Gesagt, getan: Statt eines Ablenkungsmanövers hat Trump seine Drohung gegen Iran wahr gemacht

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Klare Worte: Was die einen Analysten für einen ausgefeilten Coup der Militärs betrachten, halten andere für das strikte Handeln entsprechend seiner Drohung: US-Präsident Donald Trump hat wohl schon frühzeitig den Befehl gegeben, iranische Atomanlagen zu bombardieren. © IMAGO/Carlos Barria

Der scheinbar gewitzte Coup scheint in Wahrheit konsequentes politisches Handeln zu sein. Trump hat mit dem Angriff umgesetzt, was er angedroht hatte.

Washington D.C. – „Das Verlegen von Flugzeugen bedeutet nicht, dass eine endgültige Entscheidung über einen Angriff getroffen wurde“, hatte Maggie Haberman gewarnt. Die Autorin der New York Times hat damit so richtig gelegen wie total daneben. US-Präsident Donald Trump hat offenbar der ganzen Welt eine Nase gedreht und hinter seiner gewohnt widersprüchlichen Außendarstellung eine längst getroffene Entscheidung verborgen: den Eintritt der USA in den Krieg in Israel. Nun ist der Iran am Zug. Laut dem Wirtschaftssender CNBC habe dessen Regierung geantwortet, sie behalte sich alle Optionen vor.

Laut einsehbarer Flugdaten und Kommunikationsaufzeichnungen der US-Flugsicherung und Open-Source-Flugzeugtrackern verlege der 47. Präsident der USA aktuell zwei bis vier B-2-Spirit-Stealth-Bomber in Richtung des US-Marinestützpunktes Guam im Pazifischen Ozean – das hatte die Zeitung Haaretz berichtet. Wie das israelische Blatt schrieb seien die Maschinen am Sonnabendmorgen (21. Juni) von der Whiteman Air Force Base in Missouri aus gestartet. Haaretz-Autor Avi Scharf wertete das als mögliches Zeichen dafür, dass die USA einen Angriff auf die iranische Anlage vorbereiteten.

Kein Coup der USA? Vermutlich sind die angreifenden B-2-Bomber tatsächlich von Guam aus gestartet

Wie CNN bereits im April gemeldet hat, sei ein Drittel der US-B2-Flotte, also mindestens sechs Maschinen, auf die Insel Diego Garcia im Indischen Ozean verlegt worden. „Analysten sähen darin eine Botschaft an den Iran, da die Spannungen im Nahen Osten erneut aufflammen“, so CNN im April. Insofern hätte Donald Trump den Einsatz der Bomber sowie den Eingriff der USA in die Spannungen bereits länger als Wahrscheinlichkeit angesehen. Darüber hinaus liegt Guam mit seinem US-Militärstützpunkt deutlich weiter vom Iran entfernt als Diego Garcia. Die Entfernung zwischen dem Archipel Diego Garcia im Indischen Ozean und der Aufbereitungs-Anlage Fordo im Iran beträgt rund 5.000 Kilometer Luftlinie. Die Entfernung von Guam und Fordo steigt auf fast 9.600 Kilometer Luftlinie.

„Amerika ist zurück. Nicht das Amerika, das sich für seine Macht entschuldigt, sondern das Amerika, das sie nutzt.“

Kommentatoren in Sozialen Netzwerken hatten sich ohnehin gewundert, dass die USA Maschinen für einen möglichen Kampfeinsatz vor den Augen der Welt verlegten. Über das ADS-B (Automatic Dependent Surveillance-Broadcast) sind die Maschinen dann von Flugsicherungen genauso zu verfolgen wie von jedermann, beispielsweise auf Flightradar24. Allerdings schalten Kampfjets ihre Sender in der Regel aus, da die Daten deren Verfolgung grundsätzlich in Echtzeit mittels GPS ermöglichten. Die Missionen würden dann auch für den Gegner sicht- und ausrechenbar. Allerdings schreibt die Tagesschau, dass die angreifenden B-2-Bomber tatsächlich von Guam aus gestartet seien.

In einer Rede an die Nation sagte US-Präsident Donald Trump, die Angriffe auf drei iranische Atomanlagen seien ein „spektakulärer militärischer Erfolg“ gewesen, der die wichtigsten Anreicherungsanlagen des Landes „vollständig zerstört“ habe, wie CNBC berichtete. Das ist wahrscheinlich nur deshalb möglich gewesen, weil die vermeintliche Guam-Verlegung offenbar eine Finte gewesen war und deshalb im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit hatte stattfinden können. Wie die Tagesschau berichtet, seien die US-Angriffe auf die Atomanlagen „in enger Abstimmung Israel vollzogen worden“, wie ein Sprecher der israelischen Armee geäußert haben soll.

„Neue“ USA: „Nicht das Amerika, das sich für seine Macht entschuldigt, sondern das Amerika, das sie nutzt.“

Effie Defrin habe aber offen gelassen, wann genau Israel über die US-Angriffe auf die Aufbereitungs-Anlage Fordo informiert worden war, wie die Tagesschau formuliert. Ebenfalls unbestätigt ist das Ausmaß der Zerstörungen an der angegriffenen Infrastruktur oder inwieweit Strahlung ausgetreten ist. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde sowie dem iranischen Zentrum für nukleare Sicherheit sei bisher keine Strahlung gemessen worden, so CNBC.

Wie das Magazin The Week aktuell berichtet, soll Donald Trump seit 2017 an diesem Vorhaben getüftelt haben; was danach klingt, als sei ihm der israelische Angriff gerade recht gekommen: Der US-Präsident und der israelische Premierminister hätten mit diesem Schachzug bewiesen, dass die amerikanische Macht weiterhin das Weltgeschehen entscheide, wenn sie richtig eingesetzt würde – was Donald Trump wohl gelungen sein, wie Gregg Roman kommentiert: „Monatelang führten Washington und Jerusalem eine Informationskampagne, die den KGB stolz gemacht hätte. Sie täuschten Teheran. Sie täuschten die Kommentatoren der extremen Linken und der aufgeweckten Rechten. Sie täuschten die Experten der Denkfabriken, die sich für zu schlau halten, um sich täuschen zu lassen“, so der Direktor des US-Thinktanks Middle East Forum.

Roman zufolge könnte das ein weiterer Baustein sein in der vom US-Präsidenten ausgerufenen Make-America-Great-Again-Kampagne (MAGA). „Nichts ist so gefährlich wie die Obsession, ein für alle Mal mit seinem Gegner aufzuräumen“, hatte Eric Gujer in der Neuen Zürcher Zeitung gewarnt. Die bewusst herausfordernd zur Schau gestellte Verlegung von B-2-Bombern in strategischer Reichweite des Ziels ähnelte leicht der Kanonenbootpolitik des 19. Jahrhunderts.

Irans Irrglaube: Durch Khameneis Ignoranz der Wahrheit, sei er der „ultimativen Täuschung“ aufgesessen

Sie hat das iranische Regime an den langen Arm des Erzfeindes USA und an die Kraft seiner geballten Faust erinnert. Und jetzt haben die iranischen Machthaber tatsächlich beides gespürt. Die Botschaft sei klar, schreibt Roman: „Amerika ist zurück. Nicht das Amerika, das sich für seine Macht entschuldigt, sondern das Amerika, das sie nutzt.“

Gegenüber dem Spiegel hatte Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton vor einem gefährlichen Schlingerkurs gewarnt: Der Befehl an die US-Luftwaffe gen Guam mag darin begründet gewesen sein, dass sich Trump wieder als Akteur zu inszenieren gedenke, und, wie Bolton sich ausgedrückt hat, „wieder vor die Welle“ kommen will und das Geschehen diktieren. Das ist ihm jetzt eindrucksvoll gelungen – zumindest bis der Iran möglicherweise zu einem Gegenschlag ausholt und die USA empfindlich trifft.

„Die USA können gegen unser Programm überhaupt nichts tun“, hatte Ali Khamenei Anfang Juni öffentlich verkündet – das iranische Staatsoberhaupt habe sich in Höchstform befunden, urteilt Michael Doran. Indem Khamenei mit dieser Äußerung Trumps und Netanjahus Forderungen nach einem Stopp der Urananreicherung zurückgewiesen hatte, sei er der „ultimativen Täuschung“ aufgesessen, kommentiert der Analyst des US-amerikanischen Thinktanks Hudson Institute. Trumps Drohungen seien Khamenei offensichtlich als leer erschienen und als bloße Inszenierung für innenpolitische Zwecke, so Doran.

Offensichtlich habe jeder damit gerechnet, dass Trump keine Lust gehabt hätte auf eine Eskalation. Schließlich war er in beiden Wahlkämpfen damit angetreten, Kriege beenden zu wollen anstatt sie zu entfachen. Möglicherweise haben die B-2-Bomber jetzt genau das erreicht. Allerdings soll innerhalb seines MAGA-Lagers Zwietracht geherrscht haben, wie die Tagesschau berichtet: Die eine Seite soll Trump auf sein Versprechen festgenagelt und die andere Seite soll ihn zum Handeln gedrängt haben. Offenbar hätten sich die „Vertreter einer klassischen Außenpolitik“ gegenüber dem „wankelmütigen Trump“ durchgesetzt.

Netanjahu-Trump-Bündnis: In einer Welt strategischer Zweideutigkeit sagten sie einfach, was sie meinten

Michael Doran sieht letztendlich den US-Präsidenten als den entscheidenden Akteur: Trump hätte nie zugelassen, dass der Iran Atombomben baue, und Netanjahu sei bereit gewesen, eingedenk dieses Wissens „mutig zu handeln“, wie er schreibt.. Seiner Meinung nach habe der Kern der Täuschung keineswegs in einer Lüge bestanden und beileibe in keiner Irreführung – das Besondere der Aktion sei die völlige Abwesenheit einer Täuschung gewesen. Sowohl die israelische als auch die US-amerikanische Regierung hätten dem Iran die Möglichkeit des Einlenkens gegeben, urteilen neben Doran und Roman auch andere Kommentatoren.

Gleichzeitig hätten beide Regierungen auch ihre Alternativen konsequent vorangetrieben. Im Schatten der Verhandlungen, die dem Iran immer noch das Gefühl gegeben hätte, als Sieger vom Platz zu gehen. Womit sich dieser sichtlich wohlgefühlt haben muss, wie Michael Doran in seinem Kommentar für das Hudson Institute klarstellt: „In einer Welt diplomatischer Doppelzüngigkeit, Heuchelei und strategischer Zweideutigkeit sagten Trump und Netanjahu einfach, was sie meinten. Die schlichte Wahrheit, klar ausgesprochen, machte Khamenei blind.“ (KaHin)

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