Für finanziell schlechter gestellte Menschen: Landkreis Freising führt Sozialpass ein

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Eintrittskarte zum gesellschaftlichen Leben: Der Sozialpass soll finanziell schwächeren Menschen die Chance geben, an Kultur, Sport und Bildung teilzuhaben. © Landratsamt Freising

Im Landkreis Freising gibt es ab sofort einen Sozialpass. Er soll finanziell schlechter gestellten Menschen die Chance geben, am sozialen Leben teilzuhaben.

Landkreis Freising - Der Anlauf war lang: Schon im Jahr 2022 war zwischen der Stadt Freising und dem Landkreis die Idee geboren, einen Sozialpass einzuführen, der finanziell schlechter gestellte Menschen dazu berechtigt, zu deutlich vergünstigten Preisen kirchliche, sportliche, kulturelle oder andere Angebote in ihren Heimatorten nutzen zu können. Nach Debatten in den Kreisgremien und einigen Entwicklungsschritten gibt es ihn ab sofort – sehr zur Freude von Landrat Helmut Petz, der bei einem Pressegespräch sagte: „Manchmal war es zach, aber jetzt ernten wir die ersten Früchte.“

Ziel ist es, finanziell schwächere Landkreisbürger zu unterstützen – mit einer einfachen Umsetzung, indem an vorhandene Sozialleistungssysteme angeknüpft wird, ohne zusätzliche Stellen schaffen zu müssen, und ohne dass nennenswerte Kosten entstehen. Für Petz ist der Pass ein Bekenntnis zur sozialen Teilhabe: „Wir wollen, dass Menschen, die sich eine Beteiligung am sozialen Leben nicht leisten können, weil sie einen dünnen Geldbeutel haben, mit uns am Leben teilnehmen können.“

Den Sozialpass können alle Empfänger von Sozialleistungen erhalten, die im Landkreis Freising leben –auch wenn die eigene Kommune am Wohnort selbst bisher keine Sozialpass-Angebote macht. Zu den Sozialleistungen zählen die Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe, Bürger- und Sozialgeld, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen des Bezirks nach SGB XI und Wohngeld. All diese Zuwendungen gehören zum System der Mindestsicherung.

Alle, die in Frage kommen, erhalten den Sozialpass bei der für sie zuständigen Stelle. Er kann im persönlichen Gespräch mit dem Sachbearbeiter oder formlos per E-Mail beantragt werden. Missbrauchsmöglichkeiten oder Erschleichung eines Passes sind nahezu ausgeschlossen. „Wir haben ja alle in Frage kommenden Personen in unseren Systemen abgespeichet“, sagt Werner Wagensonner, Sachgebietsleiter in der Sozialverwaltung.

Die Behörden wollen aber auch aktiv auf die Sozialpass-Berechtigten zugehen – etwa, dass bei einem neuen Bescheid Informationen zu dem Angebot beigelegt werden. Bernhard Reiml vom Jobcenter erklärte aber auch, dass die Bezieher von Bürgergeld und Sozialgeld regelmäßig in seinem Haus vorsprechen. „Da können wir den Sozialpass ebenfalls thematisieren.“

Soziale Einrichtungen oder ehrenamtlich Aktive wie Nachbarschaftshilfen oder Betreuer von geflüchteten Menschen werden gebeten, diese Informationen an ihre Klienten weiterzugeben.. Die Aufgabenverteilung ist klar, wie Petz betont: „Der Landkreis gibt den Pass aus und führt die Internetauftritte zusammen. In der Gemeinde wird das lokale Angebot ausgestaltet.“

Sechs Kommunen haben sich bisher zum Sozialpass bekannt. Das sind die beiden Städte Freising und Moosburg sowie die Gemeinden Neufahrn, Hallbergmoos, Langenbach und Attenkirchen. Das hört sich im Anbetracht dessen, dass es im Landkreis Freising 24 Kommunen gibt, zunächst wenig an. Landrat Helmut Petz betonte aber, dass allein diese sechs Teilnehmer mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung abdecken, die sich aktuell auf rund 186 000 Menschen beläuft. Wichtig ist, dass ohnehin alle Landkreis-Bürger, die die Kriterien erfüllen, die bisher bestehenden Angebote nutzen können. Das sind rund 7400 Sozialempfänger, die von dem Pass profitieren.

„Ich war gleich begeistert von dieser Idee“, berichtet Josef Niedermair, Bürgermeister von Hallbergmoos, nachdem die im Rahmen eines Agenda-21-Prozesses in Freising entstandene und von OB Tobias Eschenbacher forcierte Idee erstmals vorgestellt wurde. Während viele Kommunen reserviert bis ablehnend reagierten, waren Niedermair und sein Amtskollege Franz Heilmeier aus Neufahrn die ersten Bürgermeister, die sich zu dem Projekt bekannten. Niedermair sagt: „Bedürftige Leute sollten die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden.“

Die kleinste Gemeinde, die den Sozialpass einführt, ist Attenkirchen. „Für uns ist das aufgrund der knappen personellen Ressourcen ein bisserl schwieriger“, berichtet Bürgermeister Mathias Kern. „Doch für mich ist es sehr wichtig, dass gerade Kinder teilhaben können und nicht ausgegrenzt werden, weil die Eltern etwas nicht bezahlen können.“

Die Freisinger Grünen-Stadträtin Charlotte Reitsam, die vom Landrat als „Ideenspenderin“ für den Sozialpass gewürdigt wurde, betonte: „Ich wünsche mir, dass immer mehr Gemeinden aufspringen, und wir das Angebot damit noch weiter ausbauen können.“

Für die Ausgestaltung der Angebote sind die Kommunen zuständig, die sich zum Sozialpass bekennen. In der Stadt Freising etwa gibt es Ermäßigungen beim Eintritt in das Schwimmbad fresch, die Eishalle oder das Stadtmuseum. Vergünstigt werden auch Stadtführungen oder kulturelle Veranstaltungen. In Hallbergmoos wiederum erhalten Menschen mit Sozialpass einen kostenlosen Benutzerausweis für die Bücherei, Ermäßigungen beim Unterricht in der Musikschule, bei Vhs-Kursen und beim Ferienprogramm.

Dabei muss die Wirkkraft von Sozialpässen nicht bei städtisch geführten Betrieben enden – ganz im Gegenteil, wie Reitsam betont: „Es handelt sich hier um ein gesamtgesellschaftliches Engagement. Auch alle Privatunternehmen sind herzlich dazu aufgerufen, mitzumachen.“ So will Niedermair die in seiner Gemeinde ansässige O2-Surftown für den Sozialpass gewinnen: „Ich werde bei der ,Welle‘ ein gutes Wort einlegen.“ Im Rahmen des Pressegesprächs kam auch die Idee auf, dass Gastronomen Sozialpass-Besitzern Vergünstigungen bei Speisen und Getränken anbieten könnten.

„Wir wissen, dass unsere Klienten kaum finanzielle Spielräume haben“, berichtet Jobcenter-Leiter Reiml. „Sie sparen bei Kultur, Bildung, Essen.“ In der Folge ziehen sich Leistungsempfänger oft immer weiter zurück und igeln sich ein. „Indem wir sie integrieren, bieten wir ihnen eine Möglichkeit, Selbstvertrauen zu schöpfen, einen Weg zurück ins Berufsleben zu finden“, sagt er.

Reiml sieht auch einen möglichen Mehrwert fürs Ehrenamt: „Indem wir ihnen die Chance geben, sinnstiftende Erfahrungen und Erlebnisse zu sammeln, motivieren wir sie, sich selbst einzubringen“, erklärt er. „Diese Menschen haben vieles nicht, aber eines schon: Zeit.“ Neben der sozialen Komponente sieht er den Sozialpass deshalb auch als Investition in die Zukunft.

Auch Sandra Schulenberg, die sich im Landratsamt um geflüchtete Menschen kümmert, bestätigt diesen Bonus für die Gesellschaft. „Wie kann ich ein fremdes Land und eine Sprache besser kennenlernen und mich so integrieren, als wenn ich teilhaben kann?“

Die Integrationskraft des Sozialpasses hat Charlotte Reitsam auch auf politischer Ebene festgestellt. Das Projekt sei parteiübergreifend abgestimmt und sowohl im Stadtrat als auch im Kreistag einstimmig beschlossen worden. „Das zeigt: Es gibt in unserer Gesellschaft nicht nur Spaltung, Spaltung, Spaltung, sondern auch ein großes Miteinander.“

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