Landestheater Schwaben: Mit der Premiere von „Don Karlos“ in die neue Theatersaison gestartet

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Spielszene aus „Don Karlos“: Intendantin Kohrs lässt das Stück in einem Klassenzimmer ohne entsprechende Kostümierung spielen. Sie will damit die Bildung als entscheidenden Schlüssel zum freiheitlichen Denken verstanden wissen. © Tom Otto

Zum Start der neuen Theatersaison am 27. September 2024 im Großen Haus hat sich die neue Intendantin Sarah Kohrs gleich an eines der berühmtesten Stücke von Friedrich Schiller gewagt: „Don Karlos“. Schiller schrieb an diesem „dramatischen Gedicht“ über drei Jahre lang, herausgekommen ist ein vielschichtiger Klassiker in fünf Akten.

Landestheater Schwaben startet mit „Don Karlos“ in die Theatersaison 2024/2025

Memmingen – In den gelben, klein und eng bedruckten Reclam-Heften füllt „Don Karlos“ über 220 Seiten. Bei ihrer Inszenierung musste Sarah Kohrs folglich viele Details ausblenden, um den Kern des Dramas in über zwei Stunden Netto-Spielzeit auf die Memminger Bühne zu bringen.

Landestheater Schwaben startet mit „Don Karlos“ in die Theatersaison 2024/2025

In Schillers Original finden sich die Themenkreise Vater-Sohn-Konflikt, die dramatische unerfüllte Liebe, Vernunft und Gefühl, Freundschaft, Vertrauen und Betrug, Tyrannei und Menschlichkeit, Freiheit und die politische Dimension der Aufklärung. Mit der Verwendung des Zitats „Gebt Gedankenfreiheit, Sire!“ und der Einordnung des Stücks in das neue Spielzeitmotto „Freiheit, die ich meine“ wurde letztere besonders hervorgehoben. In der nun vorgestellten Inszenierung kommt diese gesellschaftliche Dimension jedoch deutlich zu kurz.

Landestheater Schwaben: Friedrich Schillers „Don Karlos“, ein vielschichtiger Klassiker in fünf Akten

Die unerfüllte Liebesgeschichte zwischen dem Königssohn und seiner Stiefmutter, die früher bereits seine Verlobte war, der Konflikt zwischen dem kalten, tyrannischen und intriganten König und seinem Sohn sowie allerhand Intrigen und Freundschaftsverrat der übrigen Protagonisten am Hof stehen in der aktuellen Fassung deutlich im Zentrum. Die gesellschaftlichen und historischen Rahmenbedingungen des Achtzigjährigen Krieges im Europa des 16. Jahrhunderts finden sich allenfalls in den dadurch bedingten Einengungen der persönlichen Freiheit. Schillers aufklärerisches Plädoyer dafür, seine Gefühle nicht zu verstecken, selbst wenn sie gesellschaftlich nicht anerkannt sind, kommt hier nur am Rande vor. Zwei zentrale Forderungen der Aufklärung, Freiheit und Toleranz, geraten dabei eher ins Hintertreffen.

Landestheater Schwaben: Friedrich Schillers „Don Karlos“, ein vielschichtiger Klassiker in fünf Akten

Stattdessen werden die höfische moralische Verderbtheit, Unehrlichkeit und Missgunst ausführlich dargestellt. Selbst der König erkennt, dass überall an seinem Hof Intrigen, Verrat und Betrug an der Tagesordnung sind. Dass er selbst massiv dazu beiträgt und seine starre, ausschließlich an der Macht orientierte Art genau das hervorgebracht hat. Die übrigen Figuren Pater Domingo, Herzog von Alba und Prinzessin von Eboli, die wiederum allen anderen Personen am Hofe misstrauen, beherrschen diese Untugenden ebenfalls königlich.

Landestheater Schwaben: Friedrich Schillers „Don Karlos“, ein vielschichtiger Klassiker in fünf Akten

Da erscheint Don Karlos bester Freund, der Marquis de Posa als Leuchtfeuer in der Finsternis der verdorbenen höfischen Gesellschaft. Er steht für eine höhere Idee ein. Er will den aufständischen protestantischen Niederländern im Kampf gegen die Besatzungsmacht Spanien und die katholische Kirche helfen. Vermutlich liegt es an der Verdichtung des Stückes, dass die Motive für seine Verwandlung vom Freund und Rebell zum Verräter und Machtunterstützer und am Ende ebenso wieder zurück, nicht richtig deutlich werden.

Auch die Entwicklung der Persönlichkeit des Königs vom Tyrannen zum Opfer des politischen Systems, das er repräsentiert, wird nicht recht sichtbar. Er sucht nach vertrauenswürdigen Beratern und stattet dabei den Marquis de Posa mit einer überaus großen Machtfülle aus, obwohl dieser sich zur Aufklärung bekennt. De Posa fordert den König auf, ein „guter Fürst“ zu werden, indem er in seinem Land Gedankenfreiheit einführt. Nun ist es der Freund von Don Karlos, der eine aufwendige, kaum zu durchschauende Intrige gegen den König und für die persönliche und gesellschaftliche Freiheit schmiedet. Am Ende führt dies allerdings zum Tod von Don Karlos und dem Marquis de Posa. Keine Freiheit, kein Happy End.

Weitere Aufführungen

Die nächsten Aufführungstermine sind die Gastspiele in Sonthofen am 8. Oktober 2024, in Ottobrunn am 6. November 2024, in Kaufbeuren am 10. Dezember 2024 und in Babenhausen am 5. Januar 2025. Darüber hinaus gibt es noch drei Termine im LTS Mitte Februar nächsten Jahres.

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