das Tier vom Berg, nachdem es von seinem Leid erlöst worden war.
Die Ritzelbergalm am Schinder ist nicht ohne Mühen zugänglich. Man erreicht die auf 1500 Höhenmetern gelegene Alm an der Grenze zu Tirol nach einem etwa einstündigen Fußmarsch, der Orientierungssinn und Trittsicherheit erfordert – mit Autos ist sie nicht erreichbar. Hier hält Landwirt Werner Winkler im Sommer sein Vieh. Insgesamt weiden 36 Tiere auf der Alm, nicht alle gehören ihm. Eigentlich hätte das Vieh bis zum kommenden Wochenende oben bleiben sollen, doch wegen des plötzlichen Wintereinbruchs in den Alpen beschlossen der 66-Jährige und seine Nachbarn, ihr Vieh früher ins Tal zu bringen – wie andere Almbauern auch (wir berichteten).
Am vergangenen Mittwoch war es so weit. Über einen etwa sieben Kilometer langen Forstweg machten sich die Almbauern zunächst mit Kraftfahrzeugen auf Richtung Boareibl Alm auf Kreuther Flur, bevor sie den weiteren Aufstieg zu Fuß fortsetzten. Oben angekommen, bot sich ihnen ein Bild, das nahe geht: Kalbin Agnes lag mit gebrochenem Hinter- und Vorderbein am Boden. Das erst zwei Jahre alte Tier hatte an einem Abhang den Halt verloren. Wie es passiert ist, darüber kann Winkler nur Mutmaßungen anstellen. Möglicherweise hat eine stierige Kuh sie nahe dem Abhang besprungen.
Die Familie Winkler verständigte das Veterinäramt, das deutlich machte, dass Agnes aus Tierschutzgründen sofort von ihrem Leid erlöst werden müsse. „Sie hat immer wieder versucht, aufzustehen, als sie gemerkt hat, dass der Rest der Herde weiterzieht“, erzählt Winkler am Telefon. „Das ist eine Katastrophe.“
Metzger erlöst verletztes Tier
Doch eine Erlösung ist nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen, wenn es sich um eine nur fußläufig erreichbare Alm auf 1500 Metern Höhe handelt. Schließlich fand die Familie Winkler einen Metzger, der bereit war, den Weg samt Schlachtschussapparat auf sich zu nehmen, um die Qualen des Tieres zu beenden. Schlachtschussapparate ermöglichen eine sofortige Betäubung durch einen gezielten Schuss ins Gehirn.
Damit hatte Winkler sein Tier aber noch nicht im Tal. Ein Helikopter musste her, um den Kadaver abtransportieren zu können. Das Unternehmen „Heli Tirol“, das unter anderem in solchen Fällen Einsätze fliegt, hatte auf die Schnelle jedoch keinen Hubschrauber verfügbar. „Dabei hat es pressiert, weil eine Schlechtwetterfront auf uns zugekommen ist, die keine Helikopterflüge mehr zugelassen hätte“, erzählt Winkler.
Schwierige Suche nach Hubschrauber
Über das Veterinäramt habe es dann letztendlich geklappt, eine Münchner Firma zu finden, die den Einsatz übernehmen konnte, weil sie zufällig mit einem Helikopter in der Nähe war. „Sonst wäre der Kadaver oben geblieben, und Füchse hätten sich am Aas bedient“, sagt Winkler. Der Hubschrauber transportierte die tote Agnes Richtung Boareibl Alm, wo sie auf Winklers Tieflader schließlich ihre letzte Reise antrat.
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„Der Vorfall hat schon Stress bedeutet“, sagt Winkler, dem die Anspannung auch Tage später noch immer anzuhören ist. „Wäre das nicht passiert, hätte alles gut funktioniert“, resümiert der Landwirt über den wetterbedingt vorgezogenen Almabtrieb. Er persönlich habe so etwas noch nicht erlebt. Aber ein Mitarbeiter des Helikopter-Unternehmens habe ihm erzählt, dass es in der Vergangenheit bereits ähnliche Einsätze gegeben habe. „Man braucht schon Idealismus für diese Arbeit“, sagt der Kreuther.